Wir müssen heute die Ängste der Menschen ernst nehmen und die Coronakrise nicht schönreden. Wer einen persönlichen Halt hat, soll von diesem reden – doch nicht als Besserwisser, sondern als Mitleidender.
„Alle Wahrheit durchläuft drei Stufen. Zuerst wird sie lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann wird sie bekämpft. Und schließlich wird sie als selbstverständlich angenommen.“ Arthur Schopenhauer (1788-1860)
Albert Camus beschreibt in seinem 1947 veröffentlichten Roman „Die Pest“, wie unterschiedlich Menschen auf Epidemien und den dadurch hervorgerufenen Ausnahmezustand reagieren. Trotz unmissverständlicher Warnungen wollen die örtlichen Behörden in der Erzählung die Seuche nicht beim Namen nennen und lehnen Vorsichtsmaßnahmen ab. Als sich die rasante Ausbreitung nicht mehr leugnen lässt, wird für die Kranken eine Quarantäne angeordnet und schließlich die komplette Stadt abgeriegelt.
„Wenn ein Krieg ausbricht, sagen die Leute ‚Das wird nicht lange dauern, das ist doch zu dumm‘. Und zweifellos ist ein Krieg mit Sicherheit dumm und doch dauert er lange. … Sie glaubten nicht an Plagen. Eine Plage … ist wie ein böser Traum, der vorübergehen wird. Aber er geht nicht immer vorüber, und von einem bösen Traum zum nächsten sterben Menschen, und die Humanisten zuerst, weil sie sich nicht vorgesehen haben. Unsere Mitbürger waren nicht schuldiger als andere, sie vergaßen einfach nur, bescheiden zu sein, und sie dachten, alles sei für sie noch möglich, was voraussetzt, dass Plagen unmöglich sind. Sie machten weiter Geschäfte, sie bereiteten Reisen vor, und sie hatten Meinungen. Wie hätten sie an die Pest denken sollen, die Zukunft, Ortsveränderungen und Diskussionen aufhebt? Sie hielten sich für frei und niemand wird je frei sein, solange es Plagen gibt“ (aus „Die Pest“).
Ein Mensch, der die aktuelle Lage ignoriert, verdrängt nicht die Wahrheit, um damit seinem Umfeld besser zu helfen – er erkennt vielmehr gar nicht an, dass es überhaupt notwendig ist, jemanden zu helfen.
Unabhängig davon, wie unsere Situation vom Ende her beurteilt wird: Wir leben jetzt in einer Ausnahmesituation. Wir müssen die Ängste der Menschen jetzt ernst nehmen und nicht schönreden. Wer einen persönlichen Halt hat, soll von diesem reden – doch nicht als Besserwisser, sondern als Mitleidender.
Jesus, der am Kreuz für uns gestorben ist, weiß um Todesängste. Er reicht uns seine Hand, damit wir mit ihm einen Weg aus der Verzweiflung gehen und den göttlichen Frieden empfangen können, der unser Denkvermögen übersteigt.
Mittwoch, 1. April 2020, 19 Uhr, Radio Maria Schweiz mit Corinne Rellstab und Hanspeter Obrist https://www.obrist-impulse.net/beten-mit-psalm-77-und-46