Vor den Augen von Sicherheitskräften haben extremistische Salafisten in Tripolis einen Sufi-Schrein zerstört. Zwei Tage davor war ihr Ziel ein heiliges Grab in Zliten. Die Zerstörungswut dürfte von höchsten politischen Stellen zumindest toleriert worden sein.
Mit Bulldozern verwüsteten am Samstag ultrakonservative Salafisten einen Teil eines Mausoleums in Tripolis. Die Vandalenakte gegen die Gräber von verehrten Sufi-Heiligen in der al-Shaab-al-Dahman-Moschee nahe des Stadtzentrums fanden am helllichten Tag unter den Augen von Sicherheitskräften statt, die nicht einschritten. Im Gegenteil: Sie erweckten den Anschein, der Befehl käme aus dem Innenministerium, weil den Sufis vorgeworfen werde, sie betrieben an diesem Ort „schwarze Magie“.
In einer Fernsehansprache verurteilte der neue Übergangspräsident Mohammed al-Magariaf die Verwüstungen scharf und kündigte an, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Solche Akte seien sowohl in der Sharia, dem islamischen Recht, als auch kulturell inakzeptabel.
Er bestätigte, dass zudem historisch wertvolle Dokumente und Manuskripte zerstört worden sind. Besonders bedauerlich und verdächtig sei, dass auch Mitglieder der Sicherheitskräfte und ehemalige Rebellen an diesen Aktionen beteiligt gewesen seien.
Der Zerstörung des Sufi-Schreines in Tripolis ereignete sich nur 48 Stunden nach ähnlichen Vorfällen in Zliten, 160 Kilometer östlich von Tripolis. Dort zerstörten sunnitische Extremisten Teile des historischen Schreines von Sidi Abdul-Salam al-Asmar al-Fitouri. Eine Kuppel des Mausoleums ist eingestürzt und ein Minarett von Raketen beschädigt worden. Der Schrein des Heiligen aus dem 16. Jahrhundert gehört zum islamischen Asmariya-Komplex, der auch eine Bibliothek mit alten Schriften enthält und das wichtigste Gebäude der Stadt ist.
Die erzkonservativen Salafisten vertreten eine strikte, puristische Auslegung des Islam. Sie lehnen jeden Totenkult ab. Die Verehrung der Gräber von geachteten muslimischen Persönlichkeiten ist für sie unislamisch.