Ausgerechnet eine Freikirche bekennt sich zu dem Tabubruch. Wo einst in Mönchengladbach das Kreuz hing, bedecken nun die mannshohen Gemälde dreier Männer die Wand. Es sind alevitische Heilige – mit Bart, Turban und wallenden Gewändern.
Wo bislang zu Jesus gebetet wurde, werden fortan der Prophet Mohammed und sein Gefährte Ali verehrt. Bislang waren sich die deutschen Kirchen einig, aufgegebene Gotteshäuser dürften zwar in Museen oder Synagogen, nicht aber in islamische Gotteshäuser umgewandelt werden. Diese Linie vertraten in Deutschland, anders als etwa in Großbritannien, ausnahmslos alle: die evangelische und die katholische Großkirche ebenso wie kleine Freikirchen. Jetzt kündigt die evangelisch-methodistische Kirche und damit die erste Kirche der Republik diesen Konsens auf.
Aleviten respektieren den Propheten Mohammed und den Koran als göttliche Offenbarung. Ihnen gelten aber auch der Prophetengefährte und vierte Kalif Ali, Einheitsmystiker wie Mansur al-Halladsch oder türkische Volksdichter wie Yunus Emre als inspiriert. Und diese Lehrer späterer Jahrhunderte zielten alle auf eine Reform des Islam: hin zur Verinnerlichung, zum Ideal der Allverbundenheit, zu mehr Herzensgüte und weniger Gesetzesstrenge. Daher praktizieren Aleviten auch keine Geschlechtertrennung, verzichten auf Pflichtgebete, favorisieren individuelles Herzensgebet, lehnen Kopftuch und Pilgerfahrt nach Mekka als Äußerlichkeiten ab und achten andere Religionen als Wege zu Gott. Auch ihre Gotteshäuser nennen sie nicht Moschee, sondern Cem-Haus. Inzwischen ist unter Aleviten sogar umstritten, ob sie überhaupt noch als Muslime oder aber als selbstständige Religion zu begreifen seien.
In anderen Ländern, wie der Schweiz, wurden schon lange Gebäude von Freikirchen in muslimische Begegnungszentren.