Der Deutsche mit dem Namen David B. stamme aus Schwerin und sei bereits vor knapp fünf Monaten von den türkischen Sicherheitsbehörden festgenommen worden, berichte Bild am Sonntag. Der 55-Jährige habe sich im April auf eine Pilgerreise nach Jerusalem aufgemacht, mit der Intention, dabei auf Minderheiten und Verfolgte aufmerksam zu machen.
Zunächst habe ihn seine Route nach Auschwitz in Polen geführt, dann sei er in die Türkei eingereist, wo er bei einer kurdischen Familie in Istanbul übernachtet habe. Im Süden des Landes gab es offenbar erstmals Probleme. Die türkischen Behörden zweifelten offenbar daran, dass B. als Pilger unterwegs ist. David B. ließ seine Angehörigen im Netz wissen: „Die Polizei hat meine Sim-Card deaktiviert.“
Zuletzt soll B. laut Freunden vorgehabt haben, ein Schiff von der türkischen Küste aus nach Israel zu nehmen.
Dem Zeitungsbericht nach sitzt B. aktuell im Abschiebelager in Erzurum. Wochenlang habe es keinen Kontakt zu ihm gegeben. Unklar ist, was David B. konkret vorgeworfen wird und warum er inhaftiert ist. mehr Informationen
Komisch ist, dass David B. trotz seiner angeblich politischen Mission keine Webseite hat. Ist er nun eher Pilger oder politischer Aktivist?
Unklar ist auch, der Grund seiner Inhaftierung. Kann da jeder einfach so und das noch 5 Monate verhaftet werden? Das macht jede Türkeireise zu einer Hochrisiko-Reise und die Türkei zu einer No-Go Zone.
Wenn er wirklich mit dem Schiff weiterreisen wollte, ist er maximum bis Mersin gekommen. Östlich davon gibt es keine Passagier-Schiffe mehr. Er hätte über Zypern reisen müssen. Schiffe gibt es von Taşucu oder ein Schnellboot von Mersin.
Was als Kurdengebiet bezeichnet wird ist auch offen. Überall kommt man durch kurdische Dörfer. Selbst Türken bezeichnen die Gegend um Mersin als unsicher. Kurden gelten als Staatsfeinde – ein Besuch verbunden mit einer politischen Absicht auf Minderheiten aufmerksam zu machen ist höchst prisant und nicht eine Pilgerfahrt.
In einer von der Familie zusammengestellten Chronologie heißt es: „Im Bezirk Hatay, wo ihn die Geheimpolizei besonders sorgfältig kontrolliert habe (Ortschaft Belen, in der Moschee, circa 50 Meter südlich der Hauptstraße, am 28. März gegen 20.00 Uhr), sei ihm allerdings dringend geraten worden, die Fußwege und Nebenstraßen durch die Hügel und Berge zu meiden und auf der Hauptstraße zu bleiben. Seitdem sei er ,brav auf der Hauptstraße entlang marschiert‘. Trotzdem habe man ihn am 2. April am südlichen Stadtrand von Hatay verhaftet – auf der Hauptstraße, auf dem Weg zu einer offiziellen Grenzstation, um dort nach einem regulären Visum zu fragen.
Einen Vorwurf habe man nicht gegen ihn vorgebracht – bis heute nicht. Man habe ihm Personalausweis und Reisepass abgenommen und halte ihn seither gefangen. Alle rechtlichen Interventionsmöglichkeiten würden konsequent verweigert beziehungsweise hintertrieben. Auf der großen Straße nahe der Grenze zu Syrien, vermutlich der E 91, wurde David B. am 2. April von der Polizei festgenommen und ohne Anklage in der Provinz Hatay ins Abschiebezentrum von Antakya gesteckt, dem biblischen Antiochien. Die Türken informieren die deutsche Botschaft über die Festnahme und geben an, David B. habe sich in einem „Sperrgebiet“ aufgehalten.
David B. besitzt nur einen deutschen Pass. Er ist kein Doppelstaatler und auch nicht politisch aktiv. Besuche deutscher Diplomaten sind wichtig, um die Haftbedingungen zu erkunden. Warum also zögerte die Botschaft so lange, jemanden vorbeizuschicken?
Von Seiten der Familie des David B., dessen Ehefrau einmal pro Woche fünf Minuten mit ihm telefonieren darf, war zu erfahren, dass er in Antakya nach etwa zehn Tagen die „Hafterleichterung“ bekam, das Trinkwasser abzukochen. In Erzurun, wohin er anschließend verlegt wurde, habe er sich dann nach längerer Zeit einen Schreibstift „erfastet“.
Er sitzt in einer Zelle mit muslimischen Männern. Die wollen ihn zum muslimischen Glauben konvertieren. Keine einfache Situation für einen Christen in türkischer Haft. Am 28. August schreibt Tillman N., der Bruder des David B.: „Im Moment sind seine Mitinsassen leider nicht so nett.“
Die Familie des David B. wandte sich an Anwälte, Abgeordnete verschiedener Parteien und hielt direkten Kontakt mit der Botschaft, um mehr zu erfahren und Druck auf das Auswärtige Amt auszuüben. Doch ausgerechnet diese zuständige Berliner Behörde blockte ab. Man prüfe, hieß es, und könne nichts tun.
Aber immer noch weiß keiner, warum B. festsitzt. Bundesaußenminister Gabriel „warnte“ zwar vor Besuchen in der Türkei, änderte aber nicht die offiziellen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. Offenbar fürchtet die Bundesregierung die wirtschaftlichen Folgen. Denn eine Reisewarnung wäre ein schwerer Schlag gegen die Tourismusbranche in beiden Ländern.
David B. ist nur einer von angeblich 54 deutschen Bürgern, die in der Türkei festgehalten werden. Die Bundesregierung sollte sich vielleicht fragen, was Konsularschutz für alle Deutschen im Ausland wert ist. mehr Informationen
Der in der Türkei festgehaltene David B., der von Schwerin nach Jerusalem pilgern wollte, hat seine Reise als „großes Gebet mit den Füßen“ betrachtet. Das berichtete jetzt sein Bruder Tillmann N. der Evangelischen Nachrichtenagentur idea.
Der 55-Jährige sei ohne Geld losgezogen und habe so jeden Tag jemanden finden müssen, der ihm Essen und Nachtlager gab. „Ich vertraue auf Gott und meine Mitmenschen“, so David B. Gastfreundschaft habe er in Kirchen, Pfarrhäusern und auch in vielen Moscheen gefunden. Er sah die Reise als „tätig gelebtes Projekt des Friedens und der Völkerverständigung; ein Übungsweg der Bescheidenheit und des Vertrauens“.
Auf der Route über Auschwitz (Polen) und den Balkan habe David B. seiner jüdischen Vorfahren und der Menschen, die aktuell in Not sind, gedacht, so sein Bruder. Er beschreibt David B. als gläubigen Menschen, der aber keiner Kirchengemeinde angehört. Wie es Brauch bei Pilgerreisen sei, habe David B. beim Start auf seine Bitte hin in einer mecklenburgischen Kirchengemeinde einen Pilgersegen empfangen: „Hier und auch in anderen Kirchengemeinden der Nordkirche wird gegenwärtig auch für den inhaftierten Pilger aus Schwerin und seine baldige Freilassung und sichere Rückkehr gebetet.“ mehr Informationen
Update 24.11.2017 David sitzt immer noch in Haft
Die Familie hat Mails der Botschaft erhalten, die bestätigen, dass es keinerlei strafrechtliche Vorwürfe gegen ihn gibt. Warum er dann weiter in Haft sitzt? Kein Kommentar. An seiner Reise nach Jerusalem und dem Plan, sich an der Grenze ein Visum für Syrien zu besorgen, hat die türkische Polizei nichts auszusetzen gehabt. Es gab nur eine Auflage: Er sollte auf den Nationalstraßen wandern. Für den Fall einer Zurückweisung an der Grenze wollte er per Schiff weiterreisen. Nach türkischem Recht darf vor der Abschiebung eines unerwünschten Ausländers ein halbes Jahr vergehen, deshalb rechneten wir im Oktober auch mit einem Ende dieses Spuks. Aktuell wurde der Familie von Seiten der deutschen Botschaft mitgeteilt, dass man in diesem Jahr keine Zeit mehr haben werde, David im Abschiebezentrum zu besuchen. „Frühestens im neuen Jahr“, würde man es schaffen, ihn in der Haft zu besuchen. Von einer Freilassung ist nicht mehr die Rede. Statt Ostern in Jerusalem also jetzt Weihnachten in der Türkei. Einmal in der Woche darf er wenige Minuten lang mit seiner Frau telefonieren.
Eigentlich wollte er nur pilgern. Mehr als acht Monate saß David Britsch in der Türkei in Abschiebehaft.
Wie Britsch berichtete, wollte er „zur Wintersonnenwende“ 2016 nach Auschwitz kommen, „das für die tiefste Winternacht im deutsch-jüdischen Verhältnis“ stehe. Ostern wollte er dann in Jerusalem begehen. Tatsächlich wurde er am 2. April 2017 in der Türkei festgenommen. Dort saß er bis zum 21. Dezember 2017 im Gefängnis. „Es war eine einschneidende Erfahrung, plötzlich nicht mehr Herr seiner selbst zu sein„, so Britsch. Ein Grund dafür sei ihm nicht genannt worden. Dass er, wie Medien berichteten, ein Sperrgebiet betreten habe, habe ihm niemand vorgeworfen, sagte Britsch.
In der Haft, die in einem mit EU-Mitteln gebauten Gefängnis vollzogen wurde, habe er sowohl friedliebende Muslime auf dem Weg nach Europa als auch Islamisten auf dem Weg zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) getroffen. Auch diese hätten aber respektiert, „dass ich in Gottes Namen 3.700 Kilometer zu Fuß zurückgelegt habe“, so Britsch. Im Gefängnis habe er regelmäßig das Kirchenlied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ gesungen. Folter oder Gewalt habe er nicht erlebt. mehr Informationen
Die Türken hatten ihn Anfang April nach einer Wegstrecke von mehr als 3500 Kilometern auf offener Straße einkassiert.
Warum, ist bis heute völlig unklar. Weder er selbst noch deutsche Behörden oder seine türkische Pflichtverteidigerin, die Britsch nach etlichen Monaten des Hin und Her zur Seite stehen durfte, bekamen je einen Tatvorwurf präsentiert. Er geht aber davon aus, dass ihm sein Reise-Blog zum Verhängnis wurde, in dem er unter anderem über Zufallsbegegnungen mit kurdischen Separatisten berichtet und sich über türkische Polizei-Willkür mokiert hatte.
Im Grunde aber sieht Britsch sich in der Rückschau als politische Geisel des Regimes von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Dafür gebe es klare Indizien.
In diesem Zusammenhang erhebt Britsch Vorwürfe gegen die deutsche Diplomatie. Vertreter der Botschaft in Ankara hätten zwar wiederholt versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen und seien nach Erzurum gereist. Die Diplomaten hätten sich aber von den türkischen Behörden sang- und klanglos abspeisen lassen, als diese den Zugang zu Britsch verweigerten. „Ich hätte mir stärkeren Druck erwartet, weil die Türkei ganz offensichtlich gegen internationale Vereinbarungen verstoßen hat. Spätestens als ich nach sechs Monaten aus der Abschiebehaft hätte entlassen werden müssen, wäre der Zeitpunkt für eine viel massivere Intervention gekommen gewesen.“
Die Bedingungen seiner Haft beschreibt Britsch als belastend, wenn auch nicht katastrophal. Er musste sich seine Zelle mit fünf bis sieben Mithäftlingen teilen. Freigänge auf einem winzigen betonierten Innenhof waren kurz und selten, Telefonate mit der deutschen Botschaft oder seiner Familie strikt reglementiert und zudem nicht verlässlich gewährleistet.
Manchmal habe er auch körperliche Gewalt erdulden müssen. Ein Wachmann habe ihn brutal ins Gesicht geschlagen, als er sich gegen den „Kasernenhofton“ wehren wollte, mit dem er zu schnellerem Essen angetrieben werden sollte.
Seit seiner überraschenden Freilassung am 21. Dezember und seiner Rückkehr nach Deutschland noch am Abend dieses Tages hat Britsch nach eigenen Angaben weder von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) noch von Vertretern des Auswärtigen Amtes „auch nur einen Pieps gehört“. mehr Informationen