Krieg als Dauerzustand

Wladimir Kaminer auf T-online: Für das Kreml-Regime ist der Krieg als Dauerzustand die einzige Chance zu überleben. Denn er erlaubt es, jede kritische Stimme sofort zum Verstummen zu bringen. Und beantwortet automatisch die Frage nach der geplanten Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr.

Jahrzehntelang wurde von den großen Bildschirmen in Russland erzählt, die russische Armee sei die stärkste der Welt – und verfüge über einzigartige Waffen, die dem Westen und besonders den Amerikanern Angst einjagen würden. Die Menschen verstehen nun nicht, warum diese großartige Armee ein ganzes Jahr lang irgendein Dorf im Osten der Ukraine nicht einnehmen kann. Wo sind die modernen Waffen, die man jedes Jahr auf dem Roten Platz während der Parade bestaunte? Im russischen Generalstab wissen die Verantwortlichen Bescheid: Die Waffen vom Roten Platz waren nur Attrappen und der Einsatz der Massenvernichtungswaffen kann den erwünschten Sieg auch nicht bringen.

Die westlichen Friedensstifter machen den Fehler, die Schlagkraft der ukrainischen Armee zu unterschätzen. Eine beispiellose Investition in Militärausgaben und die Bereitschaft der Bevölkerung, für ihr Land das Leben zu riskieren, haben der Ukraine die eigentlich stärkste Armee Europas beschert: hoch motiviert, kampferprobt und im Umgang mit den Produkten fast aller Waffenexporteure der Welt vertraut.

Außerdem hat die Ukraine bedingungslose Unterstützer, nämlich ihre Nachbarländer, die in Russland eine Gefahr für ihre eigene Existenz sehen – und alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Ukrainer in ihrem Kampf zu stützen. Polen, Lettland, Litauen, Estland und Finnland haben durchaus die Option, zu einer eigenständigen Achse des Widerstandes zu werden. Wohlbemerkt nicht als Mitglieder der Nato, sondern als ein unabhängiges Militärbündnis: durch die Aggression Russlands ins Leben gerufen. All diese Länder waren einst Teile des Großrussischen Reiches, ihr Kalkül bei der Unterstützung der Ukraine liegt auf der Hand: Solange der Russe in der Ukraine kämpft, hat er keine Kraft, sich anderswo einzumischen. Auch für Europa gilt: Je länger der Krieg dauert, desto schwächer wird der gefährliche Nachbar.

Aber ganz untergehen solle das Regime auch wieder nicht. Bei der Anzahl der Privatarmeen, die infolge des Krieges entstanden sind, und der regionalen Konflikte im Inland könnte ein möglicher Zerfall Russlands noch größere Probleme und noch höhere Kosten für die Europäer verursachen als bislang. mehr Informationen

Jede Menge Fracht rollt heute per Eisenbahn von China nach Europa – durch Russland über die nördliche Seidenstraße. Seit dem Ukrainekrieg suchen Logistiker nach Alternativen. Satellitenbilder zeigen, wie eine neue Route über Kasachstan, Georgien und die Türkei boomt.

Auf den über 6000 Kilometern Eisenbahnschiene fahren die Waggons von den Werkbänken Chinas direkt in die europäischen Warenlager – und das über weite Strecken durch Russland. Doch seit Präsident Wladimir Putin seine Truppen in der Ukraine einmarschieren ließ, wachsen die Zweifel am Russlandtransit.

„Der bedauerliche Krieg in der Ukraine ist für den Ausbau des mittleren Korridors ein Rückenwind“, sagt Tobias Bartz, Chef des westfälischen Logistikers Rhenus.

Allerdings gibt es Kritiker, die an der Nachhaltigkeit der Handelsstrecke zweifeln. Verglichen mit dem Warenfluss der transsibirischen Route zwischen China und Europa ist der mittlere Korridor bislang nicht mehr als ein Flüsschen. Knapp 1,5 Millionen Container wurden auf der Nordroute im vergangenen Jahr transportiert – den Hafen von Kuryk passiert nicht einmal ein Zehntel soviel.

Seidenstraßen-Expertin Andreea Brinza vom rumänischen Institut für Asien-Pazifik glaubt nicht, dass die mittlere Route die nördliche auf Dauer ersetzen wird. Ihr zufolge fehlten dafür noch immer die Kapazitäten für mehr Güter. Zudem sei die Route im Süden umständlicher: sie ist länger, führt durch mehr Länder und über zwei Meere. Heißt: längere Wartezeiten an den Grenzen und höhere Kosten fürs Personal. „Der mittlere Korridor wird als eine temporäre Alternative zur Nordroute funktionieren“, sagt Brinza, „aber er wird ihn nicht ersetzen können“.

Der mittlere Korridor werde deshalb die zusätzliche Alternative, die sich viele wünschten. Schneller als das Schiff nach China und günstiger als das Flugzeug seien die Laster und Züge allemal.  mehr Informationen

 

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