Die neusten Entwicklungen in Syrien lassen aufhorchen. Der Krieg ist nicht beendet und könnte jederzeit weiter eskalieren.
Allein in der ersten Februarwoche sind mehr als 1000 Zivilisten durch Luftangriffe getötet worden.
Die Nachrichten, um die iranische Drohne und den Abschuss der israelischen F16 sind oft verwirrend. Die Drohne wurde am Schabbat 10.2.18 von der zentral-syrischen Luftwaffenbasis Tiyas (T4) in der Provinz Homs gestartet und von dort aus gesteuert. Dort sind auch Einheiten der Quds-Brigaden, einer Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, stationiert. Als die Drohne am Morgen die Grenze zwischen Jordanien und Israel überquert, hat ein israelischer Apache-Kampfhubschrauber das angeblich mit Tarnkappentechnologie ausgerüstete Fluggerät über Beth Schean, südlich vom See Genezareth, nach 90 Sekunden abgeschossen. Dazu musste sie schon seit ihrem Start beobachtet gewesen sein. Es ist aus israelischer Sicht unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Drohnenflug um ein Versehen handelte. Es handelte sich um eine iranische Drohne, die der amerikanischen RQ-170 nachempfunden ist, die dem Iran 2011 in die Hände gefallen ist.
Als Vergeltung stiegen in einer ersten Angriffswelle acht israelische Kampfflugzeuge Richtung Syrien auf und legten nach israelischen Angaben das als „T4“ bekannte Flugfeld nahe Palmyra mitsamt der Kaserne und Drohnenleitzentrale in Schutt und Asche. Es war nicht der erste israelische Angriff auf Palmyra, aber der erste offen gelegte.
Die syrische Armee feuerte im Gegenzug mehr als zwanzig Luftabwehrraketen auf die zurückkehrenden israelischen Flugzeuge. Eines davon wurde über dem Libanon (Kaoukaba, Hasbani) so schwer beschädigt, dass sich der Pilot und der Navigator per Schleudersitz retten mussten, jedoch auf israelischen Boden niedergehen konnten. Das Flugzeug stürzte in der Nähe des Kibbutzes Harduf (östlich von Haifa) in Galiläa ab. Beide Piloten konnten sich wie durch ein Wunder mit ihrem Schleudersitz retten, einer musste schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht werden. Eigentlich hätten die Piloten bei einem vollen Treffer keine Chance auszusteigen. Der Kampfflieger, den die Rakete eigentlich ins Visier genommen hatte, konnte ihr noch ausweichen. Die Rakete explodierte dann neben dem anderen Flugzeug, und beschädigte es so, dass der Pilot es nicht mehr kontrollieren konnte. Für Israel war das der erste Verlust eines Kampfjets durch feindliches Feuer seit 35 Jahren.
Als Reaktion bombardierte Israels Luftwaffe in einer zweiten, nach eigenen Angaben „umfassenden Angriffswelle“ zwölf Ziele bei Damaskus, darunter vier syrische Luftabwehrbatterien und vier „iranische militärische Ziele“. Laut israelischen Militärstellen haben die IDF bei ihren Attacken am Wochenende fast die Hälfte der syrischen Luftabwehr unbrauchbar gemacht. Die iranischen Militäreinrichtungen waren eine Militärbasis der Quds-Einheit in Mezzeh, die T-4 Basis, ein Waffendepot in Jabal Mana und einen iranischen Stützpunkt in Tal Abu al-Thaalab.
Seit Monaten schoss die syrische Luftabwehr bei israelischen Angriffen schon in geringem Maße zurück. Doch das Ausmaß der Reaktion vom Wochenende ist neu. Israelische Militärs bemerkten, dass Syrien neben den älteren S-200 mittlerweile modernere Luftabwehrraketen vom Typ SA-17 einsetzt – russischer Bauart und von Syrern betrieben. Es ist noch zu klären, ob der Iran die Israelis in einen Hinterhalt gelockt hat. Denn mit einer Reaktion auf die Drohne konnten die Iraner rechnen. Doch auf israelischer Seite hat aber offenbar niemand mit derartigem Widerstand gerechnet.
Israelische Regierungssprecher heben ausdrücklich hervor, dass es sich bei dem Gegenfeuer vom Wochenende um syrische, nicht russische Raketen gehandelt habe. Dass sich Russen in syrischen Luftabwehreinheiten befinden und gemeinsam trainieren, fand keine Erwähnung. Mehr als zwanzig moderne Luftabwehrgeschosse können zumindest nicht von Russland unbemerkt abgefeuert worden sein. Im Tower des Flugfelds bei Palmyra sitzen Russen, die jeden Start und jede Landung verfolgen. So auch den der iranischen Drohne am Wochenende.
Keine Seite will einen Krieg, vor allem keinen, der sich auf den Libanon ausweitet, wo die Hisbollah über Zehntausende Raketen verfügt. Der stellvertretende russische Botschafter in Israel, Leonid Frolov, hat am Donnerstag 15.2.18 versichert: Israels Anspruch, keine dauerhafte Militärpräsenz des Iran in Syrien zu dulden, ist „absolut legitim“. Griffe der Iran Israel an, würde Russland Israel unterstützen.
Iran ist bestrebt, sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch in Syrien festzusetzen und darüber hinaus Raketenfabriken für die Hisbollah aufzubauen. Bislang lässt Wladimir Putin es im Unklaren, ob er dies zulässt oder nicht. Russland ist, abgesehen von der eigenen, überlegenen Luftwaffe, in Syrien angesichts geringer Infanteriekräfte auf iranische Soldaten, Söldner und die Hisbollah angewiesen. Moskau wird Iran wohl kaum erlauben, eigene Seestreitkräfte nahe den russischen Basen in Tartus (Marine) und Hmeimim (Luftwaffe) zu stationieren.
Bald darauf teilte der Kreml mit, Putin habe mit Netanjahu telefoniert; Russland rufe dazu auf, alle Schritte zu vermeiden, die zu einer neuen, „für alle gefährlichen Auseinandersetzung in der Region“ führen könnten. Solange Israel nicht Assad selbst oder russische Ziele in Syrien angreifen sollte – was es nicht will –, dürfte Putin das gute Verhältnis zu dem Land, das er und Netanjahu vor kurzem in Moskau zum internationalen Holocaust-Gedenktag unter Beweis stellten, nicht ohne Not gefährden.
Auf Putin zu vertrauen ist freilich für niemanden ratsam. Nicht einmal die angeblich zahlreichen russischen Söldner in Syrien können auf die eigene Regierung zählen. Die Kämpfer, die für Moskauer Ziele, formal aber für ein privates Militärunternehmen namens „Wagner“ kämpfen sollen, sind nicht in offiziellem Auftrag im Land.
In der Nacht vom 7. Februar 2018 feuerten vom Iran geführte Einheiten Artillerie in die Richtung der von den USA unterstützten Syrian Democratic Forces (SDF) südlich von Deir al-Zour. Anschließend rückte die rund 500 Mann starke Einheit, die auch afghanische Kämpfer und russische Söldner der Wagner Gruppe umfasste, gegen die SDF-Stellung vor. Ein massiver Gegenschlag durch die US-amerikanische Luftwaffe zerstörte die Angreifer, etwa 100 Kämpfer wurden dabei getötet, darunter wohl auch 30 russische Söldner.
Das russische Verteidigungsministerium hatte zu dem Vorfall nur eine Mitteilung verschickt, in der nur von 25 verwundeten syrischen Milizionären die Rede war. „Russische Soldaten sind nicht in dem betreffenden Gebiet der syrischen Provinz Deir ez-Zor.“ Das Dementi des russischen Verteidigungsministeriums zu dem Vorfall vom 7. Februar ist formal korrekt, da die Wagnertruppen russische Söldner sind und nicht zur offiziellen russischen Armee gehören. Die Assad-Russische Einheit wollte sich die Ölfelder aneignen.
„Das ist ein großer Skandal“, kommentierte der Außenpolitikexperte Wladimir Frolow. Es sei seit dem Vietnamkrieg nicht mehr vorgekommen, dass amerikanische und russische Soldaten einander getötet hätten. Aber Moskau wolle den Fall vor der Präsidentenwahl am 18. März offenbar mit Schweigen übergehen, schrieb er für das Portal republic.ru.
Rund 30% von Syrien stehen heute unter amerikanisch-kurdischer Kontrolle. Es sind vor allem die Ölfelder im Osten des Landes bis zum Euphrat. Das einzige Ziel, dass Russland bis jetzt erreichen konnte, das ihr Hafen am Mittelmeer erhalten blieb. Er ist für sie wichtig, damit ihre Schiffe auch im tiefen Winter einen Hafen anlaufen können.
Unterdessen versucht auch die Türkei sich Land unter den Nagel zu reißen. Doch die Operation Olivenzweig scheint nicht so friedlich zu verlaufen. Die Türkei verlor am Samstag 10.2.18 bei Kämpfen um die Enklave Afrin elf Soldaten und einen Hubschrauber. Dies ist der höchste Verlust an einem Tag in dem kürzlich begonnenen Krieg mit den kurdisch-syrischen Milizen.
Gleichzeitig begannen türkische Truppen, mehrere Posten in der Rebellenprovinz Idlib zu beziehen, unter anderem östlich der Stadt Saraqeb, die noch vergangene Woche von syrischen und russischen Kampfjets tagelang schwer bombardiert worden war. Ankara ist nicht bereit, der Rückeroberung Idlibs durch Syriens Herrscher Bashar al-Assad und der russischen Luftwaffe tatenlos zuzusehen.
Der syrische Bürgerkrieg geht weiter, und er wird durch die Verwicklung externer Kräfte immer komplizierter. Das iranische Regime hat sich in eine günstige Angriffsposition gegenüber Israel gebracht. Die Stationierung von iranischen Waffensystemen, wie fortschrittliche Luftverteidigungssysteme und zielgenaue Raketen, stellt eine erhebliche Veränderung des regionalen Kräftegleichgewichts zu Lasten Israels dar. Zumal das Raketenarsenal der Hisbollah, des iranischen Verbündeten im Libanon, bereits heute nicht nur aufgrund der schieren Masse beunruhigend ist (130.000 Raketen sollen auf Israel gerichtet sein), sondern auch die Zielgenauigkeit und Reichweite haben sich dank iranischer Unterstützung erheblich verbessert.
Netanyahu hat vergeblich versucht, Putin davon zu überzeugen, den Iran daran zu hindern, in Syrien Wurzeln zu schlagen – insbesondere nicht in der Grenzregion zu Israel. Russland hat zumindest gegenwärtig ein Interesse daran, dass sich der Iran am Wiederaufbau Syriens beteiligt. Öffentlich verurteilte Moskau Israels Verletzung syrischer Souveränität, verschwieg aber deren Ursache – die iranische Drohne im israelischen Luftraum. Israelische Beobachter zeigten sich enttäuscht von Putins Verhalten. Angesichts der positiven Treffen und Gesprächen zwischen Putin und Netanjahu hatte man gehofft, dass sich Russland zumindest neutral verhalten werde. Diese Hoffnungen sind nun enttäuscht worden.
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Das israelische F-16 Kampfflugzeug, das von einer syrischen Abwehrrakete abgeschossen wurde, stürzte ausgerechnet auf ein Grundstück, das dem parlamentarischen Assistenten der wohl Israel am feindlichsten gesinnten arabischen Knesset-Abgeordneten , Hanin Zoabi von der Gemeinsamen Liste, gehört.
Der Assistent sagte, dass das Flugzeug erheblichen Schaden an seinen Getreidefeldern angerichtet hätte. Allerdings sieht das Gelände auf den Fotos eher wie ein ungenutztes Stück Land aus. Trotz allem beabsichtigt der Assistent, den Staat Israel wegen des Schadens zu verklagen. mehr Informationen