Ein Mullah schob ihr verkohlte Koran-Seiten unter. Rimsha Masih wurde der Gotteslästerung beschuldigt, doch nun kam sie frei: Der Fall des 14-jährigen Mädchens wirft ein Licht auf die Situation der christlichen Minderheit in einem islamischen Land.
Es begann mit einer Plastiktüte voll Müll: Rimsha Masih, ein kleines christliches Mädchen in einem Slum nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad trug Abfälle durch ihre Siedlung, als sie ein muslimischer Junge stoppte, um den Inhalt der Tüte in der nahen Moschee inspizieren zu lassen. Mullah Hafiz Mohammed Khalid Chishti befand, der Inhalt stelle einen Akt der Blasphemie dar.
Doch um sicher zu gehen, steckte er offenbar noch ein paar angekohlte Seite aus dem Koran hinzu. Mit den Lautsprechern der Moschee rief Chishti danach eine Menschenmenge zusammen, die sogleich aufgebracht Rimshas Haus stürmten, sie und ihre Mutter verprügelten. Die Polizei nahm die Christin sofort fest.
Erst das spektakuläre Eingeständnis eines anderen Geistlichen, dass der Mullah der Christin mit Absicht die Koran-Seiten untergeschoben hatte, brachten eine Wende. In einem ungewöhnlichen Schritt urteilte ein Gericht am Freitag, das Mädchen auf Kaution freizulassen. Das strenge Blasphemie-Gesetz schließt eine solche Haftverschonung eigentlich aus.
Dass ein solcher Fall sich ausgerechnet in Mehrabad abspielen konnte, erstaunt in Pakistan viele. Es ist eines der wenigen Elendsviertel, wo Christen und Muslime Haus an Haus nebeneinander wohnen – seit mehr als 20 Jahren. Vor weniger als einem Jahr haben die Muslime dort den Christen geholfen, eine Kirche zu bauen. Das Verhältnis der beiden Religionsgruppen gilt als gut. Die christlichen Bewohner fühlten sich hier sicher.
Doch genau dies schien das Problem für Mullah Chishti zu sein. Dem Geistlichen der örtlichen Moschee waren die christlichen Bewohner schon lange ein Dorn im Auge. Ein paar Tage, bevor er verhaftet wurde, weil er Rimsha die verbrannten Seiten aus der Heiligen Schrift untergeschoben hatte, zog er in Fernseh-Interviews gegen die Christen ins Feld: „Dies ist ein islamisches Land. Allah hat es uns gegeben.“
Inzwischen haben sich Moscheen in kleine Hauptquartiere eines religiösen Kampfes verwandelt. Die Lautsprecher verwandeln das Gotteshaus zu einer mächtigen Instanz, die gegen Minderheiten und Gotteslästerer mobil macht.
Doch in Mehrabad waren es ausgerechnet Muslime, die als erste dem Hass-Prediger in die Parade fuhren. Denn das Land gehört muslimischen Eigentümern, die Hunderte von Hütten und anderen Behausungen an die Christen vermieten. Malik Amjad, der Besitzer von Rimshas Haus gehört dazu. Er leitet zudem eine Agentur für die Vermittlung von Dienstpersonal in Mehrabad. Doch als nach der Verhaftung um die 300 Familien aus Furcht vor Übergriffen die Flucht flohen, fehlten plötzlich Mieter und Personal.
Christen machen etwa zwei Prozent der fast 180 Millionen Pakistaner aus. Sie sind meist sehr arm. Viele von ihnen waren ursprünglich Hindus, kastenlos oder in niedrigen Kasten. Die Mehrzahl der Familien konvertierte zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft. Christen in Pakistan treten zumeist bescheiden auf. Sie gelten als gute Mieter und gute Angestellte, die pünktlich zahlen und zuverlässig arbeiten.
Die muslimischen Hausbesitzer von Mehrabad schreckte daher die Aussicht, die Christen könnten nicht zurückkehren und sie müssten mit ihren Glaubensgenossen vorliebnehmen.
Der Verteidiger vom Mullah beharrt nun darauf, dass Rimsha schuldig gesprochen werde. „Wenn der Staat sich über das Recht hinwegsetzt, wird Gott eine Person finden, die seine Arbeit tut“, zitiert die christliche Hilfsorganisation Open Doors den Anwalt Rao Abdu Raheem. Laut Open Doors ist dies als eine „offene Drohung“ zu verstehen. Wiederholt wurden Menschen, die in einem Blasphemie-Prozess freigesprochen wurden, von einem aufgebrachten Mob umgebracht.
Rimsha ist immer nochangeklagt: Siehe http://obristlink.wordpress.com/2012/10/18/rimsha-14-in-pakistan-bleibt-angeklagt-der-imam-ist-wieder-auf-freiem-fuss/
Vergleiche auch Artikel: http://obristlink.wordpress.com/2012/08/28/immer-mehr-christliche-madchen-werden-in-pakistan-entfuhrt-vergewaltigt-und-mussen-zum-islam-ubertreten-oder-sie-werden-sogar-ermordet/
Vorgeschichte: http://obristlink.wordpress.com/2012/09/03/pakistan-koranverbrennung-imam-festgenommen/