Die christliche Gemeinschaft in Syrien, mit rund 1,9 Millionen Christen, ist nach Ägypten die zweitgrößte christliche Minderheit im Nahen Osten. Paulus erlebte bei Damaskus seine Bekehrung, noch heute sprechen viele Christen in Syrien Aramäisch, die Muttersprache Jesu. Doch die Proteste gegen die Regierung von Präsident Bashar al-Assad und deren gewaltsame Niederschlagung haben die christliche Gemeinde in eine schwierige Lage gebracht. Sunnitische Rebellen sehen in ihnen Anhänger des Assad-Regimes. In der umkämpften Millionenstadt Aleppo werden sie von vorrückenden islamistischen Mudschaheddin ins Visier genommen.
Bis vor wenigen Monaten gehörte Syrien zu den Ländern in der islamischen Welt, in denen die christliche Bevölkerungsgruppe am ehesten so etwas wie Gleichberechtigung erfuhr, wo christliches Leben relativ ungestört möglich ist, wo Kirchen gebaut werden dürfen und wo die Heiligen Orte des Christentums auch von Muslimen respektiert und besucht werden.
Die syrische Verfassung garantiert nominell Religionsfreiheit. Nun könnte sich die Lage der Christen dramatisch verschlechtern. Von den vorrückenden Rebellen befürchten sie eine Islamisierung und eine Verschlechterung ihrer Lage. Das Regime Assads versuchte, die Christen auf Leben und Tod an den Fortbestand der Diktatur zu binden. Die Rebellen wiederum tragen den Bürgerkrieg bewusst in die christlichen Wohnviertel.
Für die dreihunderttausend Christen Aleppos würde eine Machtübernahme dieser islamistischen Gruppen keine Befreiung bedeuten, im Gegenteil, sie müssen um ihr Leben fürchten. Zehntausende sind bereits über die Grenze nach Jordanien geflohen.
Aber bereits vor dem Bürgerkrieg hat in Syrien der konservative und strenger ausgelegte Islam an Einfluss gewonnen. Salafitische und wahhabitische Tendenzen nahmen immer weiter zu. Zu diesen Gruppen zählen auch die syrischen Muslimbrüder. Dies war ein Grund für viele Christen, auszuwandern. Zahlreiche Christen verließen das Land, vor allem in Richtung Amerika, aber auch in den Libanon und nach Schweden.
Noch vor einem Vierteljahrhundert stellten die Christen knapp 15 Prozent der Bevölkerung, ihr Anteil ist auf mittlerweile fast 10 Prozent geschrumpft.
Syrien ist das einzige der vier urchristlichen Länder, das Jesus nach dem Bericht der Evangelien nicht mit eigenen Füßen betreten hat. Dafür ist Syrien das Land, in dem das Christentum zuerst als eine neue, eigenständige Religion neben seiner jüdischen Mutterreligion erkennbar wurde.
Nahe der heutigen syrischen Hauptstadt Damaskus wurde Paulus durch eine Vision des auferstandenen Christus zum Apostel der Völker berufen. In Damaskus selbst wird bis heute das Haus des Jüngers Hananias gezeigt, der Paulus getauft hat. Eine zweite heilige Stätte des Christentums in Damaskus erinnert an die Flucht des Paulus über die Stadtmauer.
Das eigentliche Zentrum des syrischen Christentums zur Zeit des Neuen Testaments wurde Antiochia, die damalige Hauptstadt der römischen Provinz Syrien. Dieser Ort gehört heute zur Türkei, seit die Region 1939 von Syrien abgetrennt wurde. In Antiochia war es, dass die jüdische Bewegung der Anhänger Jesu dazu überging, in größeren Zahlen nichtjüdische Menschen für den Glauben an Christus zu gewinnen und dadurch das Christentum zu einer Religion für alle Völker zu machen. Hier wurden auch der Begriff Christen zum ersten Mal gebraucht.
Die Araber, die 636 das byzantinische Reich am Jarmuk besiegt hatten, eroberten das Land. Das Land wurde nach und nach arabisiert und islamisiert. Von 1098 bis 1268 gehörte der westliche Landesteil Syriens dann zum christlichen Kreuzritter-Fürstentum Antiochia. Die Mamelucken eroberten 1291 schließlich die letzten fränkischen Besitzungen in Palästina und Syrien.
Syrien war einmal ein vollständig christliches Land. Man kann nur hoffen, dass diese Geschichte nicht im 21. Jahrhundert zu Ende geht.