Hinter dem Rücktritt von Libanons Premier steckt Saudi-Arabiens Kronprinz. Das könnte eine neue Welle der Gewalt auslösen: Israel gegen die Hisbollah, Saudi-Arabien gegen den Iran.
Noch vor einigen Wochen schien für den libanesischen Premier Saad al-Hariri die Welt in Ordnung zu sein. Nachdem es ihm gelungen war, erstmals seit 2005 ein Staatsbudget zu verabschieden, twitterte er über die „große Errungenschaft für den Libanon, für ein neues Zeitalter und für die Regierung“, die sich „zu anderen Erfolgen, die wir in den letzten Monaten errangen“, geselle. Überhaupt schien dem 47-jährigen Regierungschef das Unmögliche zu gelingen: Im bitter gespaltenen Land, in dem ein Teil der Bevölkerung zur syrischen Opposition hält, während die vom Iran gestützte Hisbollah-Miliz aufseiten von Syriens Präsident Baschar Assad kämpft, herrschte unter Hariri relative Ruhe.
Um die zu garantieren und die Interessen der zwei bitteren regionalen Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran auszutarieren, bildete er Ende 2016 gar eine Regierung mit der Schiitenmiliz Hisbollah. Doch nun endete Hariris Balanceakt abrupt: Von Saudi-Arabiens Hauptstadt aus verkündete er in einer dramatischen Rede, die die eigenen Berater überraschte, seinen Rücktritt und erklärte dem Iran und der Hisbollah den Krieg. Wo immer der Iran sich niederlasse, verbreite er „Zwietracht, Verheerung und Zerstörung, wie seine Einmischung in die inneren Angelegenheiten arabischer Staaten“ demonstriere, warnte er. Der Libanon stürzt nun erneut in politische Ungewissheit.
Dem Land droht jahrelange politische Lähmung. Und da der Zwist im Libanon nur Spiegelbild des Machtkampfs zwischen Teheran und Riad ist, drohen schwere Konsequenzen für die gesamte Region. Hariris Rücktritt soll deshalb wohl die Hisbollah in die Enge treiben, nachdem sie in Syriens Bürgerkrieg siegreich war und Hariri im Libanon zu immer größeren Zugeständnissen zwang.
Vor wenigen Tagen errang die Hisbollah einen wichtigen diplomatischen Sieg für ihren Patron Iran. Sie zwang Hariri, mit Saad Sakija erstmals einen Botschafter nach Damaskus zu entsenden. Der Libanon wurde so zu einem der wenigen arabischen Länder, die Assads Regime anerkennen. In Riad war der Unmut darüber enorm.
Schon lange wuchs die Kritik an Hariri, weil er nicht als Bollwerk gegen, sondern als Wegbereiter der Iraner fungierte. Im Oktober prahlte der iranische Präsident Hassan Ruhani: „Der Iran ist in der Region mächtiger als je zuvor. Im Irak, in Syrien, im Libanon, in Nordafrika und am Persischen Golf kann niemand mehr ohne den Iran agieren.“
Der 32-jährige Kronprinz Muhammad Bin Salman gilt als Urheber einer neuen waghalsigen und impulsiven saudi-arabischen Außenpolitik. Im Inland kämpft er für die „Vision 2030“, mit der erstmals Steuern eingeführt, die Ölfirma Aramco privatisiert und die private Marktwirtschaft erweitert werden soll. Sehr zum Unmut vieler konservativer Kräfte. Er gilt als Initiator der bislang ergebnislosen Krise mit Katar, dem er vorwirft, zu eng an den Iran gebunden zu sein. Dialog mit Teheran lehnt er kategorisch ab.
Das Resultat aus seinem Handeln: Saudi-Arabien erwirtschaftete 2016 ein gewaltiges Haushaltsdefizit. Im konservativen Königreich hat der junge Kronprinz deshalb viele Feinde – wohl auch innerhalb der eigenen Familie. Vater König Salman schuf nun ein neues mächtiges politisches Instrument, um jeden Widerstand im Keim zu ersticken: ein „Antikorruptionskomitee“. Sonntagfrüh 5.11.17 kam die Meldung, dass elf Prinzen und zig ehemalige und amtierende Minister wegen Korruptionsverdachts verhaftet wurden. Unter ihnen befinden sich auch weltbekannte Investoren wie der Milliardär Prinz al-Walid al-Talal. Der Rücktritt Hariris und al-Walids Verhaftung zeigen, dass Muhammad Bin Salman entschlossen ist, in den eigenen Reihen Gehorsam zu erzwingen.
Auf der einen Seite ist ein Krieg zwischen Israel und der Hisbollah wieder wahrscheinlicher geworden. Auf der anderen besteht eine noch größere Gefahr einer Eskalation der vielen blutigen Stellvertreterkriege. Einen Vorgeschmack bot eine Mittelstreckenrakete, die Huthi-Rebellen in der Nacht auf Sonntag vom Jemen aus auf Riads internationalen Flughafen abfeuerten. mehr Informationen
Am Sonntag 5.11.17 meldete sich Hassan Nasrallah, der Führer der Terrormiliz Hisbollah, zu Wort und bezeichnete den Rücktritt Al-Hariris als „saudischen Wahnsinn“. Seine Äußerungen machte er im Rahmen einer geschlossenen Sitzung, später wurde er im libanesischen Fernsehen zitiert.
Einen weiteren kriegerischen Konflikt im Nahen Osten, der auch gegen Israel gerichtet sein könne, erwarte Nasrallah in naher Zukunft nicht. Aber der nächste Krieg werde verhängnisvoll sein und das Gleichgewicht entscheiden. mehr Informationen
Saad al-Hariris Regierung war erst Ende vergangenen Jahres ins Amt gekommen und hatte damit ein 29 Monate währendes Machtvakuum beendet. Die Warnungen vor einem Mordkomplott kamen von westlichen Geheimdiensten, wie die Zeitung „Aschark al-Aussat“ unter Berufung auf Hariri nahestehende Kreise berichtete. Die libanesische Armee erklärte, ihr lägen keine Erkenntnisse über einen Anschlagsplan vor.
Das politische System Libanons ist eine fragile Balance zwischen den Religionsgruppen der Christen, Muslime und Drusen. So ist der Parlamentspräsident stets ein Schiit und der Oberbefehlshaber der Armee ein Christ. Der Posten des Ministerpräsidenten ist traditionell einem Sunniten vorbehalten und der des Präsidenten einem maronitischen Christen.
Der Libanon ist wahrscheinlich zu schwach, um die Konsequenzen eines Rücktritts Hariris zu verkraften.
Der Politikwissenschaftler Hilal Khashan von der Amerikanischen Universität in Beirut nannte Hariris Rücktritt eine „gefährliche Entscheidung, deren Folgen schwerer sein werden, als es der Libanon verkraften kann„. „Hariri hat einen kalten Krieg gestartet, der zum Bürgerkrieg eskalieren könnte„, warnte der Wissenschaftler unter Verweis auf die militärische Vorrangstellung der Hisbollah im Libanon.
Die Politologin Fadia Kiwane von der Beiruter St. Josephs-Universität warnte, die Lage in der Region sei an einem „Wendepunkt – es könnte einen tödlichen Zusammenstoß zwischen Saudi-Arabien und dem Iran geben.“ mehr Informationen
Michael Wolffsohn schreibt im Handelsblatt: Der Kronprinz bin Salman schockt mit einer Verhaftungswelle und gefährdet damit die Stabilität der Ölnation. Unter der Regie des jungen Kronprinzen Mohammed Bin Salman versucht, das alte Regime durch Neuerungen und Säuberungen zu retten, was zu retten ist. Zuvor hatte er die scheinbar allmächtige islamisch-fundamentalistische Geistlichkeit geschwächt, indem er durchsetzte, dass Frauen Auto fahren und in einige Fußballstadien dürfen.
Bislang konnten Auseinandersetzungen innerhalb des Königshauses beziehungsweise der Aristokratie relativ elegant, kaum sichtbar und lautlos hinter den Kulissen gelöst werden. Das hat sich durch die jüngsten Verhaftungen dramatisch geändert. Der Machtkampf ist nun für jedermann sichtbar.
Die islamisch-fundamentalistische Geistlichkeit konnte in Fragen des religiösen, sprich: des gesellschaftlichen Alltags immer schalten und walten, wie sie wollte. Das hat sich nun geändert. Die neuen „Frauenrechte“ sind für sie eine Provokation. Werden sie zur Tagesordnung übergehen und ihren strategischen Machtverlust stillschweigend hinnehmen? Das ist mehr als unwahrscheinlich.
Der Kronprinz hat die Neuerungen eingeführt, um das wohlhabende und gebildete saudische Bürgertum zu befriedigen und zu befrieden. Damit hat er aber auch das traditionelle Bündnis von Monarchie, Aristokratie und Theokratie gelockert, gar aufgekündigt.
Das saudische Bürgertum ist, grob gesprochen, in Reformer und Revolutionäre gespalten. Beide drängen nicht erst seit gestern an die Macht. Die Revolutionäre wurden aller Welt erstmals im November 1979 sichtbar. Sie besetzten die Große Moschee von Mekka, die Moschee schlechthin. Nur mit Hilfe der französischen Anti-Terror-Einheit konnte das Königshaus der stürmisch, gewalttätigen Bürger Herr werden. Religiös kam der Einsatz der Franzosen einer Entheiligung gleich, denn Nicht-Muslime dürfen dieses Gotteshaus eigentlich nicht betreten. Zugunsten der Macht wurde das religiöse Gesetz gebrochen.
Osama bin Ladens al Qaida muss ebenfalls im Zusammenhang mit dem Versuch ungeduldiger Bürger Saudi-Arabiens gesehen werden, sich an die Macht im eigenen Land zu bomben. Um das Machtzentrum im eigenen Land zu schwächen, attackierten Osama und Co. am 11. September 2001 (auch vorher und nachher) den ausländischen Hauptverbündeten ihres innenpolitischen Feindes: die USA.
Die bürgerlichen Reformer werfen keine Bomben und positionieren sich gegen Terrorismus, eine Stütze von Königshaus und Geistlichkeit sind sie trotzdem nicht. Bislang waren die saudischen Streitkräfte eine wichtige Stütze des Königshauses. Durch gigantische Waffenkäufe werden sie bei Laune gehalten. Ob ihre gute Laune angesichts der militärischen Misserfolge im Jemen-Krieg – der eigentlich ein Krieg zwischen den Saudis und Iran ist – anhalten wird, darf bezweifelt werden.
Soziologisch ist das saudische Militär eher bürgerlich. Langfristig wird die saudische Militär-Bourgeoisie ohne politische Teilhabe nicht mehr ihr Leben fürs Königshaus riskieren, das ihnen eben diese Partizipation verweigert. Ein Militärputsch à la Gaddafi, wie 1969 in Libyen, ist alles andere als ausgeschlossen.
Mit Hilfe des extrem schiitischen Irans versuchen die saudischen Schiiten in den ölreichen Ostprovinzen (10-15 Prozent der saudischen Gesamtbevölkerung), mehr politische Mitsprache, Teilhabe und wohl auch eine Abspaltung zu erreichen. Ohne die östlichen Ölprovinzen wäre Saudi-Arabien arm wie eine Kirchenmaus. mehr Informationen
Der israelische TV-Sender „Kanal 10“ veröffentlichte eine geleakte Depesche die an alle israelischen Botschafter auf der Welt geschickt wurde, in der Besorgnis über die chaotischen Entwicklungen der letzten Tage bezüglich Saudi-Arabien und dem Libanon geäußert wurden. https://t.co/AbeLPC35GP
Diese Kriese begann damit, dass der libanesische Premierminister Saad Hariri (der auch eine Saudi-Staatsbürgerschaft besitzt) nach Riad beordert wurde und dort seinen Rücktritt erklären musste.
In der Depesche wurden die israelischen Botschafter aufgefordert, einer künftigen Regierung im Libanon mit der Hisbollah zu wiedersprechen. Das ist eher aussergewöhnlich, da das eine innenpoltische Angelegenheit ist.
Saudia Arabien und ihre Verbündeten arabischen Staaten haben ihre Einwohner aufgefordert den Libanon zu verlassen (Do 9.11.2017).
Saudiarabien hat seine Bürger aufgefordert, das Land am Mittelmeer schnellstmöglich zu verlassen. Genauere Gründe wurden nicht genannt. Saudiarabische Bürger sollten «angesichts der Lage» so schnell wie möglich ausreisen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SPA am Donnerstag unter Berufung auf das Aussenministerium in Riad. Saudiarabien fordert den Ausschluss der Hizbollah aus der Regierung. Hariri traf sich am Donnerstag seinem Büro zufolge in Saudiarabien mit dem französischen Botschafter. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat derweilen angekündigt, er werde am Donnerstagabend nach Riad reisen, um den Kronprinzen zu treffen. mehr Informationen
Auch Kuwait und Bahrain ihre Landsleute angewiesen, den Libanon zu verlassen. Angesichts der Spannungen in der Golf-Region ist der französische Präsident Emmanuel Macron (39) zu Gesprächen in Saudi-Arabien eingetroffen. Macron schrieb dazu, der Dialog mit seinen Gesprächspartnern diene dazu, einen dauerhaften Frieden zu schaffen.
Der israelische Journalist Avi Issacharoff beschreibt die Entwicklung im Libanon mit einer düsteren Prognose: Nach dem Rücktritt Hariris sei die „Farce” im Libanon vorüber. „Die Hisbollah von heute ist eine vom Iran staatlich unterstützte und ein ganzes Land (den Libanon) dominierende Terror-Armee, die den Islamischen Staat aussehen lässt wie ein Haufen Pfadfinder.“
Ely Karmon erwartet in naher Zukunft keinen Ausbruch von Gewalt als Reaktion auf den Rücktritt Hariris. „Allerdings werden langfristig die 1,5 Millionen sunnitischen Flüchtlinge aus Syrien, die der Libanon aufgenommen hat, die demografische Struktur des Landes verändern. Das könnte zu einer starken Opposition gegen die politische Dominanz des schiitischen Irans im Libanon führen.“ mehr Informationen
Am Freitagabend 10.11.2017 behauptete Hassan Nasrallah, Führer des libanesischen Hizbullah in Beirut, Saudiarabien habe Libanon «den Krieg erklärt» und halte Hariri in Riad fest. Saudiarabien versuche zudem Israel dazu zu bringen, den Hizbullah anzugreifen und so in Libanon eine neue Front gegen Iran zu eröffnen.
Frankreich hat als ehemalige Kolonialmacht in Libanon ein besonderes historisches Interesse an Libanon. Macron ist in einer heiklen Position. Frankreich unterhält einerseits akzeptable Beziehungen zu Teheran und gehört zu den Ländern, die angesichts der dezidiert iranfeindlichen Haltung Donald Trumps versuchen, das Atomabkommen zu retten. mehr Informationen
Rund 350.000 Auslandslibanesen arbeiten am Golf . Jedes Jahr schicken diese vier bis fünf Milliarden Dollar zurück nach Hause – „und das wiederum sind etwa zehn Prozent des libanesischen Bruttosozialprodukts“, sagte Nahost-Experte Wimmen. mehr Informationen
Umgeht der Iran das Atomabkommen?
Mehrfach hat der deutsche Verfassungsschutz öffentlich erklärt, dass der Iran vertragswidrig sein Atomprogramm weiterentwickle. Weder die deutsche Kanzlerin noch irgendein Bundesminister widersprach. Auch aus dem Ausland kam kein empörtes Dementi. Doch immer wieder wiederholen die Bundesregierung, Präsident Macron und die EU die Behauptung, der Iran erfülle seine Vertragspflichten. „Haaretz“ berichtet Beunruhigendes: dass es unveröffentlichte Papiere … weiterlesen
Kommt es zum Krieg zwischen Israel und Iran in Syrien?
„Offensichtlich nimmt das iranische Regime die öffentlichen Warnungen des israelischen Verteidigungsestablishments nicht ernst. Es verhandelt fieberhaft mit dem syrischen Regime und führt Erkundungen vor Ort durch, um einen Militärflughafen in der Nähe von Damaskus zu finden, der den Kampfeinheiten der iranischen Revolutionsgarden als Stützpunkt dienen könnte. Zugleich schreiten die iranisch-syrischen Verhandlungen über einen eigenen iranischen … weiterlesen
Iran: In 25 Jahren wird Israel nicht mehr existieren
„Die iranische Nachrichtenagentur Tansim berichtete am Freitag 25.8.2017, der neue iranische Armeechef Generalmajor Abdolrahim Mousavi habe erklärt, der Staat Israel werde in 25 Jahren nicht mehr existieren. Sollte es zu einer Militäroffensive gegen Israel kommen, werde der Iran deren Ausgang für sich entscheiden. Der neue iranische Armeechef habe gesagt, die ‚Märtyrer’ würden durch ihre ‚Opfertaten’ … weiterlesen
Iran soll weniger als acht Minuten benötigen, um Israel auszuradieren
Ahmad Karimpour, ein hochrangiger Berater der Quds-Eliteeinheit der Iranischen Revolutionsgarde, brüstete sich damit, das «zionistische Regime» könne innert weniger als acht Minuten ausradiert werden, wenn der oberste Führer Ali Khamenei den entsprechenden Befehl erteilen würde.
Iran erklärt warum und wie Israel vernichtet werden soll
Ajatollah Ali Chamenei, das geistliche Oberhaupt des Iran, hat am 10. November auf seinem Twitter-Account erklärt, warum und wie Israel vernichtet werden soll. Israel versuche seit 66 Jahren,
Die Taqiyya-Politik zur Täuschung
Gedanken zum Nahen Osten von Bassam Tibi, gekürzt aus der BAZ 5.10.17 Die Begriffe Assassinen und Taqiyya sind islamisch-schiitischen Ursprungs. Nach dem islamischen Schisma in Sunna und Schia im Jahre 661 wurden Schiiten verfolgt; sie gingen daraufhin in den Untergrund, um der sunnitischen Verfolgung zu entkommen. Das schiitische religiöse Dogma der Taqiyya erlaubt Schiiten, sich … weiterlesen