Schlagwort-Archive: Russland

Die Russen erwarten die Fortsetzung des Krieges

Tatjana Stanowaja auf N-TV.de. Sie ist Politikwissenschaftlerin und Gründerin des Analysezentrums R.Politik. In seinen Newslettern informiert Analysezentrum westliche Institute und Nichtregierungsorganisationen in englischer Sprache über die Entwicklungen in russischer Politik und Gesellschaft.

Wir sehen, dass die Gesellschaft zum großen Teil hinter Putin steht und den Krieg unterstützt. Es ist aber wichtig, die Haltung zu Putin persönlich und zu seinen geopolitischen Entscheidungen zu unterscheiden. Denn oft stößt man auf eine Mischung aus einer negativen Haltung gegenüber Putin persönlich und gleichzeitig Verständnis und Unterstützung für seine geopolitischen Entscheidungen.

Das ist damit verbunden, dass der Staat die einzige Institution ist, die als Beschützer angesichts einer wachsenden Bedrohung durch die Außenwelt wahrgenommen wird. Ja, die Bevölkerung glaubt den Narrativen der Regierung, wonach die USA und die NATO seit Jahrzehnten aktiv daran arbeiten, Russland zu schwächen und zu zersetzen. Eine Gesellschaft, die keine entwickelten zivilen und politischen Institutionen hat, sieht in dieser Situation einfach keinen besseren Verteidiger als die Regierung. Aber gleichzeitig kann eine solche Unterstützung durchaus mit einer sehr kritischen Haltung gegenüber Putin und seiner Umgebung koexistieren. Die Russen erwarten die Fortsetzung des Krieges weiterlesen

Ukraine – über hundert Jahre ringen um Eigenständigkeit

Vor hundert Jahren wurde die Sowjetunion gegründet. Was die herrschenden Kommunisten als völkerverbindende Union anpriesen, war in Wirklichkeit eine brutale Zwangsehe – gerade für die Ukraine.

Es bedeutete zugleich das Scheitern des ersten ukrainischen Nationalstaates, der Ukrainischen Volksrepublik, die nur von 1918 bis 1920 Bestand hatte. In der Sowjetzeit wurde dieser Staat totgeschwiegen, aber für die heutige Ukraine ist er ein wichtiger Bezugspunkt. So verwendet Kiew dieselbe Symbolik – die blau-gelbe Flagge und den Dreizack – wie jene kurzlebige Republik. Ukraine – über hundert Jahre ringen um Eigenständigkeit weiterlesen

Sieg der Ukraine hilft Russland längerfristig

Der Historiker Timothy Snyder auf t-online: Russland muss diesen Krieg zu seinem eigenen Besten verlieren. Denn sonst könnte sich das Land niemals von seinem imperialen Wahn verabschieden. Wenn Putin seine Position im Kreml gefährdet sieht – genau dann wird der Krieg enden. Falls Putin die Bedrohung rechtzeitig erkennt. Viel hängt davon ab, ob er dazu noch das nötige Maß an politischer Sensibilität besitzt.

Im Umkehrschluss tun die Ukrainer genau das Richtige, indem sie weiterkämpfen und Territorium für Territorium zurückerobern. Denn das ist das Einzige, was Putin unter Druck setzt: dass die Niederlagen in der Ukraine ihm ein Gefühl der Gefährdung seiner Machtposition in Russland vermitteln. Für ihn ist es schlimm, in der Ukraine zu verlieren. Aber es ist noch weit schlimmer, in Russland zu verlieren. Sieg der Ukraine hilft Russland längerfristig weiterlesen

Veränderung muss von innen kommen

In der Ukraine löste die Befreiung von Cherson große Begeisterung aus. Doch wie wurde dies in Moskau aufgenommen? Nach der russischen Verfassung, gehört das Gebiet angeblich zu Russland, auch die Staatspropaganda hat die Annexion als Sieg in der sogenannten „militärischen Spezialoperation“ gefeiert. Nun steht das Gebiet aber nicht mehr unter russischer Kontrolle – wie reagiert also die russische Gesellschaft auf diese Widersprüche?
Veränderung muss von innen kommen weiterlesen

Provoziert Putin den Untergang Russlands?

Sind Putin und seine engsten Gefolgsleute tatsächlich bereit, als Erste Kernwaffen einzusetzen?, fragt Reinhard Wolf, Professor für internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt Weltordnungsfragen an der Goethe-Universität, in der NZZ.

Dafür spricht wenig. Der Einsatz taktischer Kernwaffen in der Ukraine würde Russlands Militär allenfalls dann spürbar helfen, wenn eine grössere Zahl von Zielen angegriffen würde. Dies würde aber die Operationen nachfolgender Besatzungstruppen behindern, die ukrainische Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit noch stärker gegen Russland aufbringen und vor allem auch die Gefahr heraufbeschwören, dass die Nato zumindest konventionell eingreift.

«Make Russia great again» ist bis heute Putins unausgesprochener Leitsatz. Weite Teile der Bevölkerung messen die Grösse Russlands genau wie Putin daran, ob ihr Land international gehört und gefürchtet wird. Wie Putin bis heute immer wieder betont, ist Russland Provoziert Putin den Untergang Russlands? weiterlesen

Michail Gorbatschow

In Europa und den USA gilt Michail Gorbatschow als Symbol der Freiheit, in Russland sehen ihn viele als Totengräber der Sowjetunion. Eines aber bleibt Michael Gorbatschow hier wie dort: ein großer Reformer. Gorbatschow ist Sohn eines russischen Vaters und einer ukrainischen Mutter. Auch seine Frau Raissa war Ukrainerin. Er nannte sie oft liebevoll „meine Ukrainerin“. Erst vor wenigen Monaten schrieb Michail Gorbatschow einen Artikel für die Zeitung „Russia Global Affairs“, in dem er schreibt: „Keine Herausforderung oder Bedrohung, der die Menschheit im 21. Jahrhundert gegenübersteht, kann militärisch gelöst werden. Kein großes Problem kann von einem Land oder einer Gruppe von Ländern im Alleingang gelöst werden.“ 2018 sagte er: „Ein Atomkrieg wäre der letzte Krieg der Menschheit, weil es danach keine Menschen mehr gäbe, die noch einen Krieg führen könnten.“ Diese Mahnung ist sein eigentliches Vermächtnis. Michail Gorbatschow war der Überzeugung: Sieger ist nicht, wer Schlachten in einem Krieg gewinnt, sondern wer Frieden stiftet. mehr Informationen

Der Friedensnobelpreisträger war Chefredakteur der kremlkritischen Zeitung «Nowaja Gaseta». Gorbatschow war Miteigentümer des Blattes, das immer wieder Missstände in Russland aufdeckte.

Michail Gorbatschow weiterlesen

Daria Dugina

Der Autobomben-Anschlag auf Daria Dugina (†29) schlägt in Russland hohe Wellen. Dazu trägt auch bei, dass die Explosion sich unweit des Viertels Rubljowka ereignete, wo Moskaus Reiche und Mächtige wohnen. Russische Oligarchen fürchten nun, sie könnten die nächsten sein. «Die Rubljowka zittert», schreibt darum Sergej Markow, ein kremlnaher Politologe auf Telegram. Der Anschlag auf Dugina käme für die Oligarchen einer Mahnung gleich: «Du könntest der Nächste sein

Es gibt aber auch Stimmen, gemäss denen der FSB selbst hinter dem Attentat steckt. Putins Geheimdienst hat immer wieder ganz bizarre Theorien erfunden. Der FSB war innerhalb von Stunden „fähig“ eine Täterin mit einem Kind zu lokalisieren, war aber nicht in der Lage vor dem Anschlag zu schützen. Ebenso wurde ihre Beerdigung im Fernseher insziniert, obwohl sie wenig bekannt war.  Auch wurden nach dem Bekanntwerden des Attentats unter russischen Kriegspropagandisten viele Stimmen laut, die härtere Angriffe auf die Ukraine forderten. So schrieb etwa RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan auf Telegram, dass Russland jetzt auf die «Entscheidungszentren» zielen müsse. «Eine Intensivierung der Angriffe könnte man jetzt als Vergeltungsschlag rechtfertigen», meint auch Ulrich Schmid. Dies scheint auch die Ukraine zu befürchten. Daria Dugina weiterlesen

Russland prahlt mit einem US-Flugzeugträger

Auf einem russischen Plakat, welches die Marine loben soll, befindet sich laut Tweets und Sharepics in Wirklichkeit ein US-Flugzeugträger. Tatsächlich hing dieses Plakat kurzzeitig im Stadtzentrum von Tjumen. Laut diversen Tweets und Sharepics habe Russland zwar die „mächtigste Marine der Welt“, aber anscheinend kein wirkliches Foto davon, denn tatsächlich ist auf einem Plakat nicht etwa ein russisches Kriegsschiff zu sehen, sondern der US-Flugzeugträger „USS George H. W. Bush“Russland prahlt mit einem US-Flugzeugträger weiterlesen

Unmut wegen russischer Armee

Wie es russischen Soldaten ergeht, die im Ukraine-Krieg kämpfen, ist in Zeiten einer massiven Zensur nur schwer zu beurteilen. Journalisten der Investigativplattformen „The Insider“ und Bellingcat haben nun allerdings Zugang zu einem Archiv mit Beschwerden zum Ukraine-Krieg erhalten. Die Schreiben wurden von russischen Soldaten, ihren Angehörigen und Zivilisten aus Kriegsgebieten bei der russischen Militärstaatsanwaltschaft eingereicht und zeigen eine von Wut und Verzweiflung geprägte Stimmung.

In den Beschwerden wird das russische Verteidigungsministerium unter anderem beschuldigt, wehrpflichtige Soldaten zu täuschen und zum Kampf zu zwingen. Außerdem sollen die Truppen nicht die notwendigen Lebensmittel und medizinische Behandlung erhalten. Familienangehörigen werden Informationen über gefangene oder getötete Soldaten vorenthalten. Unmut wegen russischer Armee weiterlesen

Belgorod geschaffen für den Weltuntergang

3.10.22 Wie italienische Medien berichten, soll das russische Atom-U-Boot «K-329 Belgorod» aus dem Stützpunkt am Polarkreis verschwunden sein. Im Karischen Meer sollen Abschuss-Tests der Poseidon-Drohnen durchgeführt werden. Das Atom-U-Boot kann bis zu sechs solcher Poseidon-Torpedos laden. Diese sollen im Wasser große Entfernungen zurücklegen und bei der Detonation einen so etwas wie einen nuklearen Tsunami auslösen können.

22.7.22 Die „Belgorod“ wurde an die Marine übergeben. Sie soll im Pazifik eingesetzt werden. Ihre Poseidon-Torpedos können eine riesige radioaktiv verseuchte Tsunami-Welle erzeugen. Wenn Moderatoren im russischen Staats-TV witzeln, dass Putin die englische Insel im Meer versenken lassen könnte, spielen sie auf ein U-Boot an: Die „Belgorod“.

Es handelt sich um eine Drittschlagwaffe, die nach einem atomaren Schlagabtausch eingesetzt wird. Selbst wenn die Großstädte Russlands im atomaren Feuer verglüht sind, wäre die „Belgorod“ noch einsatzfähig und würde ihre Torpedos starten.

Eine riesige radioaktiv verseuchte Welle würde die Küstenregionen bis tief ins Hinterland überfluten. Putin sagte einst, was brauche es noch die Welt, wenn es Russland nicht mehr gäbe. Und das war kein Witz. Belgorod geschaffen für den Weltuntergang weiterlesen

Gibt es für Putins Krieg eine historische Analogie?

Es gibt auffällige Parallelen mit den postjugoslawischen Kriegen, auf die die Historikerin Marie-Janine Calic hingewiesen hat. Hier wie dort wandelt sich ein zerfallender postkommunistischer Staat nach innen zu einer nationalistischen Autokratie und nach außen zum Aggressor, sagt Historiker Ulrich Herbert.

Milosevic hat einen Bürgerkrieg entfesselt, der etwa 150.000 Opfer gefordert hat. Er hat die großserbische Doktrin verfolgt: wo Serben leben, ist Serbien, mit dem Ziel, große Teile der selbstständig gewordenen Nachbarstaaten zu annektieren. Das ist übertragen auch eine Rechtfertigung für den Angriffskrieg auf die Ukraine. Gibt es für Putins Krieg eine historische Analogie? weiterlesen

Eine Kultur der Angst

Nach über hundert Tagen Krieg stumpft die Fähigkeit ab, entsetzt und schockiert zu sein.

Die Gewaltverbrechen der russischen Armee in der Ukraine sind der Spiegel einer Kultur, die das Land bis heute nicht aus den Klauen gelassen hat. Sie wurzelt tief im Innern der russischen Gesellschaft. Nun dringt nach aussen, was zu Hause immer schon der Fall war, meint Sergei Medwedew. Seine These, diese sich massenhaft entladende brutale Gewalt entspricht der strukturellen Gewalt, die russische Machtapparate seit historischen Zeiten praktizieren.

Sergei Medwedew, geboren 1966, ist ein russischer Politikwissenschafter, Historiker und Journalist. Er war Professor an der Higher School of Economics in Moskau.

Eine Kultur der Angst weiterlesen

Russland als Brücke

Beim Wirtschaftsforum, 17.6.22,  in St. Petersburg hat Kreml-Chef Putin die wirtschaftliche Unabhängkeit Russlands gelobt. Dass der Angriff gegen die Ukraine die Ursache für Sanktionen ist, wies er zurück.

Russland sei bereit für globale Veränderungen – als vereinigendes Territorium zwischen Europa und dem Osten. Als Brücke für den Dialog der Kulturen und der Wirtschaften der Welt. Eine Welt ohne Kriege und Konflikte sei möglich – wenn man es wirklich wolle, hiess es im Eröffnungstrailer des Weltwirtschaftsforums St. Petersburg. Russland als Brücke weiterlesen

Die Rückhol-Aktion Russlands

Wladimir Putin hat am Donnerstag, 9.6.22, den von ihm befohlenen Krieg gegen die Ukraine auf eine Ebene mit dem Großen Nordischen Krieg unter Russlands Zar Peter I. gestellt und von einer Rückholaktion russischer Erde gesprochen.

Peter I. habe das Gebiet um die heutige Millionenstadt St. Petersburg nicht von den Schweden erobert, sondern zurückgewonnen. Gleiches gelte in ähnlicher Weise auch für Narva (Stadt in Estland), das direkt an der Grenze zur Russland liegt. „Offenbar ist es auch unser Los: Zurückzuholen und zu stärken“, zog Putin laut der Nachrichtenagentur Interfax am Donnerstag Parallelen zum Krieg gegen die Ukraine. Am 9. Juni ist der 350. Geburtstag von Peter dem Großen, der sich als erster russischer Zar den Titel Imperator gab und mit Eroberungen im Norden Russland einen Zugang zur Ostsee sicherte – als so genanntes „Fenster nach Europa“.

Wladimir Putin redet ganz offen über seine Ziele. Er fordert einen russischen Herrschaftsbereich, wie ihn das Zarenreich hatte. Das schließt die Baltischen Staaten, Finnland und den Großteil Polens mit ein. Überall, wo irgendwann einmal Russen lebten oder herrschten, soll Moskau wieder das Sagen haben. Das ist Putins Weltbild.

„Wir werden niemals zulassen, dass unsere historischen Gebiete und Menschen, die uns nahe stehen, gegen Russland eingesetzt werden. Und denen, die einen solchen Versuch unternehmen, möchte ich sagen, dass sie auf diese Weise ihr Land zerstören werden.“ W. Putin 1. Juli 2021

Die Rückhol-Aktion Russlands weiterlesen

Das dritte Imperium

Die russische Kulturwissenschaftlerin Dina Khapaeva sagt: „Ohne die Ablehnung des Westens existiert die russische Identität nicht.“ Die Kulturwissenschaftlerin verweist auf einen russischen Roman aus dem Jahr 2006: „Das dritte Imperium“ von Michail Jurjew.

Das Buch spielt in der Zukunft, es beschreibt, wie Russland Europa unterwirft. Darin beginnt der Aufbau des russischen Imperiums mit einem Krieg gegen die Ukraine. Russland wird in diesem Roman von einer Militärpolizei regiert und terrorisiert. Aus Khapaevas Sicht ist das heutige Russland auf dem Weg in ein solches System: „Was wir heute erleben, ist eine Nachfrage nach staatlichem Terror„, sagt sie im Interview mit ntv.de. „Leider glaubt ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung, dass Staatsterror, wenn er passiert, zum Wohle Russlands ist.“ Das dritte Imperium weiterlesen