Die Worte von Jesus wirken manchmal unverständlich. Doch für den Glaubenden sind sie Trost und Zuversicht.
Beim genauen Lesen der Geschichte vom königlichen Beamten (Johannes 4,46-54) fallen einige Dinge auf. Jesus reagiert so, wie wir es nicht erwarten würden. Irgendwie kommt es doch noch zu einem guten Ende und wir entdecken, was zwischen den Zeilen abläuft: Wir hören manchmal etwas anderes, als gesagt wurde. Das große Geheimnis ist, dass Gott unsere Ohren verschließt oder für etwas öffnet, dass uns in den Glauben führt.
Leben mit der Bibel, Der königliche Beamte (Johannes 4,46-54), Donnerstag, 28. Oktober, Radio Maria Schweiz
Die Sendung kann auch auf dem Podcast von Radio Maria Schweiz gehört werden: Link zu den Sendungen im Radio Maria https://www.radiomaria.ch/de/podcasts?combine=Hanspeter+Obrist
46 Jesus kam wieder nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser in Wein verwandelt hatte. In Kafarnaum lebte ein königlicher Beamter; dessen Sohn war krank. 47 Als er hörte, dass Jesus von Judäa nach Galiläa gekommen war, suchte er ihn auf und bat ihn, herabzukommen und seinen Sohn zu heilen; denn er lag im Sterben. 48 Da sagte Jesus zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht. 49 Der Beamte bat ihn: Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt! 50 Jesus erwiderte ihm: Geh, dein Sohn lebt! Der Mann glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte, und machte sich auf den Weg. 51 Noch während er hinabging, kamen ihm seine Diener entgegen und sagten: Dein Junge lebt. 52 Da fragte er sie genau nach der Stunde, in der die Besserung eingetreten war. Sie antworteten: Gestern in der siebten Stunde ist das Fieber von ihm gewichen. 53 Da erkannte der Vater, dass es genau zu der Stunde war, als Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt. Und er wurde gläubig mit seinem ganzen Haus. 54 So tat Jesus sein zweites Zeichen, nachdem er von Judäa nach Galiläa gekommen war.
Was ist besonders an dieser Geschichte?
Jesus reagiert unerwartet. Wie kann Jesus einem verzweifelten Vater, dessen Sohn im Sterben liegt, so schroff und ablehnend begegnen? Die Antwort von Jesus auf seine Bitte um Hilfe ist: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht.“
Doch halt, Jesus sagt nicht „du“, sondern „ihr“. Wir müssen uns die Situation einmal vorstellen. Der verzweifelte Mann ist wahrscheinlich nach Kana gekommen und hat gefragt, ob Jesus hier irgendwo ist, denn sein Sohn ist todkrank. Er hat gehört, dass Jesus von Judäa hierher nach Galiläa gekommen ist. Dann brachten die Leute ihn zu Jesus.
Jesus spricht mit seiner Aussage nicht den Vater an, sondern die Gruppe der Mitläufer, die um ihn herumsteht und denkt, jetzt könnte es etwas Spannendes zu sehen geben. Doch weit gefehlt. Jesus weist sie ab.
Dahinter steht etwas, was wir immer wieder beobachten können. Jesus möchte keinen Wunderglauben, sondern Vertrauen in ihn und seine Worte.
Nachdem einmal Jesus viele Menschen geheilt hat, kommt Petrus zu Jesus. So steht in Markus 1,36-38: „36 Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, 37 und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. 38 Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen.“
Jesus möchte für das Reich Gottes begeistern und nicht möglichst viele Wunder wirken. Da müssen auch wir uns die Frage stellen: Sind wir Mitläufer, die nur gerne Wunder sehen möchten? Jesus geht nicht auf sie ein.
Der Mann ließ sich aber nicht wegweisen. Was fällt da auf?
Spannend ist: Der königliche Beamte geht gar nicht auf die Antwort von Jesus ein. Vielleicht haben sich einige der Mitläufer umgedreht und sind gegangen. Nicht so der verzweifelte Vater. Er hört nur, dass Jesus helfen kann. In den Worten von Jesus: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht“, hört er nur: Jesus kann ein Wunder tun.
Seine einzige Hoffnung ist Jesus. Er denkt aber, dass Jesus nur helfen kann, wenn er zu seinem Sohn kommt. Deshalb bittet er Jesus: „Komm herab in mein Haus.“ Der Mann bittet nicht mehr um ein Wunder, sondern um die Gegenwart von Jesus. Manche haben in ihrem Leben entdeckt, dass die Gegenwart von Jesus viel wichtiger ist als ein Wunder.
Es ist auch spannend, dass der Heilige Geist uns manchmal die Ohren verschließt und wir manchmal etwas hören, was so gar nicht gesagt wurde. In Johannes 16,8 sagt Jesus über den Heiligen Geist: „8 Und ist er erst gekommen, wird er den Menschen die Augen für ihre Sünde öffnen, für Gottes Gerechtigkeit und sein Gericht.“
Auch wenn wir alle das Gleiche hören, ist es interessant, dass einer auf einmal etwas hört, was ihm eine Frage beantwortet, aber gar nicht das Thema war. Deshalb finde ich es besser, wenn wir nicht alles beurteilen. Vielleicht hat jemand aus einer Sendung oder Predigt einen entscheidenden Impuls mitgenommen, und den wollen wir nicht zerstören. Warum ein Wort uns anspricht oder nicht, ist ein Geheimnis. Wichtig ist, dass wir dem Impuls folgen, den wir wahrnehmen. Dieser Mann bringt mit seiner Haltung zum Ausdruck, dass es ihm nicht um ein Wunder geht, sondern darum, Hilfe in der Situation mit seinem todkranken Sohn zu erhalten. Er weiß, dass Jesus helfen kann.
Es überrascht dann aber trotzdem, dass Jesus nicht mit diesem Mann mitgeht. Was können wir da entdecken?
Jesus zeigt uns, was das Entscheidende ist: „Glaube auf sein Wort hin.“ Auf sein Wort hin kann Petrus auf dem Wasser gehen. Auf sein Wort hin werfen die Jünger nochmals die Netze aus und machen einen großen Fischfang. Auf sein Wort hin schütten sie in Kana Wasser in die Krüge und es wird zu Wein.
Der Vater des kranken Jungen glaubt Jesus, obwohl es dem widerspricht, was er erwartet hat. Wie muss es wohl für ihn gewesen sein, die 35 km von Kana nach Kapernaum anzutreten, ohne einen sichtbaren Beweis dafür erhalten zu haben, dass zuhause das geschehen ist, worum er gebeten hat? Er hat nur die Zusage bekommen: „Geh, dein Sohn lebt.“
Manchmal fordert uns Gott heraus, uns auf den Weg zu machen und ihm einfach zu vertrauen, dass er zur rechten Zeit für uns sorgt. Ich weiß nicht, wie wir in dieser Situation reagiert hätten. Hätten wir ein weiteres Zeichen gefordert? Oder können wir Jesus auch einfach vertrauen?
Bei vielen Wundern fordert Jesus die Leute dazu auf, etwas zu tun, bevor das Wunder sichtbar wird. So sagt er zu den zehn Aussätzigen, sie sollen sich auf den Weg zu den Priestern machen. Bei der Auferweckung von Lazarus fordert er die Leute auf, den Stein wegzurollen.
Es braucht oft einen Akt des Glaubens, um zu zeigen, dass wir uns auf Jesus einlassen. So lassen wir uns auch im Glauben auf die Worte von Jesus ein, im Vertrauen, dass er an uns das Wunder vollbringt, dass wir zum himmlischen Vater gehen dürfen.
Der Mann geht nach Hause. Was ist daran besonders?
Der Vater geht. Die Leute bleiben. So wie damals lösen die Worte von Jesus auch heute noch bei den einen Hoffnung und Glauben aus und bei anderen ein Kopfschütteln. Man kann die gleiche Predigt hören oder den gleichen Bibeltext lesen, doch der eine hört darin eine Botschaft von Gott für sein Leben und der andere kann damit überhaupt nichts anfangen. Paulus sagt: „Das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft“ (1. Korinther 1,18). Jesus hat einmal gesagt, dass er in Gleichnissen spricht, damit die Menschen entweder finden, was sie suchen, oder verwirrt werden. Unsere Grundhaltung öffnet oder verschließt unser Herz.
Die Masse hat sich nicht auf den Weg gemacht, um das Wunder zu sehen. Der Aufwand ist für sie zu groß. Sie wollen sich nicht darauf einlassen. Glaube heißt, sich auf den Weg zu machen, auch wenn niemand mitgeht, in der Erwartung, dass Jesus unsere Situation kennt und er zu seiner Zeit handelt.
Nicht immer erhört Gott unsere Gebete so, wie wir uns das vorgestellt haben. Vielleicht dachte der Mann, dass Jesus als Prophet weiß, dass sein Sohn noch nicht gestorben ist und dass es ihm langsam wieder besser geht. Als ihm jedoch die Diener entgegenkommen und ihm fast mit den gleichen Worten wie Jesus sagen: „Dein Sohn lebt“ und die Änderung seines Zustandes genau mit dem Zeitpunkt der Zusage von Jesus übereinstimmt, weiß er, dass es eine „Fernheilung“ war und nicht ein glücklicher Zufall.
Jakobus schreibt, dass wir füreinander beten sollen, denn ein aufrichtiges Suchen nach Gott wird die Situation des Kranken verändern (Jakobus 5,15). Gott gefällt es, unsere Gebete so zu erhören, dass seine Macht, Gnade, Ehre und Souveränität dadurch hervorgehoben werden. Doch „wie er hilft“, müssen wir ihm nicht vorschreiben. Hier in dieser Geschichte hat der Mann auch akzeptiert, dass Jesus nicht mit ihm gekommen ist.
Spannend ist, dass das ganze Haus von diesem Beamten in Kapernaum zum Glauben kam. Was können wir daran sehen?
Das Ergebnis dieser Geschichte ist nicht das Wunder und wie es genau geschah, sondern der Glaube. Im Dorf des Trostes, was die wörtliche Übersetzung von „Kafar Naum“ ist, findet ein ganzes Haus im Glauben an Jesus Trost und Zuversicht. Glauben heißt, nach Hause zu gehen. Wer zum Haus der Glaubenden gehört, dem passiert nichts, von dem Jesus nichts weiß. Jesus will nicht die Massen unterhalten (Johannes 2,23-25). Deshalb ist er von Judäa nach Galiläa zurückgekehrt (Johannes 4,1-3). Auch das Wein-Wunder in Kana geschah im Stillen (Johannes 2,9-11). Jesus vollbringt hier nicht nur ein Wunder, sondern er tut es so, dass die Auswirkung mit seinen Absichten – Glauben zu stiften – im Einklang steht.
Jesus möchte, dass die Menschen ihren Glauben auf sein Wort gründen und nicht auf Wunder. Gott lässt manchmal Widrigkeiten in unser Leben kommen, damit wir unsere Hoffnung allein auf ihn setzen und unsere Bedürfnisse von ihm stillen lassen. Der Sohn des Beamten wurde krank, damit diese Familie Jesus sucht, ihm begegnet und sich auf seine Worte einlässt.
Das größte Wunder ist, in allen Lebenslagen auf Jesus zu vertrauen. Deshalb gehören auch schwierige Situationen zu unserem Leben. Stimmen wir doch mit ein in das Gebet, das Jesus für Petrus gebetet hat, wie es in Lukas 22,32 steht: „Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt.“ Das größte Wunder ist ein Glaube aufgrund der Worte von Jesus.
Gebet: Danke, Jesus, für diese Geschichte. Du wünschst dir, dass die Menschen aufgrund deiner Worte glauben und ihren Glauben nicht auf Wunder aufbauen. Das größte Wunder ist ein Glaube aufgrund deiner Zusagen. Hilf uns, dass wir dir in allen Lebenslagen vertrauen. Auch in Situationen, in denen es nicht so geht, wie wir uns das vorgestellt haben. Hilf uns, dass wir uns im Vertrauen auf dich auf den Weg machen. Manchmal erleben wir auch Schwierigkeiten, damit wir neu lernen, dir zu vertrauen. Danke, dass du den Menschen hilfst, die Hilfe bei dir suchen. Danke, dass du jetzt bei jedem von uns bist und weißt, was jeder von uns braucht. Hilf uns, dass unser Glaube nicht erlischt, sondern gestärkt wird. Danke, dass du uns immer wieder ein Wort mit auf den Weg gibst, an dem wir uns festhalten können. Wir bitten dich, segne uns und lass dein Angesicht leuchten über uns und schenke uns deinen göttlichen Frieden. Amen.