Beim Wirtschaftsforum, 17.6.22, in St. Petersburg hat Kreml-Chef Putin die wirtschaftliche Unabhängkeit Russlands gelobt. Dass der Angriff gegen die Ukraine die Ursache für Sanktionen ist, wies er zurück.
Russland sei bereit für globale Veränderungen – als vereinigendes Territorium zwischen Europa und dem Osten. Als Brücke für den Dialog der Kulturen und der Wirtschaften der Welt. Eine Welt ohne Kriege und Konflikte sei möglich – wenn man es wirklich wolle, hiess es im Eröffnungstrailer des Weltwirtschaftsforums St. Petersburg.
Bei seiner Rede vor dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg hat Russlands Präsident Wladimir Putin westliche Staaten massiv angegriffen. Die westlichen Mächte und insbesondere die USA würden immer noch in Kategorien des vergangenen Jahrhunderts denken und andere Länder wie Kolonien behandeln, so Putin.
Nichts werde in der internationalen Politik so sein, wie es einmal war, warnte Putin in seiner Rede. Die EU habe ihre politische Souveränität verloren. Die Sanktionen seien vor allem schädlich für diejenigen, die sie verhängt haben.
„Natürlich haben uns die Sanktionen vor viele komplizierte Aufgaben gestellt“, sagte Putin. „Betriebe haben nach wie vor Probleme mit Ersatzteilen. Eine Reihe technologischer Lösungen sind für unsere Firmen unzugänglich geworden. Die Logistik ist unterbrochen. Aber all das eröffnet uns neue Möglichkeiten. Das ist ein Stimulus für den Aufbau einer Wirtschaft.“
Das Motto der diesjährigen Jubiläumsveranstaltung „Neue Welt – neue Chancen„. Auch mit neuen Partnern – nun verstärkt aus Asien, Afrika und Lateinamerika.
Die aktuellen wirtschaftlichen Probleme hätten aber nichts mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu tun, den Putin nach wie vor als „Spezialoperation“ bezeichnet.
Ein Mangel an Düngern werde in der Zukunft zu noch höheren Lebensmittelpreisen führen. Dafür könne Russland nicht verantwortlich gemacht werden, so Putin. Die USA hätten Geld gedruckt und Lebensmittel aufgekauft, behauptete der russische Präsident.
Russland könne seine Exporte von Getreide und Düngern verstärken, um die Lebensmittelversorgung weltweit zu sichern. Das Land werde Lebensmittel nach Afrika und Asien schicken, so Putin.
Es sei eine Gefahr, dass die Ukraine den Verkauf von Getreide nutze, um Waffen zu kaufen, sagte Putin. Die russische „Spezialoperation“ diene dazu, die Menschen im Donbass zu verteidigen. Dieses Ziel werde Russland erreichen.
Die Wortwahl „militärische Spezialoperation im Donbass“ deutet darauf hin, dass die russische Führung zumindest von einigen dieser Ziele abgerückt ist, hatte der Krieg doch ursprünglich mit einem Angriff auf die Hauptstadt Kiew selbst begonnen. Der Kremlchef machte zugleich deutlich: „Wir haben nichts gegen einen EU-Beitritt der Ukraine.“
Putin fühlte sich angesichts der hohen Ölpreise und des derzeitigen Haushaltsüberschusses, den Russland dadurch erwirtschaftet, in seinem Konfrontationskurs bestätigt. Die Vorherrschaft des Westens sei nicht von ewiger Dauer, sagte er. „Wir sind starke Leute, und wir kommen mit jeder Herausforderung klar“, sagte der Kremlchef unter dem Applaus der Zuschauer.
Der Konflikt mit dem Westen werde anhalten, das sei der Preis für die Souveränität, die sich Russland erkämpfe. Zugleich sah Putin sein Land dafür gut gerüstet: „Russland geht in die neue Epoche als leistungsstarkes und souveränes Land und wird nur noch stärker“, schloss er seine Rede.
Dass sich Russland wirtschaftlich so gut durch die vergangenen Woche und Monate gekommen ist, liegt nach Einschätzung von Experten einerseits am gestiegenen Öl- und Gaspreis – andererseits an seinen üppigen Reserven. Die könnten aber, so die Prognosen, zum Herbst hin bereits aufgebraucht sein.
Mittlerweile sieht sich Putin aber auch im eigenen Land mit negativen Prognosen konfrontiert. Die Chefin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina, warnte am Donnerstag vor einem Verlust von 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Auch der Chef von Russlands grösstem Finanz-Institut Sberbank, Herman Gref, warnte am Freitag vor einer düsteren Zukunft. «Es wird zehn Jahre oder mehr dauern, bis sich die russische Wirtschaft erholt hat», so Gref.
Eigentlich sitzt er als Ehrengast auf Putins Podium in St. Petersburg. Doch Kasachstans Präsident geht hörbar auf Distanz zum russischen Präsidenten. Weder übernimmt Tokajew dessen Kriegsrhetorik, noch sieht den Westen wirtschaftlich am Ende.
Kasachstan wird die ostukrainischen Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk nicht als selbstständige Staaten anerkennen. Das sagte Präsident Kassym-Schomart Tokajew beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Das von der UN verbriefte Recht auf Selbstbestimmung kollidiere mit dem Recht von Staaten auf territoriale Unversehrtheit. Deshalb erkenne man Taiwan, das Kosovo, Abchasien oder Süd-Ossetien nicht an. „Und dieses Prinzip gilt offensichtlich auch für solche quasistaatlichen Gebiete, wie Donezk und Luhansk es sind.“ Tokajew setzte sich damit in einen klaren Gegensatz zu Russlands Präsident Wladimir Putin, als dessen Ehrengast er in St. Petersburg auf dem Podium saß. „Es gibt verschiedene Meinungen, wir sind eine offene Gesellschaft“, sagte er.
Ebenfalls die weltwirtschaftliche Lage schätzte der Präsident des ölreichen Landes anders ein als Putin, der die Vorherrschaft des Westens vor dem Ende sah. Zwar gebe es eine Krise, sagte Tokajew russischen Agenturen zufolge. „Doch gleichzeitig muss man sehen, dass die USA und der Westen insgesamt solide dastehen, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft.“
Als im Januar in Kasachstan Massenproteste ausbrachen gegen Tokajews autoritäre Herrschaft, hatte Putin Militärhilfe geschickt. Der Protest brach zusammen. Tokajew beklagte nun, dass aus Russland wie aus Kasachstan junge, gut ausgebildete Menschen ausreisen. „Sie tragen zum Fortschritt in anderen Ländern bei. Das ist, denke ich, unser Versäumnis.“
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