Die Aussöhnung zwischen der eher säkular ausgerichteten Fatah und der radikal-islamischen Hamas wirft Fragen auf, da sie eigentlich ganz andere ideologische Ziele verfolgen.
Die Fatah vertritt nationalistische Ideale und eine sozialistische Ideologie. Sie lehnt religiöse Diskriminierung explizit ab.
Die Hamas sieht sich den islamischen Prinzipien des wahhabitischen Islam und dessen weltweitem Machtanspruch verpflichtet.
Jetzt sollen innerhalb eines halben Jahres Neuwahlen in der Palästinensischen Autonomie stattfinden, und zwar für den Präsidenten, den Legislativrat (das palästinensische Parlament) und die PLO gleichzeitig. Um das zu ermöglichen, müssen radikal-islamische Organisationen wie Hamas oder der palästinensische Islamische Dschihad der PLO beitreten.
Das Abkommen ist ein Zeichen von einer inneren Schwäche, nicht nur in der Fatah, PLO und PA von Mahmud Abbas, sondern auch in der islamischen Widerstandsbewegung Hamas. Beide Parteien leiden unter einer ständig fortschreitenden Erosion ihrer Legitimität und Popularität.
Außenpolitisch hat sich die Hamas in den vergangenen drei Jahren geradezu systematisch regional isoliert. Im syrischen Bürgerkrieg fand sie sich „auf der falschen Seite“ und verlor dadurch die Unterstützung ihrer traditionellen Geldgeber in Damaskus und Teheran. Mit Präsident Mohammed Mursi fiel die Unterstützung aus Ägypten weg. Auch aus der Perspektive von Saudi-Arabien und Jordanien repräsentiert die Hamas nicht nur irgendeine Terrororganisation, sondern als palästinensischer Zweig der Muslimbruderschaft den Staatsfeind Nummer Eins und damit die existentielle Bedrohung dieser Regime. Lediglich das Nato–Mitglied Türkei überweist regelmäßig Geld an die Hamas. Ansonsten ist die Bevölkerung im Gazastreifen vollständig und ausschließlich vom jüdischen Israel abhängig.
Der Handschlag mit der Fatah soll definitiv die feindlich gesinnten Generäle in Kairo besänftigen, die Blockade erträglicher machen, Bewegungsfreiheit, Raum zum Atmen für die Hamas schaffen. Auch sollen die leeren Kassen gefüllt werden und wirtschaftlichen, politischen Druck, vor allem auch aus der eigenen Bevölkerung, abbauen. Die angespannte Finanzlage dürfte auch für die Fatah ein Beweggrund zur Annäherung an die Hamas gewesen sein.
Eine Integration in die PLO bedeutet mehr Einfluss für die Hamas. Aufgrund des Rückhalts, den sie aller Notlage zum Trotz noch immer in der breiten Bevölkerung genießt, könnte sie das Ruder der PLO gar mit demokratischen Mitteln an sich reißen. Durch eine Eingliederung in die PLO gewännen die palästinensischen Islamisten die internationale Legitimität, die ihnen bislang fehlt.
Zu den Motiven für die angestrebte Einigung von Hamas und Fatah könnte auch die beidseitige Einsicht gehören, dass man den jeweils anderen nicht ausschalten kann. Vor allem der Fatah im Westjordanland dürfte mittlerweile klar sein, dass sich eine religiös motivierte Bewegung wie die Hamas durch Verfolgung, Haftstrafen, Folter und Mord nicht bezwingen lässt, sondern diese eher noch stärkt.
Die überwältigende Mehrheit der Fatah glaubt nicht mehr an ein „faires Abkommen“ mit Israel, was für die anderen, großteils radikaleren Fraktionen der PLO sowieso gilt. Deshalb ist eine Stärkung der Einheit der Palästinenser notwendig, nicht zuletzt als Vorbereitung auf die nächste Konfrontation mit Israel – ganz unabhängig davon, ob diese als Volksaufstand, mit diplomatischen, politischen oder militärischen Mitteln ausgetragen werden wird.