Alle Welt geht davon aus, dass Israel bald Irans Atomanlagen angreifen wird. Doch die innenpolitische Lage und Netanjahus Charakter widersprechen dieser Einschätzung.
Hebräische Kino-Plakate, die an den Iran erinnern, hängen schon seit Wochen. Sie werben schon für den Film „Die Trennung“ (A Separation), noch bevor das Werk mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet wurde. Die Zuschauer strömten von Anfang an in die Säle, neugierig auf Alltagszenen aus einem Land, dessen Regime so gerne davon redet, dass es Israel von der Landkarte löschen möchte.
Zu den Kinogängern zählten betagte Einwanderer, die den Iran als Kinder verlassen hatten. Auch sie wollten einen Blick hinter die Kulissen werfen, ins moderne Teheran.
Während die Welt entschieden hat, so hat man den Eindruck, dass Israel bald die iranischen Atomanlagen angreifen wird, ist man sich darüber in Israel selbst nicht so sicher. Nach den jüngsten Umfragen meinen 58 Prozent der Israelis, ihr Land sollte nicht im Alleingang handeln.
Niemand in Israel spielt die potenzielle Gefahr herunter, die von einem mit Atombomben bewaffneten Iran ausgehen würde. Doch, anders als im Ausland, gibt es auch viele Stimmen, die vor einem zu eiligem Handeln warnen. Und jene, die sich so äußern, haben durchaus Gewicht. Zu ihnen gehört der ehemalige Mossad-Chef Meir Dagan.
Dass es derzeit noch keine klare Antwort gibt ist Teil einer Strategie, die in Israel jeder leicht begreift: Die Drohung soll Teheran zur Vernunft bringen; aber sie kann nur dann wirksam sein, wenn sie wirklich als ernsthafte Option auf dem Tisch liegt.
Fest steht indes: Netanjahu bräuchte keinen militärischen Erfolg im Iran, um mögliche vorgezogene Wahlen zu gewinnen, von denen in jüngster Zeit immer öfter die Rede ist. Denn schon jetzt ist er quasi unumstritten
Doch Netanjahu hat noch eine andere Seite. Netanjahu sei ein Vollblut-Politiker und vermeide als solcher riskante Entscheidungen, nicht nur in Sachen Frieden, sondern auch was Krieg betreffe. Ein Krieg gegen den Iran aber wäre schon aufgrund der Stärke des iranischen Militärs eine hochriskante Operation, die Netanjahu auch seine Wiederwahl kosten könnte.
Netanjahu wird also abwarten. Das sehen auch Beobachter so: „Beide Seiten spielen auf Zeit. Die Iraner, um ihr Atomprogramm voranzutreiben und Israel, das auf einen Regime-Wechsel hofft“, sagt ein ehemaliger hochrangiger Sicherheitsoffizier. Was ja in diesen Zeiten in der Region nicht ganz illusionär ist.
Der deutsche SPD-Chef Sigmar Gabriel jedenfalls hatte einen ähnlichen Eindruck, als er am Montag seinen zweitägigen Israel-Besuch bilanzierte: Nun habe er „nicht mehr den Eindruck, dass ein bewaffneter Konflikt mit dem Iran unmittelbar bevorsteht“, sagte er. In den deutschen Medien werde das anders beschrieben.