Katholiken fordern „missionarischen Aufbruch“ ihrer Kirche
Sie wollen aktiv etwas verändern: Deshalb haben Katholiken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nun zehn Thesen für einen „missionarischen Aufbruch“ der Kirche veröffentlicht. Der Kölner Kardinal Woelki unterstützt diese Initiative.
Der „missionarische Aufbruch“ sei nötig, damit die Länder zu Jesus fänden, hieß es am Freitag 05.01.2018 bei der Vorstellung des Buches „Mission Manifest – Die Thesen für das Comeback der Kirche“. Die Präsentation fand auf der ökumenischen Glaubenskonferenz „Mehr“ in Augsburg statt.
Kardinal Woelki Erstunterzeichner
Der „Mehr“-Begründer, der katholische Theologe Johannes Hartl, zählt zu den Herausgebern des Buches. Mit www.missionmanifest.online gibt es dazu eine Internetseite, auf der man sich zur Mission verpflichten kann. Erstunterzeichner sei der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki.
Weitere Bischöfe wie Passaus Oberhirte Stefan Oster, Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz, hätten ihre Unterstützung angekündigt, hieß es. Wer unterschreibe, sage zu, bei einer missionarischen Initiative mitzumachen oder selbst eine zu starten, steht in dem Buch. Mitherausgeber Karl Wallner, Zisterziensermönch und Nationaldirektor des Hilfswerks Missio Österreich, erklärte zu diesem Ruf nach Engagement: „Wer nicht wirbt, stirbt.“ Das gelte auch für die Kirche.
Mission soll zur Priorität Nummer eins werden
Zu den zehn Thesen gehören Aussagen wie „Uns bewegt die Sehnsucht, dass Menschen sich zu Jesus Christus bekehren“. Denn es sei nicht mehr genug, katholisch sozialisiert zu sein; die Kirche müsse wieder wollen, dass Menschen ihr Leben durch eine klare Entscheidung Jesus Christus übergäben.
Zudem wird gefordert: „Wir wollen, dass Mission zur Priorität Nummer eins wird“ – eine Kirche, die nicht freudig und überzeugend auf alle zugehe, verliere ihr Warum und Wozu. Drittens heißt es: „Wir glauben, dass die Chancen nie größer waren als jetzt“ – denn das Defizit an privater und gemeinsamer Hoffnung in der Welt werde von Tag zu Tag größer.
Weiter fordern die Initiatoren, ausnahmslos alle Menschen anzusprechen, aber ohne indoktrinieren zu wollen. Ferner brauche es eine „‚Demokratisierung‘ von Mission“. Schließlich stehe nirgendwo, „dass die Mission, die Jesus uns gegeben hat, sich auf Spezialisten, professionelle Verkündiger, Theologen, Kleriker oder Mitglieder von Ordensgemeinschaften beschränkt“. mehr Informationen
Präambel — Nach menschlichem Ermessen wird die Kirche in Deutschland, Österreich und der Schweiz in wenigen Jahren kaum mehr eine gesellschaftlich wahrnehmbare Rolle spielen. Das ist weniger schade um die Kirche als schlimm für die Menschen, die Gott verlieren oder Jesus nie kennenlernen. Wir sind katholische Christen in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die unter der »Erosion des Glaubens«, von der Papst Franziskus spricht, leiden. Wir wissen: Unsere Heimatländer sind Missionsländer geworden. Wir sind bereit für Mission. Wir wünschen, dass unsere Länder zu Jesus finden. Wir laden alle ein, die sich verbindlich mit uns hineinbegeben wollen in eine Welle des Gebets. Wir möchten diejenigen zusammenführen, die den Mut zu ungewöhnlichen Schritten haben. »Das Gebot der Stunde«, sagt auch Papst Franziskus, »ist die pastorale Neuausrichtung, also dafür zu sorgen, dass die Strukturen der Kirche alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des ›Aufbruchs‹ versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet«. Viele Bischöfe sind diesem Aufruf gefolgt und haben ihn sogar noch verstärkt. Unsere Initiative von unten möchte sie unterstützen.
THESE 1
— Uns bewegt die Sehnsucht, dass Menschen sich zu Jesus Christus bekehren. Es ist nicht mehr genug, katholisch sozialisiert zu sein. Die Kirche muss wieder wollen, dass Menschen ihr Leben durch eine klare Entscheidung Jesus Christus übergeben. Sie ist ja weniger eine Institution oder Kulturform, sondern einen Gemeinschaft mit Jesus in der Mitte. Wer Jesus Christus als seinem persönlichen Herrn nachfolgt, wird andere für eine leidenschaftliche Nachfolge Jesu entzünden.
THESE 2
— Wir wollen, dass Mission Priorität Nummer 1 wird. Und zwar durch eine Fokussierung der finanziellen und personellen Ressourcen der Kirche auf die Evangelisierung. „Die Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch!“. Der finale Auftrag Jesu an seine Freunde lautet: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Eine Kirche die nicht freudig und überzeugend auf alle zugeht, hat keine Mission; sie verliert ihr Warum und Wozu. Sie steht für nichts. Und sie schrumpft statt zu wachsen. Für unsere Länder heißt das: „The church will send or the church will end“.
THESE 3
— Wir glauben, dass die Chancen nie größer waren als jetzt. Das Defizit an privater und gemeinsamer Hoffnung in der Welt wird von Tag zu Tag größer. Viele suchen und geben sich mit kleinen Antworten zufrieden. Dabei ist die denkbar größte Hoffnung bereits in der Welt. Das Evangelium hat nichts von seiner Attraktivität verloren. Wir Christen sind dazu da, diese Hoffnung zu teilen, statt sie für uns zu behalten. Wo das geschieht, wird es für Menschen unserer Zeit verlockend Christ zu sein. Weltweit nehmen 200 Millionen Christen sogar Verfolgungen in Kauf, weil sie von Jesus, ihre einzigen Hoffnung nicht lassen können.
THESE 4
— Wir sprechen alle Menschen in unseren Ländern an und machen keinen Unterschied (wie Jesus keinen Unterschied gemacht hat). Wir gehen auf Christen, Nichtchristen, Andersgläubige, Ex-Gläubige zu. Es gibt keinen Menschen, für den Jesus nicht gestorben ist und der Jesus nicht kennenlernen sollte. Gott ist „die Liebe“ (1 Joh 4,16) und will, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“ (1 Tim 2,4) Wir wollen es auch.
THESE 5
— Wir glauben, dass unsere Mission so kraftvoll sein wird, wie es unsere Gebete sind. Ein missionarischer Neuaufbruch kann nicht anders beginnen, als mit einem Neuaufbruch in Fasten und Gebet. Gott, der alle Menschen leidenschaftlich liebt, hat gehandelt und wird auch jetzt zu handeln, wenn wir ihn persönlich und rückhaltlos anrufen. Es werden Wunder geschehen. Gott wird den Menschen über den Weg laufen, und sei es in Träumen und inneren Eingebungen. „Haben wir keine Scheu, Gott selbst um die schwierigsten Dinge zu bitten (wie die Bekehrung großer Sünder oder ganzer Völker“ (Charles de Foucauld) (c).
THESE 6
— Wir danken allen Christen außerhalb der Katholischen Kirche, die heute schon mit Hingabe missionieren, taufen und Menschen zu Jesus führen. Wir Christen in der Katholischen Kirche sehen ihre Treue zur Heiligen Schrift und ihre entschiedene Nähe zu Jesu. Wir haben Wertschätzung für die positiven Impulse der Reformation. Wir wollen demütig – auch und gerade von den Freikirchen – lernen und mit allen unseren Geschwistern in der Ökumene kooperieren, um selbst missionarischer zu werden. Wir wissen, dass die Welt nur zu Christus findet, wenn wir die Einheit wiederfinden und sie in Gebet und Mission schon heute einüben (vgl. Joh 17,21).
THESE 7
— Wir müssen die Inhalte des Glaubens neu entdecken und sie klar und mutig verkündigen, sei es nun „gelegen oder ungelegen“ (1 Tim 2,4). Wir haben sie durch Gottes Offenbarung empfangen, finden sie gefasst im Urdokument der Heiligen Schrift und lebendig überliefert im Verstehen der Kirche, wie es der Katechismus lehrt. Die Geheimnisse des Glaubens müssen vollständig, ganzheitlich, in rationaler Klarheit und in der Freude der Erlösten verkündigt werden. Sie müssen leuchten. Wer anderen Menschen den Glauben verkünden will, darf nicht dilettieren; er muss zuerst an sich arbeiten – an seinem Leben, an seiner Liebe und an seinem Wissen. Der missionarische Aufbruch erfordert eine neue Lernbewegung des Glaubens, denn wir haben verlernt, was es heißt missionarisch zu sein.
THESE 8
— Wir wollen missionieren, nicht indoktrinieren. Die Mission Jesu zu überbringen, hat stets den Charakter einer Einladung; Mission ist die Sehnsucht, die eigene Freude mit jemanden zu teilen; ein freies, respektvolles Angebot an freie Menschen. Mission bedeutet, den Menschen die Füße zu waschen, nicht den Kopf. Sie überredet nicht, übt keinen Druck aus, ist mit Zwang oder Gewalt unvereinbar. Christen sind nicht nur tolerant gegenüber Andersdenkenden, – sie engagieren sich sogar aktiv für Religionsfreiheit. Den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens vertreten wir ohne jede Aggression. Wir können unmöglich schweigen von der Hoffnung, die uns erfüllt (1 Petr 3,15)
THESE 9
— Wir brauchen eine „Demokratisierung“ von Mission. Nirgendwo steht, dass die Mission, die Jesus uns gegeben hat, sich auf Spezialisten, professionelle Verkündiger, Theologen, Kleriker oder Mitglieder von Ordensgemeinschaften beschränkt. Missionarisch zu sein ist der Auftrag Christi an alle Getauften. Mission ist auch nicht nur für bestimmte („nichtchristliche“) Länder, Kulturen und/oder Religionen gedacht. Mission ist jederzeit und überall. Sie ist die große, oft vergessene Querschnittsaufgabe aller Christen in allen Ländern und Kulturen.
THESE 10
— Wir müssen uns selbst zur Freude des Evangeliums bekehren, um andere zu Jesus führen zu können. Wo wir uns im Denken, Handeln und Fühlen einem allgemeinen humanistischen Mainstream angepasst haben, müssen wir entschiedene Anstrengungen unternehmen, um uns, wie Papst Benedikt XVI. sagt „von der Weltlichkeit der Welt zu lösen“(d). Nur als geisterfüllte „neue Menschen“ haben wir missionarisches Profil. Wir sollten allerdings damit rechnen, dass der ersehnte Aufbruch im Glauben nicht immer nur eine Erfolgsgeschichte sein wird. Doch im treuen und freudigen Zeugnis für Jesus erstrahlt auch aus Leiden und Widerständen eine Schönheit, die früher oder später fruchtbar wird.
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