Nach dem Vatikan-Kenner Marco Politi, möchte der Papst eine Kirche, die den Menschen im 21. Jahrhundert gerecht wird. Damit löst er viele Ängste und Widerstände aus. Man wirft ihm seine Offenheit gegenüber Christen anderer Konfessionen und Prägungen vor. Politi schreibt im Blick auf die Angriffe und Rücktrittsforderungen gegenüber Franziskus: «In der zweiten Hälfte seines Pontifikats scheint es völlig normal geworden zu sein, dass Kardinäle und Theologen den Papst öffentlich der Häresie beschuldigen und kein Hahn danach kräht.»
Der an der Universität Salzburg lehrende Theologe Gregor Maria Hoff sieht auch eine Woche nach der Veröffentlichung des Papiers «Querida Amazonia» «eine zunehmende Ratlosigkeit». Es dränge sich die Frage auf «Was will der Papst?». Hoff drückte seine Verwunderung über das Schreiben aus, das die Amazonien-Synode und dessen Schlussdokument lediglich kommentiere, jedoch nicht formell bestätige – und dadurch auch nichts entscheide. Weiter meint er: Die Rollenfestlegung der Frauen auf «die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Marias treibt Frauen aus der Kirche». Gleichzeitig offenbare die Argumentation, wofür der Papst stünde, nämlich «für den inneren Widerspruch einer vormodernen Kirche in einer nachmodernen Welt».
Der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger meint: Die Bischöfe hätten den Papst durchaus ermutigt, in Richtung «viri probati» zu denken und ihm eine Tür aufgemacht, «er bleibt aber einfach davor stehen». «Der Papst entscheidet nicht, er handelt nicht», sagte Rosenberger im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress. Das Dokument habe klar gemacht, dass von diesem Papst in dieser Hinsicht «nichts mehr zu erwarten ist».
Die Theologin und Ordensfrau Schwester Melanie Wolfers geäußert in der Ö1-Sendung «Praxis»: «Wie soll eine Kirche dieses Evangelium, das die Welt dringend braucht, glaubhaft verkündigen, wenn sie es nicht einmal in ihren Strukturen sichtbar machen kann?» Die «Glaubwürdigkeit des Glaubens» leide an den eigenen Diskriminierungen der Kirche.
Franziskus habe in «Querida Amazonia» keinen Schritt nach vorne gewagt, sondern einmal mehr «die alte Lehre festgezurrt, dass nur ein männlicher Priester Christus repräsentieren, der Eucharistie vorstehen und die Absolution erteilen könne», schrieb Gerda Schaffelhofer, Ex-Präsidentin der Katholischen Aktion (KAÖ), in einem «Furche»-Gastkommentar . «Was nützt uns die von Papst Franziskus initiierte freie Rede über unsere Probleme in der Kirche, wenn daraus keine Konsequenzen gezogen werden, sondern das Alte nur einmal mehr einzementiert wird?» Der Papst bewege sich «keinen Millimeter», um die Priesternot zu lösen. mehr Informationen
Für Kurienkardinal Robert Sarah ist die Sache klar: Ein Angriff auf den Zölibat ist ein Angriff auf die Kirche und ihr Geheimnis. Nach seiner Meinung wartet der Westen auf Priester, die radikal heilig sind. Manche Priester hätten nie gelernt, Gott, das Gebet, die Feier der heiligen Messe, das Streben nach Heiligkeit ins Zentrum ihres Lebens zu stellen. Letztlich sei es die Abwesenheit Gottes, welche den Missbrauch möglich mache. Ohne Gott, aber ausgestattet mit Macht, seien manche der «diabolischen Logik» des Missbrauchs der Autorität und sexueller Verbrechen anheim gefallen, sagte Kardinal Sarah in einem Interview im National Catholic Register. Der Zölibat sei ein deutliches Zeichen dafür, dass der Priester nur Christus gehöre, dass sein Leben nur durch Gott und für ihn sinnvoll sei. Würde der Zölibat in Frage gestellt, würde dies die Krise des Priestertums nur verschärfen, betonte er. Die Kirche selbst würde dann nur mehr als menschliche Institution erscheinen. Die Gläubigen in Amazonien würden zölibatäre Priester erwarten, die in ihrer Mitte Christus verkörpern, den Bräutigam der Kirche. Mit dem Buch «Aus der Tiefe des Herzens» habe er Papst Franziskus dabei unterstützen wollen, an der Seite der armen und einfachen Gläubigen zu stehen. Papst Franziskus hat am Ende der Amazonien-Synode darauf hingewiesen, dass das Problem der Region die Evangelisierung sei, nicht das Fehlen verheirateter Priester. Der Priestermangel sei real, aber nicht nur in Amazonien. Es fehle die Begeisterung für den Glauben und die Anziehungskraft. Benedikt XVI. sei im Buch «Aus der Tiefe des Herzens» zu dem Ergebnis gekommen, dass sowohl der Ehestand als auch das Priestertum jeweils den ganzen Menschen verlangen. Beide Stände seien daher nicht in einer Person gleichzeitig vereinbar. Kardinal Sarah zitiert Johannes Paul II., der darauf hingewiesen hat, dass die Kirche von ihren Priestern so geliebt werden will, wie sie von Christus geliebt worden ist, also mit der exklusiven Liebe des Bräutigams zu seiner Braut (Johannes Paul II., Pastores dabo vobis). mehr Informationen
Das Dokument des Papstes zur vielbeachteten Amazonas-Synode ist eine poetische Liebeserklärung an die Regenwaldregion, meint Michael Schrom. Jedermann weiß, dass verheiratete Männer und Frauen im Amazonasgebiet die Gemeinden vor Ort leiten, während der Priester oft nur einmal im Jahr vorbeikommt, um die Messe zu halten. Im Text führt Franziskus auch aus, dass die Ausformung des Priesteramts »nicht monolithisch» sei. Doch zu einer konkreten Umsetzung findet sich nicht einmal eine Fußnote. Warum ein nachsynodales apostolisches Schreiben , wenn es keine Richtung vorgeben soll? Warum weiterdiskutieren, wenn gar nichts Neues rauskommen soll oder darf?
Prof. Norbert Lüdecke (Bonner Kirchenrechtler) meint: Das Papstschreiben geht im Verständnis von Kirche, vom Amt und dem Verhältnis der Geschlechter nicht ein Jota über die klassische Lehre und das geltende Kirchenrecht hinaus. Nur der Priester repräsentiert Christus und ist den Laien übergeordnet.
Auf die Frage im Pfarreiforum 2 / 20 (Seite 12): Priesterlose Seelsorge wie geht das? antwortet Hans Brändle, Seelsorgeeinheit Magdenau: Gar nicht. Seelsorge hat immer mit Priestertum zu tun. Die Kirche hat nicht wegen der geweihten Seelsorger 2000 Jahre überlebt. Sondern vor allem wegen der vielen anderen, die den Glauben im Alltag weitergetragen und gelebt haben sowie wertvolle Seelsorgerinnen und Seelsorger waren und sind. Das zweite vatikanische Konzil hat dem Rechnung getragen, indem es vom allgemeinen Priestertum aller Getauften spricht: Jede und jeder Getaufte hat eine priesterliche Sendung, als Seelsorgerin oder Seelsorger tätig zu sein.
Querida Amazonia als Inkulturation
- Februar 2020
Der Papst greift im Dokument „Querida Amazonia“ (Geliebtes Amazonien) die Notwendigkeit der Evangelisierung auf.
Der Direktor der vatikanischen Pressestelle, Matteo Bruni, erklärte, dass das nachsynodale apostolische Schreiben „Querida Amazonia“ lehramtlich sei – das Schlussdokument der Amazonassynode vom Oktober 2019 hingegen nicht. Alles im Schlussdokument muss unter der Lupe des apostolischen Schreibens gelesen werden.
Genau genommen hat sich der Papst nicht zur Möglichkeit geäußert, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Er spricht einfach von geweihten Männern.
Kardinal Michael Czerny stellt an der Pressekonferenz Vatikan am 12. Februar 2020 fest: „Wenn es Dinge gibt, von denen Sie glauben, dass sie offen sind, oder die Kirche glaubt, dass sie offen sind, dann werden sie weiter debattiert, untersucht, man wird darüber beten und wenn sie reif sind, wird man sie der zuständigen Authorität präsentieren, um eine Entscheidung zu treffen.“ „Wenn sie einen Abschluss für ihren Artikel suchen, einen Paukenschlag, dann fürchte ich, diese Art von Abschluss gibt es nicht“.
Hier einige Schwerpunkte aus dem offiziellen Apostolischen Schreiben von Papst Franziskus:
- Um für Amazonien zu sorgen, ist es gut, die Weisheit der Vorfahren mit den heutigen technischen Kenntnissen zu verbinden, wobei immer ein nachhaltiger Umgang mit dem Gebiet zu gewährleisten ist, der zugleich den Lebensstil und die Wertesysteme der Bewohner bewahrt. Querida Amazonia als Inkulturation weiterlesen →