Terror lässt sich nicht besänftigen, weil die Apokalypse ein Teil vom System ist. Mit dem Fall der Berliner Mauer rief Francis Fukuyama das «Ende der Geschichte» aus. Man glaubte die letzte totalitäre Ideologie des 20. Jahrhunderts sei dahingeschieden. Die Zukunft gehöre nun der Demokratie und Marktwirtschaft. Die alten Ideologien waren zwar erloschen, aber mit dem Islamismus erwachte eine neue mörderische Ideologie. Die Farbe von Braun und Rot hat zu Schwarz gewechselt. Ideologien glauben zu wissen, warum meine Klasse, mein Glauben oder mein Volk mächtiger, wichtiger und grösser sein soll als andere.
Fünf neue Herausforderungen zeichnen sich ab.
Erstens der Aufstieg Russlands. Putins Russland will Macht, Besitz und Expansion wie in früheren Zeiten. «Zurück in die Zukunft» nur ohne Kommunismus. Die Militärausgaben wachsen um jährlich zehn Prozent.
Auch China rüstet zweistellig auf und hat sich durch Kopieren einen festen Platz im Markt erobert.
Drittens kommen religiös oder ideologisch motivierte Konflikte auf. Staatliche sind aufgrund der Völkerdurchmischung out. Das lässt Schlimmes erahnen. Schlachten sich doch in Europa unterschiedliche christliche Auffassungen gegenseitig ab. Heute erleben wir aber eine Erneuerung des innermuslimischen Konflikts der Schiiten und Sunniten, die sich seit dem Tod von Mohammed gegenseitig mehr oder weniger bekämpfen und sich gegenseitig als Ungläubige deklarierten. Wo man Gott auf seiner Seite wähnt, bleibt kein Raum für Besänftigung oder Kompromiss. Die zur Verfügung stehenden Waffen haben heute eine neue apokalyptische Dimension erhalten.
Viertens das Erbe der gescheiterten Staaten. Es gibt Gegenden in denen keine Partei in der Lage ist, Ruhe und Sicherheit zu gewährleisten. In Nigeria, Afghanistan, Syrien, Libyen, Jemen und im Irak gibt es einen Krieg aller gegen alle. Bürgerkriege ziehen fremde Mächte an und setzen Millionen von Flüchtlingen in Bewegung. Die Völkerwanderung stärkt wiederum nationale oder religiöse Einheiten. Wenn der Staat nicht mehr für Ruhe und Sicherheit sorgt, verbünden sich Gleichgesinnte und dämonisieren andere. Die EU stolpert zurück in die Vor-Schengen-Zeit, der Nationalstaat meldet sich zurück.
Fünftens lässt sich der ideologische «Do it yourself»-Krieg schwer bekämpfen. Er braucht weder Armee noch Staat; er hat keine Absenderadresse und bietet kein Ziel. Anders als Staaten lassen sich Selbstmordattentäter nicht abschrecken, weil der eigene Untergang Teil von ihrem Plan ist. Zusätzlich verstecken IS, Hamas, Hizbullah sich und ihre Waffen in belebten urbanen Zentren, die der Westen aus ethischen Gründen nicht zu attackieren wagt. Damit schlagen die Dschihadisten den Westen mit den eigenen Mitteln. Nicht genug, sie verwenden modernste Technik. Mit hochprofessionell inszenierten Bildern sollen die Getreuen inspiriert und die Ungläubigen terrorisieren werden. Die Tat ist die Propaganda.
Gibt es eine Hoffnung am Horizont?
Es gibt kein Zurück in die Vergangenheit. Die russische Wirtschaft ist im freien Fall. Russland konnte zwar Grenzen verschieben, doch es gibt auch eine Flucht der intelligenten Köpfe. Viel Kapital und 250‘000 Russen haben 2014 ihre Heimat verlassen. Im Agrarzeitalter lohnten sich Eroberungen. Im digitalen Zeitalter bringt Landraub und internationale Konflikte Verarmung. Russland ist heute vom Preis von Öl und Gas abhängig steht aber auch in der Gefahr mit einem Befreiungschlag sich selbst zu zerstören.
Die zweite, zumindest halbwegs gute Nachricht betrifft den Terror. Er kann keine strategischen Siege erringen, also ein Land willen- und wehrlos machen. Wie die Reaktion der USA nach 9/11 und heute Frankreich und Israel beweisen, stärkt der Terror den nationalen Zusammenhalt und Verteidigungswillen.
Was als «Kampf der Kulturen» tobt, ist die «Kultur des Kampfes» im Islam selber. Was der Westen tun kann? Sich selbst ab-Grenzen und aggressiven Kreisen nicht mehr die moderne Infrastruktur zur Verfügung stellen. Wenn diese Menschen so leben wollen wir vor 1300 Jahren, sollen sie auch ohne Telefon, Internet und moderne Verkehrsmittel leben. Um Menschen aus der Abhängigkeit totalitärer Gruppen zu holen, sollte man die Menschen mit dem Lebensnotwenigen statt mit Waffen versorgen. Lebensmittel sind günstiger als Krieg und Waffen und fördern die Agrarwirtschaft. Wenn man die europäischen Religionskriege zum Maßstab nimmt, könnte das Feuer aber noch lange lodern.
Das Fundament der modernen Gesellschaft ist ein Rechtsstaat, der Ordnung und Sicherheit gewährt, ohne konstruktive Ideen und Initiativen zu ersticken. Wir sollten unsere Engergie darauf ausrichten, wie alle ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften können und Freude am Leben gefördert werden kann. Die Frage müsste also sein, wie in unseren Beiträgen und Gedankenwelt konstruktive Gedanken multipliziert werden können.
Text: Hanspeter Obrist
(vergleiche auch Artikel NZZ)