29.12.22
Es gibt eine neue Regierung in Israel! Sie wurde am Donnerstag, 29.12.22, bei einer Vertrauensabstimmung mit 63 Stimmen angenommen und mit 54 abgelehnt. Amir Ochana von Netanyahus rechtskonservativer Likud-Partei wurde zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt.
Begleitet von wütenden Zwischenrufen der Opposition stellte Netanyahu im Plenum die wichtigsten Ziele für die kommenden vier Jahre vor. Man werde alles tun, »damit der Iran uns nicht mit einer Atombombe zerstört«. Seine Regierung werde sich außerdem für Annäherungsabkommen mit weiteren arabischen Staaten einsetzen.
Netanyahu hat gesagt, er strebe einen Durchbruch beim Aufbau diplomatischer Beziehungen zu Saudi-Arabien an, wie er es 2020 mit anderen Golfstaaten tat, die Israels Besorgnis über den Iran teilen.
Die Koalition will tiefgreifende politische Veränderungen durchsetzen und das Justizsystem gezielt umbauen.
Mehrere umstrittene Politiker erhalten Ministerposten. Für den Vorsitzenden der streng religiösen Schas-Partei, Arie Deri, wurde eigens ein Gesetz geändert, damit er trotz einer Verurteilung wegen Steuervergehen Innenminister werden kann. Bezalel Smotritsch von der rechtsextremen Religiös-Zionistischen Partei soll neben dem Amt des Finanzministers auch einen Posten im Verteidigungsministerium erhalten.
Smotritsch gilt als glühender Verfechter des Siedlungsausbaus im besetzten Westjordanland. Künftig soll er auch Einfluss auf die Verwaltung des Westjordanlandes und das Leben der Palästinenser erhalten. Smotritsch strebt die Legalisierung weiterer israelischer Siedlungen an.
In den am Mittwoch veröffentlichten Leitlinien der Regierung ist festgelegt, dass die Koalition den Siedlungsausbau auch in Gebieten vorantreiben will, die die Palästinenser für einen künftigen Staat beanspruchen. „Das jüdische Volk hat ein alleiniges und unumstößliches Recht auf alle Teile des Landes Israel“, heißt es dort. „Die Regierung wird die Besiedlung aller Teile Israels voranbringen und entwickeln – in Galiläa, in der Negev-Wüste, auf den Golanhöhen und in Judäa und Samaria (Westjordanland).“
Innenminister, unbenannt nun in „Minister für Nationale Sicherheit“, wird Itamar Ben-Gvir, der in der Vergangenheit wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation verurteilt worden war. Neben der Polizei soll er nach einer Gesetzesänderung auch für die Grenzpolizei im Westjordanland zuständig sein.
In dem Koalitionsabkommen zwischen Netanyahus Likud und dem Vereinigten Thorajudentum findet sich ein Passus, der in Israel für Entsetzen sorgt. Demnach sollen Dienstleister einen Kunden nicht bedienen müssen, wenn es gegen ihre «religiösen Gefühle» gehe und «in der Nähe jemand anderes denselben Dienst leisten kann». Ein religiöser Hotelbesitzer müsse die Freiheit haben, LGBTQ-Gäste ablehnen zu dürfen. Im Klartext kann das aber auch noch weiter ausgelegt werden: Keine Dienstleistungen für Araber, Linke oder Frauen in Hosen, der Möglichkeiten sind da viele. Insider erklärten gegenüber israelischen Medien, dass ein solches Gesetz niemals durchkommen werde. Der zivile Widerstand gegen diese Pläne beginnt sich gerade erst zu formieren und dürfte noch wachsen.