Scholz lässt Abbas reden

Erst mal schweigen, wenn’s brenzlig wird. Diese Taktik verfolgt Kanzler Olaf Scholz schon lange. Aussitzen, mal sehen, was passiert. Lieber nichts sagen als etwas Falsches. Kann man machen. Geht auch oft gut.

Aber nicht in diesem Fall. Da steht der Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas mitten in Berlin, im Kanzleramt. An dem Ort, an dem Solidarität zu Israel hochgehalten wird, vergleicht Abbas den Holocaust mit Angriffen Israels auf die Palästinenser. Israel habe seit 1947 «50 Holocausts» an Palästinensern begangen.

Auf die Frage eines Journalisten, ob er sich bei Israel für das Massaker an den elf israelischen Olympia-Athleten vor genau 50 Jahren in München entschuldigen werde, gab Mahmoud Abbas zur Antwort: «Seit 1947 bis zum heutigen Tag hat Israel 50 Massaker in 50 palästinensischen Dörfern und Städten, Deir Yassin, Tantura, Kafr Qasim, und viele weitere, 50 Massaker, 50 Holocausts (begangen).» Auf das Massaker an den israelischen Olympia-Athleten ging Mahmoud Abbas nicht ein. Und Scholz sagt: nichts. Handschlag, Pressekonferenz beendet, tschüss Abbas.

Immerhin fand er an der Konferenz noch die Gelegenheit, folgendes festzuzuhalten: «Was die israelische Politik angeht, haben wir natürlich eine andere Sichtweise. Ich möchte klar und deutlich sagen, dass ich das Wort ‹Apartheid› nicht verwenden werde und dass ich es nicht für richtig halte, die Situation mit diesem Begriff zu beschreiben», sagte Scholz, nachdem Abbas auf der Pressekonferenz die Art und Weise, wie die Palästinenser von der israelischen Regierung behandelt werden, als «Apartheid» bezeichnet hatte.

Dieser Fehler wird Scholz noch lange verfolgen. Die Kritik kommt aus der ganzen Welt – und natürlich von der Opposition.

Stress lässt alle Menschen Fehler machen. Aber als Kanzler in dieser Frage ist das unverzeihlich. Auch wenn sich Scholz via Twitter unterdessen entschuldigt hat. Klar ist nämlich auch, und das ist wichtig anzumerken: Natürlich war Scholz’ Schweigen kein Einverständnis mit den Aussagen Abbas’. Natürlich ist sich Scholz der Dimension des Holocaust bewusst, gerade auch als Sozialdemokrat. Der Blackout kam einfach im falschen Moment. Das ist bitter. Für Scholz.

Auf Olaf Scholz kann sich Israel nicht verlassen, schreibt die NZZ. Der Kanzler hat einen halben Tag gebraucht, um sich über die judenfeindliche Entgleisung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas zu empören. Das ist unglaubwürdig. Mit seinem Kommunikationsstil schadet Scholz dem Ansehen Deutschlands. Alle Erklärungen im Nachgang vermögen am fatalen Eindruck dieses Schweigens nichts zu ändern: Scholz hat Deutschland blamiert. Seine Bekenntnisse zur besonderen Verantwortung des Landes für Israel entpuppen sich als Lippenbekenntnisse. Anfang März, bei seinem Antrittsbesuch in Jerusalem, hatte Scholz bekräftigt, Deutschland werde «auch weiterhin fest an der Seite Israels stehen». Jede Bundesregierung habe eine «immerwährende Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel und den Schutz jüdischen Lebens». Und nun stand der Hausherr im Kanzleramt an der Seite des Chefs einer korrupten Behörde und quittierte Israel-Hass nur mit finsterer Miene.

Aus Israel meldete sich Premier Yair Lapid auf Twitter zur Pressekonferenz zu Wort: «Mahmoud Abbas, der Israel beschuldigt, ‹50 Holocausts› begangen zu haben, während er auf deutschem Boden stand, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge. Sechs Millionen Juden wurden im Holocaust ermordet, darunter eineinhalb Millionen jüdische Kinder. Die Geschichte wird ihm niemals verzeihen.» Auch Verteidigungsminister Benny Gantz bezeichnete Abbas Aussagen als «verachtenswert und falsch und als «einen Versuch, die Geschichte zu verzerren und umzuschreiben».

Judenhass ist seit antiken Zeiten überliefert. Schon im biblischen Buch Ester, dessen Entstehung auf das dritte Jahrhundert vor Christus angesetzt wird, steht der berühmte Satz eines persischen Ministers, dass Juden potenzielle Verräter seien. Gleichfalls im dritten vorchristlichen Jahrhundert soll, wie der Historiograph Josephus Flavius überliefert, der ägyptische Autor Manetho in seiner – im Original verschollenen – Aegyptiaca geschrieben haben, die Hebräer seien „Aussätzige” und „Befleckte”. In einem Dialog des Plutarch im ersten christlichen Jahrhundert wird die Frage erörtert, ob Juden deshalb kein Schweinefleisch essen, weil sie das Schwein anbeten.

Ehe das heute populäre Schlagwort „jüdische Lobby” in Gebrauch kam, glaubte man den Darstellungen eines im neunzehnten Jahrhundert – wahrscheinlich von der russischen Geheimpolizei – in Umlauf gesetzten Elaborats namens Die Protokolle der Weisen von Zion, wonach sich ein jüdischer geheimer Rat bei Nacht und Nebel auf dem Judenfriedhof in Prag am Grabe des Shimeon bar Jehuda versammle, um dort Pläne zur Welteroberung und Unterjochung der Menschheit zu schmieden. Die Protokolle der Weisen von Zion sind eins der meistgelesenen Bücher in der islamischen Welt.

Beunruhigt werden Juden, wenn die irgendwo umhergeisternden judenfeindlichen Ressentiments plötzlich populär und modisch werden und sich ausbreiten in großen Kreisen der Bevölkerung. Gerade dieser Vorgang ist derzeit in Deutschland zu beobachten. Muslimische Kinder und Jugendliche, in Koranschulen ungehindert dazu aufgehetzt, haben das Wort „Jude” schon seit Jahren erneut zum stärksten Schimpfwort auf deutschen Schulhöfen gemacht.

Wenn muslimische Demonstranten durch deutsche Straßen ziehen, sich vor Synagogen zusammenrotten und skandieren: „Hamas, Hamas, Juden ins Gas”, geschieht nichts. Keiner dieser Aufrufe zum Mord an Juden ist bisher von der deutschen Justiz verfolgt worden, obwohl zahlreiche Polizisten und andere Zeugen anwesend waren, Videoaufzeichnungen existieren, Bilder von Überwachungskameras, man also die Brüller und Mord-Aufrufer ohne allzu große Mühe identifizieren könnte.

Chaim Noll schreibt: Deutsche Juden, holt eure Koffer vom Dachboden. Bereitet euch vor auf schlimme Zeiten. Wenn ihr noch jung seid und im Besitz eurer von Gott verliehenen Entscheidungsfreiheit, seht euch um, wohin ihr beizeiten gehen könnt. Ehe es richtig gefährlich wird. Vielleicht Kanada, wohin jetzt schon zehntausende französische Juden auswandern. Oder Südamerika. Oder, wenn ihr mutig seid, Israel. Fangt an zu packen. In Deutschland habt ihr nichts mehr zu hoffen.

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