Biden und Netanyahu kennen sich seit 40 Jahren (im Bild Davos 2016). Sie kennen sich gut. In Jerusalem stellt man sich jetzt bang die Frage, wie Biden seine Nahost-Politik ausrichten werde. Biden hat bereits während des Wahlkampfs erklärt, er werde die umstrittene Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem nicht rückgängig machen. Er wird auch sicherlich nichts dagegen haben, wenn es weitere Friedensabkommen zwischen arabischen Staaten und Israel geben wird.
Die Saudis, deren aggressiver Kronprinz Mohammed bin Salman bei den Demokraten spätestens seit der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul in Ungnade gefallen ist, könnten einem Friedensvertrag mit Israel jetzt erst recht zustimmen, um den neuen Mann im Weissen Haus freundlich zu stimmen.
Was allerdings jetzt schon klar sein dürfte: Der sogenannte Jahrhundertdeal ist Geschichte. Ebenso ist eine israelische Annexion des Westjordanlands endgültig vom Tisch. Biden ist ein Befürworter der Zweistaatenlösung, er wird schnell die diplomatische Vertretung der USA in Ostjerusalem wieder in Funktion setzen und auch das Büro der PLO in Washington dürfte rasch wieder eröffnet werden. Die amerikanische Finanzhilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde wird ohne Zweifel ganz rasch wieder fliessen.
Heisst das, dass die Wahrscheinlichkeit eines Friedensabkommens zwischen Israelis und Palästinensern grösser geworden ist? Wohl kaum.
Der zukünftige amerikanische Präsident wird sich zunächst einmal vorrangigeren Themen wie der Bekämpfung der Covid-Pandemie und der Klimakatastrophe zuwenden müssen. Aussenpolitisch wird der Konflikt mit China einen grossen Teil der Aufmerksamkeit beanspruchen, da muss der palästinensisch-israelische Konflikt erst einmal warten.
Biden wird sicherlich mit Teheran eine neue gemeinsame Basis schaffen wollen. Aber er weiss inzwischen auch, dass der alte Deal grosse Schwächen hatte. Die Laufzeit des Vertrags war zu kurz angesetzt, das ballistische Raketenprogramm Irans konnte immer weiter ausgebaut werden. Die eingefrorenen iranischen Konten, die nach dem Abschluss des Abkommens freigegeben wurden, dienten in erster Linie der militärischen Aufrüstung der iranischen Stellvertreter in den sunnitischen Nachbarstaaten, wie etwa der Hizbollah in Libanon und Syrien. Einen einfachen Wiedereinstieg in das JCPOA-Abkommen wird es also nicht geben.
Netanyahus Versagen im Kampf gegen die Corona-Pandemie, der Niedergang der Wirtschaft, seine anstehenden Korruptionsprozesse haben das Vertrauen weiter Teile der israelischen Bevölkerung in ihren Premier erschüttert. mehr Informationen
Wer der nächste Präsident von Amerika ist, entscheidet sich am 14. Dezember 2020. Und damit auch die Zukunft des Nahen Ostens.