Leseprobe Kapitel 3 aus dem Buch: Zu Fuß als Ehepaar nach Jerusalem (Hanspeter und Annemarie Obrist)
Völlig übermüdet, Hanspeter mit 21 Kilogramm und Annemarie mit 18 Kilogramm auf dem Rücken, stehen wir am Montag, 16. August 2010, am Dreiländereck in Basel. Am Sonntag haben wir mit der ganzen Familie noch den 80. Geburtstag von Annemaries Vater gefeiert und sind abends nach Basel gefahren, um im Ländliheim zu übernachten. Annemarie hatte mit der Leiterin des Heims nicht lange zuvor einen Tauschhandel abgeschlossen: einen Tisch aus unserem Hausrat gegen eine Übernachtung. Nelly und Hans haben uns mit dem Auto zum Startpunkt am Dreiländereck gebracht. Trotz des schlechten Wetters haben sich hier einige Freunde eingefunden, um uns zu verabschieden.
Regenschirme werden aufgespannt. Passend zum Datum des Abreisetages schlagen wir die Bibel auf und lesen gemeinsam den sechzehnten Psalm. „Du Herr, bist alles, was ich habe; du gibst mir alles, was ich brauche. In deiner Hand liegt meine Zukunft. Ich preise den Herrn. Er hilft mir, gute Entscheidungen zu treffen. Ich sehe immer auf den Herrn. Er steht mir jederzeit zur Seite, damit ich nicht falle. Bei ihm bin ich in Sicherheit. Du zeigst mir den Weg, der zum Leben führt. Du beschenkst mich mit Freude, denn du bist bei mir.“ Was für eine Ermutigung!
Nun starten wir also in Basel. Wie vor vier Jahren mit einem voll bepackten Rucksack, jedoch mit einem anderen Ziel. Wie damals ohne zu wissen, wo wir am Abend schlafen werden. Diesmal ohne Wohnungsschlüssel. Dafür mit einer Menge Vitamin-Brausetabletten, Dörrfrüchten, Ovo-Sport-Riegeln und anderen Leckereien, die uns eigens für die Reise geschenkt wurden. Das Gewicht unserer Rucksäcke wird von einigen getestet. Ein Glas Rimuss[1], ein Gebet, einige ermutigende Worte und Umarmungen, dann ein letzter Blick zurück. Wie schön, dass sich unsere Freunde für diesen Abschied Zeit genommen haben!
Auf unserem Weg am Rheinufer entlang erblicken wir nach wenigen hundert Metern eine Sitzgelegenheit. Es kostet uns Überwindung, da-ran vorüberzugehen. Nachdem wir die deutsche Grenze passiert haben, steuern wir auf ein großes Einkaufszentrum zu und gönnen uns einen Kaffee. Der Regen lässt langsam nach. In den Geschäften des Einkaufszentrums entdeckt Annemarie einen Bleistift mit bruchsicheren Minen. „Das ist nur unnötiges Gewicht“, findet Hanspeter. „Der ist doch nicht schwer!“ Überzeugt steckt Annemarie den Stift in ihren Rucksack.
Nach ein paar Videoaufnahmen geht es über die Rheinbrücke nach Frankreich. Der Regen setzt wieder ein. Unterwegs in Richtung Basel erspähen wir ein Selbstbedienungs-Restaurant, in dem wir uns eine zweite Kaffeepause im Trockenen gönnen. Am Nachmittag legt sich Hanspeter unter einer Brücke auf eine harte Steinmauer. Je größer die Müdigkeit, desto weniger wählerisch wird man.
Nachdem wir dem Rheinufer gefolgt sind, biegen wir an der Stadtgrenze ab und wandern entlang der Birs Richtung Süden. „Wenn wir jetzt das Zelt aufstellen, ist es morgen nass und schwer. Wir suchen uns besser einen Unterstand“, schlägt Hanspeter vor. Am Fluss finden wir jedoch kein einladendes Plätzchen. „Vielleicht schaffen wir es trotz unserer Müdigkeit noch nach Arlesheim.“ Annemarie ist optimistisch, obwohl wir durch unsere Regenpausen viel Zeit verloren haben. Tatsächlich, wenn auch spät, erreichen wir an diesem Tag unseren bisherigen Wohnort. „Ich denke, wir sollten uns noch heute Abend von unseren Nachbarn verabschieden“, meint Annemarie. „Sie müssen morgen schon früh zur Arbeit.“ Nach mehreren Verabschiedungen stehen wir vor unserem Mietshaus. Ein seltsames Gefühl: Es ist dunkel, wir haben immer noch keine Ahnung, wo wir heute schlafen werden und den Schlüssel zu diesem Haus haben wir vor zwei Tagen abgegeben. Wo sollen wir nun hin? Zu später Stunde klingeln wir bei Monika und Christoph, um zu fragen, ob wir in ihrer Garage schlafen dürfen. Fortsetzung Kapitel 4
Kapitel 1 Die mysteriöse Wasserflasche
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