Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern

Was kommt aus einer Orange, wenn sie ausgepresst wird? Wenn eine Orange unter Druck kommt, dann entsteht Orangensaft. Unter Druck kommt heraus, was drin ist. Es gibt eine Möglichkeit, uns selber kennen zu lernen und zu merken, wie wir im Innersten sind. Wir müssen nur auf jene Situationen achten, in denen wir unter Druck geraten. Unter Druck lernen wir uns selbst kennen. Da kommt unser innerstes Wesen zum Vorschein. Doch leider kommt da nicht der Mensch meiner Vorstellung zum Vorschein, sondern ich entdecke vieles, das recht bitter ist. Mir scheint, dass wir eher einer Pille gleichen, als einer Orange. Wer schon einmal ein Medikament gelutscht hat weiß, dass bei einigen Medikamenten nach dem äußeren Zuckerguss eine übel schmeckende Masse zum Vorschein kommt. Wenn bei uns der äußere Schein abbröckelt, dann kommt der wahre Kern von uns zum Vorschein. Jesus weiß, wie es in uns aussieht. Darum lehrt er uns beten: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern.

Schuld
Was ist jedoch Schuld? Schuld heißt, jemandem etwas verweigern, wozu er das Recht hätte. Schulden haben wir zum Beispiel, wenn wir die Rechnungen nicht bezahlen. Schuldig werden wir gegenüber Menschen, wenn wir sie als Personen nicht achten oder sie verletzen. Schuldig werden wir gegenüber Gott, wenn wir ihm gegenüber gleichgültig sind oder ihm nicht vertrauen wollen. Gott hat uns mit viel Liebe und Kreativität erschaffen. All seine Gebote sollen uns helfen, ein erfülltes Leben zu haben. Es ist daher verständlich, dass es ihn trifft und verletzt, wenn wir ihm gegenüber gleichgültig sind. Paulus formuliert das so: Gottes Kraft und Göttlichkeit können alle Menschen durch die Erschaffung der Welt wahrnehmen. Doch sie wollten Gott nicht erkennen und ihn nicht verherrlichen. Sie haben ihm auch keinen Dank entgegengebracht (Römer 1,20-21).

Schuld heißt: Wir nehmen Gott nicht ernst und vertrauen ihm nicht.

Jesus lehrt seine Jünger beten: Vergib uns unsere Schuld. Jesus geht also davon aus, dass seine Jünger immer wieder Gott gegenüber schuldig werden. Es gehört zu unserem Mensch sein, dass wir nicht vollkommen sind. Je länger ich mit Gott lebe, desto mehr merke ich, wie ich als Mensch durch und durch unfähig bin, so zu leben, wie Gott sich es bei meiner Erschaffung vorgestellt hatte.

Gott wollte, dass ich mich frei entfalten kann. Deshalb gab er mir seine Anweisungen mit auf den Weg, die mich vor vielem bewahren sollen. So sagte Gott: Du sollst wahr sein. Wie viel Not ist schon entstanden, weil wir ein wenig gemogelt haben. Aus der ersten Lüge folgte die zweite. Mit einer dritten mussten wir den Sachverhalt wiederum decken und so weiter. Vielleicht hat es ganz harmlos angefangen. Wir haben nur etwas verschwiegen, was eigentlich hätte gesagt werden müssen.

Wir Menschen neigen dazu, immer wieder an Gott und aneinander schuldig zu werden. Wie die Zentrifugalkraft nach außen drückt, so stehen wir in einem Kraftfeld, das uns immer wieder von Gott wegziehen möchte. Je näher wir in der Mitte bleiben, desto weniger Kraft wirkt auf uns ein. So ist es auch bei Gott. Wir sollten deshalb immer wieder so schnell wie möglich zu ihm zurückkommen.

Vergib uns
Oft nehmen wir die Sünde und Schuld nicht so ernst. Nur eine kleine Verdrehung der Wahrheit. Das kann man doch noch unter den Teppich kehren. Wegen dem läuft Gott doch nicht gleich weg. Morgen ist auch noch Zeit genug die Sache in Ordnung zu bringen, wenn es mich dann noch bedrückt.

Doch Gott kann mit uns nur Gemeinschaft haben, wenn wir die Dinge nicht anstehen lassen. Jesus fordert uns auf, um Vergebung zu beten. Dieses Wort „vergib“ kann man auch anders übersetzen mit loslassen, erlassen, wegwerfen. Die Form, die hier im griechischen Urtext gebraucht wird, deutet an, dass diese Schulden sich in der Vergangenheit aufgehäuft haben, und jetzt ist der Punkt, wo ich mich bewusst davon lösen lassen will. Die Menge der Vergehen ist dabei nicht maßgebend, sondern vielmehr die ganze Macht, die auf unser Leben einwirken möchte und sich in den einzelnen Taten zeigt. Dieser Kraft, die uns wegtreiben will von Gott, setzen wir uns bewusst entgegen, indem wir um Vergebung der Schuld bitten. Paulus forderte die Epheser auf: Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen, und gebt dem Teufel keine Chance, einen Bereich von Eurem Leben zu beeinflussen (Epheser 4,26-27).

Weil Gott uns erschuf, hat er auch das Recht, von unserem Leben Rechenschaft zu fordern. In der Bibel wird dafür oft das Bild eines Richters gebraucht, vor dem wir uns zu verantworten haben. Die Bibel lehrt uns, dass wir Mitverantwortung tragen für unser Leben. In Hesekiel 18 sagt Gott, dass sich jeder für sein eigenes Leben vor Gott zu verantworten hat.

Wenn man Gerichtsprozesse beobachtet, dann hält manchmal der Angeklagte bis zum Ende an seiner Unschuld fest. Auch wenn alle Fakten dagegen sprechen und seine Schuld bewiesen ist. Viele Menschen verhalten sich Gott gegenüber genauso. Sie sagen oder denken: „Nein Gott, ich kann wirklich nichts dafür. Die anderen sind schuld.“ Das Adamssyndrom steckt tief in uns Menschen: Adam gab die Schuld der Eva. Ebenso geben wir die Schuld oft auch weiter.

Ein Mensch, der um Vergebung bittet, sieht ein: Ich bin mitschuldig. Ich bin daran mitbeteiligt, wie es herausgekommen ist. Ich habe mich nicht dagegen gewehrt. Darum beten wir zu Gott: „Vergib uns unsere Schuld. Wirf sie weg. Ich möchte nie mehr etwas damit zu tun haben.“ Diese Haltung bewahrt uns davor, leichtfertig mit der Sünde umzugehen. Zur Schuld zu stehen ist eine demütigende, aber heilsame Erfahrung.

Wie wir vergeben
Wie auch wir denen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind.
Für Jesus ist es ganz selbstverständlich, dass andere Menschen an uns schuldig werden. Es wird immer wieder Menschen geben, die uns verletzen. Besonders schwierig ist, wenn es durch Menschen geschieht, von denen wir es nicht erwarten würden. Wie ist es, wenn ein Christ uns auf einmal verletzt? Wie gehst Du damit um? Innerlich beginnst Du vielleicht zu kochen. Das darf doch nicht wahr sein! Und der will ein Christ sein?

Zuerst fällt mir auf, dass ich nur vergeben kann, wenn ich auch wahrnehme, dass ich verletzt worden bin. Wir sollten nicht leichtfertig darüber hinweggehen und es verdrängen. Wir sollen dazu stehen: „Ja, mich macht das fertig. Ich rege mich auf. So nicht!“ Wir dürfen diese Dinge nicht ignorieren, als sei nichts geschehen. Solche Sätze wie: „Es ist schon gut. Das war ja nicht so schlimm. Macht nichts“ zeigen an, dass wir Sachen verniedlichen und verdrängen, anstatt sie wahrzunehmen. Manchmal habe ich Angst, dass wir Christen Weltmeister im Verdrängen sind.

Wir sollten aber vergeben, nicht verdrängen oder verniedlichen.
Jesus sagt nicht, warte bis die Menschen kommen und vergib ihnen dann. Nein, Gott geht mit uns so um, wie wir mit den Menschen umgehen, die an uns schuldig geworden sind. Das ist eine gewaltige Herausforderung an uns. Wir sollen anderen vergeben, auch wenn sie ihre Schuld noch nicht einsehen, weil auch wir möchten, dass Gott uns alle Schulden vergibt. Wer dieses Prinzip lernt, der erfährt echte Befreiung.

Wir vergeben, nicht um des anderen Willen, sondern um meinetwillen. Indem wir vergeben, übergeben wir die Rache und Wiedergutmachung Gott (Römer 12,19 / Offenbarung 7,17). Gott vergisst nicht einfach, sondern in Jesus tilgt er die Schuld (Kolosser 2,14). Dieser Gedanke liegt in allen Opfern und im Kreuzestod von Jesus zugrunde (Römer 3,25), der überflüssig wäre, wenn Gott einfach vergessen würde. Vergeben befreit mich. Versöhnung ist ein zweiter Schritt, wenn beide Seiten vergeben haben. Da Gott dies schon getan hat, können wir uns jederzeit mit Gott versöhnen.

Nicht vergeben wollen ist wie Sand im Getriebe. Je länger dieser drin ist, desto mehr macht er kaputt. Wo nicht mehr aufgerechnet wird, beginnt ein neues Denken, ein neues Leben. Der Mensch gesundet an Leib und Seele. Es entsteht ein ganz anderer Zugang zu den Mitmenschen. Eine Beziehung, wie wir sie auch von Gott wünschen.

Es gibt Menschen, die behaupten, vergeben heißt vergessen. Vielleicht hast Du das auch schon ausprobiert und Du erinnerst Dich dennoch an diese Begebenheiten. Vergeben muss nicht vergessen heißen! Doch, obwohl ich nicht vergessen kann, was man mir angetan hat, so braucht mich das nicht mehr zu kränken und zu verletzen, weil ich von Herzen vergeben habe.

Eine zweite fragwürdige Behauptung ist der Satz „Ich kann nicht vergeben.“ Mit Gottes Hilfe können wir vergeben. Paulus fordert die Epheser dazu auf: „Seid aber zueinander gütig, mitleidig, und vergebt einander, so wie Gott in Christus euch vergeben hat“ (Eph 4,32). Die Frage ist vielmehr: Will ich vergeben? Will ich es immer wieder neu versuchen?

Dinge in Ordnung zu bringen, wirbelt Staub auf. Doch wenn wir nur friedlich und höflich sind, wird es bald friedhöflich. Ein herzlicher Umgang kann nur durch gelebte Versöhnung zustande kommen. Wenn wir einander nicht vergeben, werden wir förmlich und steif.

Wenn wir jemanden offensichtlich verletzt haben, dann ist es richtig, zur betreffenden Person hinzugehen und offen um Verzeihung zu bitten. Am besten sind da die Worte: „Es tut mir leid, was ich damals zu Dir gesagt habe. Vergibst du mir?“ So kann der andere bestätigen „Ja ich vergebe dir.“ Es ist wichtig, dass wir Vergebung auch wirklich aussprechen und nicht einfach sagen: „Macht schon nichts.“ Sonst könnte in uns der Gedanke aufsteigen: „Das nächste Mal muss ich gar nicht um Verzeihung bitten, denn es macht ihm ja nichts aus.“

Manchmal gibt es auch Dinge, die nur vor Gott bereinigt werden müssen. Ich meine damit die Situation, in denen keine Mitmenschen betroffen sind. Dennoch kann es sehr hilfreich sein, mit einer unbeteiligten Person darüber zu beten.

Dort wo ich selbst ein Opfer bin, ist es gut, mit der Hilfe von Gott die Vergebung vor ihm auszusprechen: „Ja Gott, mit deiner Hilfe möchte ich X vergeben. Danke, dass auch du mir vergibst, wo ich Schulden auf mich geladen habe. Ich möchte nichts von Menschen erwarten, was letztlich nur du mir geben kannst. Amen.“ Es ist wichtig, dass ich als Opfer mich vor Gott ausspreche und von ihm Trost und Kraft erhalte, alles zu verarbeiten. Wenn uns die Sache nicht mehr von neuem aus der Fassung bringen kann, könnte es vielleicht auch hilfreich sein, mit dem Menschen zu reden, der uns verletzt hat. Wichtig ist, dass wir zuerst den Weg zum Kreuz beschreiten und uns nicht rächen, indem wir schlecht über diesen Menschen reden.

Wenn Jesus noch etwas zu dieser Bitte sagen müsste, würde er wahrscheinlich wieder folgende Geschichte erzählen: Mit dem Königreich von Gott ist es wie mit einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. Zu ihm wurde ein Mann gebracht, der ihm eine unbezahlbare Summe schuldete. Da er nichts zurückzahlen konnte, befahl der König, dass ihm alles genommen werden sollte. Der Mann fiel auf die Knie und bat den König um Gnade. Er versprach, sich dafür einzusetzen, alles wieder zurückzubezahlen. Der Herr wurde innerlich bewegt und erließ ihm seine Schulden. Der Mann ging erfreut hinaus und traf vor dem Palast einen Mann, der ihm einen kleinen Betrag schuldete. Er machte ihn darauf aufmerksam. Dieser fiel auf die Knie und bat um Erbarmen. Der von allen Schulden befreite Mann hatte aber kein Gehör und ließ ihn in das Gefängnis werfen. Als das der König hörte, zitierte er den unbarmherzigen Mann zu sich und sagte: Alles habe ich dir erlassen, weil du mich darum gebeten hast. Solltest du dich deshalb nicht auch über deinen Mitmenschen erbarmen? Und er warf den unbarmherzigen Menschen ins Gefängnis. Jesus sagte zu dieser Geschichte: So wird es auch mein himmlischer Vater mit euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt (Mt 18,23-35).

Text: Hanspeter Obrist

Vergleiche: Schritte der Versöhnung

“Unser Vater” – Jesus lehrt uns beten
Vater unser im Himmel  Weiterlesen
Geheiligt werde dein Name  Weiterlesen
Dein Reich komme   Weiterlesen
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden  Weiterlesen ….
Unser tägliches Brot gib uns heute  Weiterlesen …
Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern  Weiterlesen ….
Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen  Weiterlesen ….
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen Weiterlesen …

Wer vergibt, der tut sich selbst etwas Gutes

Ver-geben heißt die Rechtfertigung und Wiedergutmachung Gott zu übergeben.

Jesus sagt Wer vergibt, der tut sich selbst etwas Gutes weiterlesen

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert