Der syrische Bürgerkrieg hat eine neue Generation von Dschihadisten hervorgebracht. „Syrien hat eine besondere Strahlkraft“, erklärt die Journalistin Kristin Helberg, die vor dem Bürgerkrieg jahrelang in Syrien lebte. „Das Empfinden für die Ungerechtigkeit dieses Krieges ist besonders stark, weil er wie selten ein Konflikt zuvor in all seinen grausamen Details im Internet dokumentiert ist.“ „Syrien ist zurzeit der angesagte Ort für Dschihadisten“, sagt Kristin Helberg.
Dass die Ungerechtigkeit des Krieges und der Frust über die Untätigkeit der Welt ein wichtiges Motiv vor allem westlicher Dschihad-Touristen ist, passt zu ihrem überwiegend jugendlichen Alter. Nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden sind 40 Prozent der nach Syrien ausgereisten Deutschen jünger als 25 Jahre, etwa ein Dutzend minderjährig. Aus Deutschland sind nach Schätzungen der Sicherheitsbehörden rund 300 Muslime in Richtung Syrien gereist.
Die meisten Kämpfer kommen aus den arabischen Golfstaaten, dem Libanon, Libyen, Tunesien, dem Irak, aus Westeuropa, dem Balkan, in kleineren Gruppen auch aus Zentral- oder Südasien und China. Schätzungen zufolge gibt es auf den syrischen Schlachtfeldern mindestens 25.000 zu einem großen Teil nicht-syrische Kämpfer, die sich zum Terrornetzwerk Al-Kaida oder einer damit verbundenen Unterorganisation bekennen. Die bekanntesten sind die beiden miteinander konkurrierenden Gruppen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien“ (Isis) und die Al-Nusra-Front. Isis ist aus Al-Kaida im Irak hervorgegangen und verfolgt mit großer Brutalität einen Großmachtsplan über Syrien hinaus. Die Nusra-Front ist der syrische Ableger von Al-Kaida und strebt ebenfalls einen totalitär-islamischen Staat an, vielleicht etwas kleiner als der von Isis. Die Nusra-Front ist mutmaßlich 15.000 Mann stark, Isis hat etwa halb so viele Kämpfer, kompensiert das aber durch Skrupellosigkeit.
Weitere geschätzte 100.000, darunter viele Einheimische, kämpfen für radikalislamische Verbände, die nichts mit Al-Kaida zu tun haben. Die größte Gruppe ist die Islamische Front. Alle diese Gruppen rekrutieren laufend neue Mitglieder. Wo Neuankömmlinge aus dem Ausland landen, hängt offenbar vom Zufall ab.
Mit den Kriegern, die einst unter der zentralen Führerschaft von Osama bin Laden kämpften, haben die heutigen Syrien-Krieger nicht mehr viel zu tun. Was sie sein wollen und was sie erreichen wollen, wissen sie allerdings auch nur vage. „Wie das am Ende aussehen soll, wissen sie oft selbst nicht. Erst einmal Baschar al-Assad stürzen und dann mal sehen, ist ihre Devise“, sagt Nahostexperte Michael Lüders gegenüber n-tv.de. Nicht selten dienen die nicht kampferprobten jungen Leute als Kanonenfutter. Ihr Kampf gilt nicht mehr den Ungläubigen in der westlichen Welt, sondern dem Assad-Regime und allen, die Ansprüche auf das Territorium des einstigen Staates Syrien stellen. Das können Schiiten sein, die schiitische Sekte der Alawiten, Drusen, Jeziden oder Sunniten, die nicht die totalitären Vorstellungen der Islamisten teilen.