Allein in den ersten beiden Januarwochen des Jahres 2012 wurden pro Tag im Durchschnitt 4,3 Menschen in Iran hingerichtet. 2011 war das Jahr mit der höchsten Anzahl der jährlichen Hinrichtungen in Iran in den letzten 11 Jahren nach Amnesty International (AI) und Iran Human Rights (IHR). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Hinrichtungen abnehmen könnten.
Während Iran Human Rights am 01. März 2012 seinen Jahresbericht über die Todesstrafe in Iran 2011 veröffentlichte, setzten die iranischen Behörden die Niederschlagung von Dissidenten und die Vernichtung der Zivilgesellschaft fort.
Die Exekutionszahlen in Iran im Jahr 2011 waren die höchsten seit Beginn der 1990er Jahre. Mehrere hundert Gefangene werden jedes Jahr von iranischen Behörden unter dem Vorwand der Bekämpfung des Drogenhandels hingerichtet. Im Jahr 2011 finden wir unter den Hingerichteten auch Mütter von unterhaltsberechtigten Kindern, die in unfairen Prozessen verurteilt und exekutiert wurden.
Die bevorstehende Hinrichtung des im Jahre 2010 zum Tode verurteilten iranischen Pastors Yousef Nadarkhani wegen Apostasie muss sehr ernst genommen werden, denn das neue islamische Strafgesetzbuch IPC, das vom Wächterrat gebilligt wurde, könnte zu noch mehr Todesurteilen und deren Vollstreckung wegen Apostasie führen. Nach wie vor ist auch Sakineh Mohammadi Aschtiani, eine Mutter von zwei Kindern, in akuter Gefahr hingerichtet zu werden.
Mahmood Amiry-Moghaddam, der Sprecher der IGV sagte: “Es gibt wenig Zweifel daran, dass die iranischen Behörden, die Todesstrafe als politisches Mittel einsetzen. Die dramatische Zunahme der Anzahl der Hinrichtungen zeigt, dass das iranische Regime mehr denn je auf die Verbreitung von Angst setzt, um sein Überleben zu verlängern. Die Todesstrafe im Allgemeinen und öffentliche Hinrichtungen im Besonderen sind die wichtigsten Instrumente des iranischen Regimes für die Erzeugung von Angst in der iranischen Gesellschaft”. Dabei ist es besonders verwerflich, dass Kinder Hinrichtungen wie ein Volksfest wahrnehmen. Damit betreibt die Islamische Republik nicht nur die physische, sondern auch die psychische Vernichtung des iranischen Volkes.
Hinrichtungszahlen in der Islamischen Republik Iran
Mindestens 676 Menschen wurden 2011 in Iran exekutiert
416 der 676 Hinrichtungen wurden von den iranischen Behörden offiziell bekannt gegeben
65 Hinrichtungen wurden in der Öffentlichkeit durchgeführt. Dies ist die höchste Zahl der öffentlichen Hinrichtungen seit mehr als 10 Jahren
Mindestens 4 jugendliche Straftäter waren unter den Hingerichteten in Iran im Jahr 2011
Mindestens 15 Frauen wurden im Jahr 2011 hingerichtet. Hinrichtungen von 13 dieser Frauen wurden nicht von den iranischen Behörden bekannt gegeben.
3 junge Männer wurden verurteilt und hingerichtet wegen Sodomie
Ein Mann wurde verurteilt und hingerichtet wegen “Apostasie”
Mehr als 80% der Hingerichteten wurden wegen Drogenhandels verurteilt
Nur 9% der offiziell wegen Drogendelikten hingerichteten Personen wurden vollständig identifiziert
IGV hat Berichte über geheime oder “angekündigte” Hinrichtungen in mehr als 15 verschiedenen iranischen Gefängnissen erhalten
Mehr als 70 weitere Hinrichtungen berichtet IGV, sind nicht im Jahresbericht enthalten, aufgrund von Schwierigkeiten bei der Bestätigung einiger Detail.
Wie in den Vorjahren auch, war Drogenhandel die am häufigsten verwendete Anklage gegen diejenigen, die im Jahr 2011 in Iran hingerichtet wurden. Die Gerichtsverhandlungen wurden hinter verschlossenen Türen geführt und es ist nicht bekannt, ob die Gefangenen Zugang zu einem Anwalt hatten oder nicht und ob die Anklage wegen Drogenhandels nicht etwa nur ein Vorwand war.
Die Strafe für Apostasie in der Scharia ist der Tod. Der Abfall vom Glauben wurde nicht explizit in der neuen IPC erwähnt. Allerdings macht das neue Gesetz es einfacher für Richter, die Todesstrafe für Apostasie zu verhängen. Im Artikel 167 heißt es: “Der Richter ist verpflichtet, zu versuchen, auf jeden Fall zu reagieren, auf der Grundlage des neugefassten Gesetzes. Im Falle der Abwesenheit von solchen Gesetzen, muss er sein Urteil auf der Grundlage von offiziellen islamischen Quellen und authentischen Fatwas fällen”.
Iran hat die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die die Todesstrafe für Straftaten bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren verbietet, ratifiziert. Aber nach dem islamischen Strafrecht gilt als Altersgrenze ein Alter von 9 Jahren für Mädchen und 15 Jahren für Jungen. In der neuen IPC, die kürzlich vom Wächterrat ratifiziert wurde, wurden einige Änderungen in Bezug auf die Todesstrafe für Jugendliche gemacht und nach dem Artikel 90 des neuen Gesetzes kann ein Todesurteil für Jugendliche, die “Reife” erreicht haben angewendet werden, wenn er oder sie ein Verbrechen begangen hat, das gilt insbesondere für Sodomie, Vergewaltigung, Diebstahl, Unzucht, Abfall vom Glauben und Konsum von Alkohol beim vierten Mal.
Die Dunkelziffer der Hinrichtungen, die nicht in diesem Bericht erfasst sind und die nicht von mindestens zwei unabhängigen Stellen bestätigt wurden, dürfte die Statistik noch um einiges schlechter aussehen lassen. Auch für 2012 wird ein Hinrichtungsrekord im Iranerwartet.