2012 folgte Putin in einer Rede den Gedanken Iwan Iljins und kündigte an: „Eurasien“ werde die Europäische Union „überwinden“ und deren Mitglieder in ein größeres Gebilde integrieren, das „von Lissabon bis Wladiwostok“ reiche.
Der frühere russische Staatschef Dmitri Medwedew stimmt sein Land auf einen längeren Kampf gegen die Ukraine ein. Präsident Wladimir Putin habe als Ziel die „Demilitarisierung und Entnazifizierung“ der Ukraine ausgegeben, schrieb Medwedew am Dienstag 5.4.22 auf seinem Telegram-Kanal. „Diese schwierigen Aufgaben sind nicht auf die Schnelle zu erfüllen.“ Noch schärfer als Putin in seinen öffentlichen Äußerungen setzte Medwedew die Ukraine mit dem nationalsozialistischen Dritten Reich gleich. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Ukraine das gleiche Schicksal erleiden würde wie das Dritte Reich, schrieb er: „Das ist der Weg für so eine Ukraine.“ Aber der Zusammenbruch könne den Weg für „ein offenes Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok“ öffnen.
Der russische Philosoph Iwan Iljin (1883–1954) glaubt nie an das Gute im Menschen. Der Individualismus ist für ihn satanisch. Russlands Aufgabe sieht er in einer göttlichen Totalität, sein historischer Auftrag wäre es demnach, die verpfuschte Schöpfungsgeschichte zu retten. Im Faschismus erkennt er „ein rettendes Übermaß an patriotischer Willkür“. Die Rede ist von einem antidemokratischen Staat, einer „erzieherischen und wiedergebärenden Diktatur„.
Im Essay „Was der Welt die Zerstückelung Russlands verspricht“ behauptet Iljin, der imperialistische Westen werde das falsche Versprechen von Freiheit nutzen, um Russland Länder wegzunehmen: das Baltikum, den Kaukasus, Zentralasien und vor allem „die ›Ukraine‹„. Der Westen wolle eine Balkanisierung Russlands, um das Reich zu zerstören. Von diesem Text ist auch Wladimir Putin fasziniert. Seit 2005 taucht Iljin wiederholt in wichtigen Reden auf.
2014, zur Vorbereitung der Annexion der Krim, ließ Putin allen höheren Beamten und Regionalgouverneuren ein Exemplar von Unsere Aufgaben zukommen, dem zentralen Sammelband mit Iljins Aufsätzen. Putin riet seinen Kadern, sie sollten Lenin weglegen und ab jetzt Iljin studieren.
Wahlen sollten ein Ritual der Unterwerfung der Russen unter ihren Führer sein. Weil die legitime, wirkliche Macht, so die Überzeugung von Iljin, „von ganz allein zum starken Mann“ komme. mehr Informationen
In den achtziger Jahren erhielt Iljin seinen entscheidenden Leser und Schüler: den im DDR-Dresden stationierten sowjetischen Geheimdienstler Wladimir Putin. Zu seinen Aufgaben gehörte die Sichtung der russischen Exilliteratur in deutscher Sprache. KGB-Oberstleutnant Putin bgeisterte sich für Iljins Vision von einem wieder grossmächtigen, durch einen erleuchteten Führer geleitetes Russland. Dieses Konzept hat er gleich 1990 bei seiner Rückkehr nach Petersburg mitgebracht, es von Anfang an zielstrebig Schritt um Schritt verwirklicht. Mitten im Weltkrieg 1944 erschien das programmatische Werk für ein nachkommunistisches Russland: «Wesen und Eigenart der russischen Kultur», verlegt in Affoltern am Albis.
Wladislaw Inosemzew ist russischer Ökonom und Soziologe. Er schreibt in einem Artikel der NZZ vom 10. März 2022: «Der Faschismus ist das, was folgt, nachdem sich der Kommunismus als Illusion erwiesen hat.»
Putin bezeichnete den Zusammenbruch der Sowjetunion einst als „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“.
Im Jahr 2004 formulierte der US-amerikanische Politikwissenschaftler Matthew Lyons folgende Faschismusdefinition: Wiedergeburt einer Ideologie weiterlesen →