Die Funkmitschnitte vom Abend des 19. Januar 2019, die dem SPIEGEL vorliegen, dokumentieren eine neue Stufe der Eskalation im Syrienkrieg. Denn am vergangenen Samstag gingen syrische Verbände der beiden großen Assad-Verbündeten – Russland und Iran – mit Panzern, Granatwerfern und schweren Maschinengewehren aufeinander los. Nachdem die Aufständischen weitgehend besiegt sind, verschärft sich nun der Kampf um die Beute: Wer kontrolliert Syrien?
Teheran will das Gebiet kontrollieren und ließ Soldaten der vierten Division, die offiziell vom Präsidentenbruder Maher al-Assad befehligt, aber de facto von Iran kontrolliert wird, in den vergangenen Wochen mehrere Dörfer im Ghab-Tal besetzen. Das ist zwischen der Rebellenregion Idlib und dem Kernland des Clans von Präsident Assad an der Mittelmeerküste.
Moskau will das Terrain ebenfalls kontrollieren und schickte massive Verstärkung für das von Russland ausgerüstete und trainierte Armeekorps, kommandiert vom syrischen Brigadegeneral Suhail al-Hassan in die Stadt Schatha am Westrand der Ebene. die Die «Tiger Forces» sind sie eine Spezialeinheit der syrischen Luftaufklärung «Mukhabarat Javiya» (einer der dortigen Geheimdienste). Sie wurde 2013 geschaffen und enthält nur Freiwillige.
Was Diktator Baschar al-Assad in Damaskus will, ist unklar, aber spielte hier auch keine große Rolle.
Am Morgen des 19. Januar eröffneten beide Seiten das Feuer aufeinander. Das russisch-syrische Korps zeigte sich der iranisch-syrischen Division rasch überlegen, nahm Dorf um Dorf ein, zerstörte einen gepanzerten Truppentransporter der vierten Division im Weiler Qaber Fidda und hatte bis zum Abend die Kleinstadt Hwaiz am Ostrand der Ebene erreicht.
Wie viele Männer auf beiden Seiten umgekommen sind, ist unklar. Die Schätzungen reichen von mehreren Dutzend bis zu 200. Keine der beteiligten Seiten hat ein Interesse daran, Gefechte unter Verbündeten öffentlich zu machen.
Dabei ist der Konflikt zwischen Russland und Iran in Syrien nicht neu. Der Auslöser für solche Kämpfe unter Assads Verbündeten sind oft die Streitigkeiten der lokalen Milizen darüber, wer welches Terrain kontrollieren und plündern darf.
Iran versucht, die herrschende Minderheit der Alawiten zu „richtigen“ schiitischen Muslimen zu machen. Nach dem Vorbild der Hisbollah im Libanon sollte ein schiitischer Staat im Staate künftig auch Syrien kontrollieren.
Damaskus aber möchte nicht von ihnen kontrolliert werden. Es kommt bei den Alawiten, die ein laxes Verhältnis zum islamischen Alkoholverbot haben und deren Frauen selten verschleiert sind, nicht gut an, dass ihnen die Iraner Abstinenz und Schleier aufzwingen zu wollen. mehr Informationen
Russische Informationsquellen dementieren die Sache und verweisen darauf, dass es keine offiziellen Verbände sind. In dem Sinne stimmt es, dass alle Kriegsparteien mit Söldnern und privaten Einheiten operieren.
US-Geheimdienstdirektor Dan Coats hat vor einem Nachlassen im Anti-Terrorkampf gewarnt. Die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) sei in Syrien und im Irak weiterhin mit „tausenden Kämpfern“ präsent. Trotz ihre großen Verluste bei Führungspersonal und Territorium habe die Miliz zudem weiterhin acht Unterorganisationen und „mehr als ein Dutzend Netzwerke“, heißt es in einem in Washington veröffentlichten Bericht für den Kongress. mehr Informationen
Die Ironie an der Sache: Sowohl Russland als auch der Iran koordinieren ihre Aktionen in Syrien eng mit dem erklärten Todfeind Damaskus‘ – der Türkei. Die wiederum will um jeden Preis eine autonome kurdische Region in Nord-Syrien verhindern und gruppiert derzeit massiv Truppen an der Grenze zu Syrien. Offen angedroht wurde von Ankara nicht weniger als ein Einmarsch. mehr Informationen
Syrien und Iran kündigten mehrere neue Handels-und Wiederaufbauabkommen an. Beide Länder unterzeichnen am Dienstag 29.1.2018 11 Abkommen und Absichtserklärungen in Damaskus. Nach Berichten aus Syrien umfassen die Abkommen den Ausbau der syrischen Häfen in Latakia und Tartus sowie eine große Energie-Anlage. (Damit sie durch Syrien Gas und Oel liefern können?).
Präsident Assad erklärte zu den Abkommen und strategischen bilateralen Beziehungen: „[Sie] werden dazu beitragen, die syrische und iranische Widerstandskraft gegen den von einigen westlichen Staaten gegen Sie geführt wirtschaftlichen Krieg zu festigen.“
In einem Bericht der Washington Post steht:
„Während die syrische Regierung nach Jahren des Bürgerkrieges ihre Kontrolle konsolidiert, erhöht die Armee Baschar al-Assads die Zahl an Hinrichtungen von politischen Gefangenen. Überlebende von Syriens berüchtigtstem Gefängnis berichten, dass Militärrichter die Geschwindigkeit erhöht haben, mit der sie Todesurteile fällen.
In Interviews beschreiben mehr als zwei Dutzend Syrer, die unlängst aus dem Sednaja-Militärgefängnis entlassen wurden, eine Säuberungskampagne der Regierung gegen politische Gefangene. Die früheren Insassen sagen, dass Gefangene aus Haftanstalten aus dem ganzen Land in den Keller des Sednaja-Gefängnisses gebracht und dann durch frühmorgendliche Hängungen exekutiert werden.
Trotz dieser Verlegungen ist die Zahl an Insassen des Sednaja-Gefängnisses, in dessen vollgepackten Zellen sich in der Spitzenzeit geschätzt zwischen zehn- und zwanzigtauschen Menschen befunden haben, insgesamt stark zurückgegangen – hauptsächlich wegen der anhaltenden Exekutionen. Mindestens ein Trakt des Gefängnisses sei mittlerweile praktisch leer, sagten die ehemaligen Gefangenen.“