Das Barnabasevangeliums ist eine Fortsetzung der christlich-muslimischen Kontroverse um eine Schrift, die für sich selbst den Anspruch erhebt, das einzig wahre Evangelium zu sein.
Außer dem italienischen und den beiden spanischen Handschriften wurde nie eine griechische, lateinische oder hebräische Handschrift aufgefunden und niemals ein echter historischer Beweis dafür erbracht, dass das Barnabasevangelium vor dem 16. Jahrhundert existiert hat.
Es lehnt die grundlegenden christlichen Glaubenssätze ab, die auch der Islam verwirft: Leugnung von Jesu Gottessohnschaft, Kreuzigung und Auferstehung. Nicht Jesus, sondern Judas stirbt am Kreuz. Diese ‚Ersatztheorie‘, die besagt, dass Judas mit Jesus verwechselt wurde und an seiner Stelle am Kreuz starb, ist heute die wohl am häufigsten anzutreffende Meinung unter muslimischen Theologen über die Kreuzigung. Mit der Erklärung, dies sei Judas gewesen, legt das Barnabasevangelium gewissermaßen den Koran aus.
Nichtmuslime gehen meist davon aus, dass ein ehemaliger Christ, der zum Islam konvertiert und daher sowohl mit dem Christentum als auch mit dem Islam vertraut war, diese Schrift verfasst und nach dem verschollen Barnabasevangelium benannt hat.
Sonderheiten im Barnasevangelium
- Adam rezitiert im Barnabasevangelium das islamische Glaubensbekenntnis.
- An Maria und Joseph ergeht im Barnabasevangelium der Befehl Gottes, Jesus von Wein, starkem Getränk fernzuhalten: Das Verbot von Wein ist jedoch ein islamisches Verbot.
- Jesus bezeichnet Muhammad im Barnabasevangelium als den Größeren, dem er nicht wert ist, den Schuhriemen aufzulösen: Hier übernimmt Jesus die Rolle Johannes des Täufers aus dem Neuen Testament.
- Jesus kündigt im Barnabasevangelium das Kommen Muhammads an und nennt auch schon den Namen Muhammad.
- Im Widerspruch zum Koran steht auch die im Barnabasevangelium immer neu wiederholte Aussage, dass Muhammad der Messias sei, während es gleichzeitig mehrfach leugnet, dass Jesus der Messias ist. Es bezeichnet Jesus jedoch als „chrissto“ (Christus). Man hat daher vermutet, dass der Autor nicht wusste, dass ‚Christus‘ die griechische Übersetzung des hebräischen ‚Messias‘ (‚der Gesalbte‘) ist.
- Im Koran wird Jesus in Jerusalem geboren, im Barnabasevangelium in Bethlehem.
- Im Koran kommt Jesus unter einer Palme zur Welt, im Barnabasevangelium in einer Herberge.
- Im Koran leidet Maria große Schmerzen bei der Geburt (vgl. Sure 19,23), im Barnabasevangelium bringt sie Jesus ohne Schmerzen auf die Welt. Die Lehre der schmerzlosen Geburt kam in der Kirche erst im Mittelalter auf.
- Der Koran kennt sieben Himmel (Sure 2,29), das Barnabasevangelium neun. Der zehnte Himmel ist dort das Paradies.
- Das Barnabasevangelium tritt eindeutig für die Monogamie ein, während die Mehrzahl der Muslime in Sure 4,3 eine Erlaubnis zur Heirat von bis zu vier Frauen erkennt.
- Im Barnabasevangelium ist Nazareth ein Ort an der Küste des Sees Genezareth. Nazareth liegt jedoch auf einem Hügel.
- Jesus steigt nach dem Bericht des Barnabasevangeliums vom See Genezareth nach Kapernaum hinauf. Kapernaum liegt jedoch direkt am See Genezareth.
- Das Barnabasevangelium berichtet, dass Jesus in ein Schiff gestiegen und nach Jerusalem gefahren sei. Jerusalem liegt jedoch im Landesinneren und ist nicht per Schiff erreichbar.
- Ninive liegt nach der Beschreibung des Barnabasevangeliums in der Nähe der Mittelmeerküste. Es ist jedoch am Tigris im Landesinnern gelegen.
- Nach der Beschreibung des Barnabasevangeliums wird das ‚Jubeljahr‘ im Abstand von 100 Jahren gefeiert, während das Alte Testament einen 50jährigen Zeitraum nennt. Im Jahr 1300 n. Chr. setzte Papst Bonifatius VIII. die Jubeljahrfeier auf einen 100-jährigen Turnus fest. Aber schon im Jahr 1343 verkürzte Clemens VI. die Zeit auf 50 Jahre und kündigte das nächste Jubeljahr für das Jahr 1350 an. So war die Frist für die Feier des Jubeljahres nur zwischen 1300 und 1343 auf einen 100-jährigen Abstand festgelegt, wie das Barnabasevangelium beschreibt. Urban VI. verkürzte 1389 die Frist auf einen 33jährigen und Paul II. im Jahr 1470 auf einen 25-jährigen Abstand, der bis zur Gegenwart beibehalten wurde.
- Das Barnabasevangelium zitiert Bibelverse nach der lateinischen Vulgataübersetzung, die erst Ende des vierten Jahrhunderts entstand und zur offiziellen katholischen Bibel wurde.
- Das Barnabasevangelium erwähnt eine Goldmünze, den Dinar zu 60 minuti. Diese Münze wurde nur kurze Zeit im Mittelalter in Spanien verwendet; ein Argument, das die These von der Entstehung des Barnabasevangeliums in Spanien zu stützen scheint.
- Das Barnabasevangelium betont die Bedeutung der Almosen, des Fastens, der Wallfahrt und des fünfmaligen Gebetes, das auch Jesus ausführt, womit der Text auf einen Zeitraum nach der Entstehung des Islam im 7. Jahrhundert n. Chr. hinweist.
- Im Barnabasevangelium wird die verbotene Frucht im Paradies, die das Alte Testament nicht näher bestimmt, als Apfel bezeichnet; ebenfalls eine Entwicklung der späteren Kirchengeschichte.
Alles deutet also auf eine Abfassungszeit im Mittelalter hin.
Barnabas Kloster Zypern
Vergleiche: Wurde das wahre Evangelium Christi gefunden?