Israel: Medien Wunsch und Wirklichkeit

Die Medien hatten bereits den Neuling in der Politik Benny Gantz als Sieger der Wahlen 2019 erklärt. Er hat auch schon eine Rede gehalten und dann kam die Überraschung, nicht er sondern Benjamin Netanjahu ist der eigentliche Sieger.

Die offene Frage ist, ob Netanjahu eine grosse Koalition oder mit den kleinen Parteien eine Mehrheit bilden will. Gemeinsam mit möglichen Koalitionspartnern könnte das rechte Lager rund 65 der 120 Knesset-Sitze erhalten. Obwohl die Likud-Partei Netanjahus mit 35 Mandaten genauso viele Sitze errang wie sein Rivale Gantz (nach Auszählung von 97 Prozent der Stimmen), wird der Wahlerfolg rechter Satellitenparteien es dem amtierenden Premierminister erlauben, viel einfacher und schneller eine Koalition zu bilden. Sein Block rechter Parteien errang 65 Sitze, Gantz hat nur 55 Parlamentarier hinter sich.  mehr Informationen

Netanyahu hat 26,3 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen hat. Das ist das zweitbeste Resultat des Likud seit 2003. Unmittelbar hinter dem Likud folgen mit 26,0 Prozent der Stimmen die Blau-Weissen von Benny Gantz und Yair Lapid. Nur rund 14 000 Stimmen trennen die beiden Bestplatzierten, Blau-Weiss wird vermutlich ebenfalls auf 35 Knessetsitze kommen.

Entscheidend aber sind die Resultate der übrigen Parteien, und hier zeigt sich ein klares Übergewicht der Rechten und der Ultraorthodoxen. Sie konnten gesamthaft 5 Parteien in die Knesset bringen, 30 Mandate erobern und dürften Netanyahu damit eine solide Mehrheit von 65 Sitzen in der 120-köpfigen Knesset beschert haben. Die Religiösen, Shas und das Vereinigte Tora-Judentum, erreichten je 8 Sitze. Unser Zuhause Israel von Avigdor Lieberman, für die viele russische Einwanderer stimmen, kam auf 5 Mandate, ebenso die nationalistische Rechtsunion. Die Kulanu-Partei von Moshe Kahlon kam auf 4 Sitze.

Linke, Liberale und Araber haben einen schweren Stand. Vier Parteien schafften den Einzug ins Parlament, doch sie kommen zusammen nur auf 20 Sitze.

Ein Desaster erlebte die Awoda, die Arbeitspartei mit stolzer zionistischer Tradition. Sie kam gerade noch auf 4,5 Prozent beziehungsweise 6 Sitze. Das ist das schlechteste Resultat in der 71-jährigen Parteigeschichte. Auf 4 Sitze kam die etwas radikalere linke Meretz-Partei.   mehr Informationen

Derzeit müssen nach Angaben der Nachrichtenseite „ynet“ noch rund 200’000 Stimmen von Soldaten, Diplomaten, Häftlingen, Matrosen sowie Patienten in Spitälern ausgezählt werden. Das Endergebnis werde am Donnerstagabend oder Freitagmorgen vorliegen.

Gantz wollte sich am Mittwoch noch nicht geschlagen geben. Er schrieb nach Medienberichten Mitstreitern aus seiner Partei: „Es zeichnen sich zwar dunkle Wolken ab, aber nichts ist endgültig, Bewegungen sind noch möglich, und wir können noch politische Vorstösse unternehmen.“

Bis zum 23. April muss Präsident Rivlin entscheiden, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Dies dürfte jedoch früher geschehen. Für diesen Tag ist die feierliche Eröffnungssitzung der 21. Knesset geplant.

Bis Ende Mai wird erwartet, dass die neuen Koalitionspartner ihren Vertrag unterzeichnen. Damit könnte bis Anfang Juni eine neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen.

Rechnerisch möglich wäre nach den Ergebnissen auch eine grosse Koalition von Likud und Blau-Weiss. Allerdings hatten sowohl Netanjahu als auch Gantz im Wahlkampf gesagt, sie würden nicht mit dem jeweils anderen in einer Regierung sitzen wollen. mehr Informationen

13.41 Uhr: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz gratuliert dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu demonstrativ vor offiziellem Ergebnis zum Wahlerfolg.

Österreichs Bundeskanzler hat Benjamin Netanjahu zu dessen Abschneiden bei der Parlamentswahl gratuliert. „Obwohl das offizielle Ergebnis noch nicht veröffentlicht wurde, ist eine Sache klar: Sie haben – einmal mehr – das Vertrauen der Menschen in Rekordzahlen gewonnen“, schrieb Kurz weiter bei Twitter. Er freue sich darauf, „zum Wohle der Menschen in Israel und der Menschen in Österreich“ mit Netanjahu zusammenzuarbeiten.  mehr Informationen

Netanjahu: „Ich glaube, dass Gott und die Geschichte dem jüdischen Volk eine weitere Gelegenheit gegeben haben, aus ihrem Land eine Nation zu machen, und dafür arbeite ich …“  mehr Informationen

Während des gesamten Wahlkampfes sah sich Blau Weiß als der sichere Sieger der Wahlen. Im Unterschied zu den letzten Wahlen hielt diese Siegessicherheit auch nach den ersten Hochrechnung der drei israelischen TV-Sender an, die außer dem Kanal 13 der Blau Weiß – Liste einen leichten Vorsprung auf den Likud vorhersagten. Beim Kanal 12 wurde ihnen sogar ganze 37 Mandate versprochen, gegenüber 33 Mandaten für den Likud. Im Lager von Blau Weiß begannen die Siegesfeiern. Benny Gantz wurde als der nächste Ministerpräsident Israels ausgerufen.In den Räumen des Likuds war es noch relativ leer, als Benny Gantz unter tobenden Beifall zusammen mit seinen Mitstreitern, den ehemaligen Generalstabschefs Moshe Jaalon und Gabi Ashkenazi sowie dem früheren TV-Moderator Yair Labid die Bühne betrat.

„Ich werde der Ministerpräsident von allen sein“, sagte er unter tosendem Beifall seiner Anhänger. Zuvor dankte er Benjamin Netanjahu für seine Dienste für den Staat Israel, trotz der Meinungsverschiedenheiten, die es gegeben hätte. „Wir respektieren den Willen der Wähler und als größte Fraktion müssen wir die nächste Regierung bilden“, fuhr er fort.

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letztes Update 12.4.19,  12 Uhr

Die elf ins Parlament gewählten Parteien im Überblick

(Nach der neuesten Zählung – noch kein offizielles Ergebnis)

  • Likud: 36 Sitze; Gründung 1973; ehemalige Premierminister Menachem Begin, Jitzchak Schamir, Ariel Scharon; prominenter Kandidat Benjamin Netanjahu; säkulare und konservative Regierungspartei seit 2009; als neuer Regierungschef sprach sich Netanjahu damals für eine Zwei-Staaten-Lösung aus, im Wahlkampf 2019 für eine Annexion jüdischer Siedlungen.
  • Blau-Weiß: 35 Sitze; Zusammenschluss aus Jesch Atid, der Widerstandskraft für Israel und Telem; Gründung Februar 2019; prominente Kandidaten Benny Gantz und Jair Lapid; zionistische Partei, die in der politischen Mitte zu verorten ist; will Schabbat-Regulierungen lockern.
  • Schass: 8 Sitze; Gründung 1984 als „Schomrei Sfarad“, die „Sefardischen Gründer“, durch ultra-orthodoxe sefardische Juden, die sich von der aschkenasischen Mehrheit benachteilt fühlten; prominente Kandidaten Arje Deri, Jitzchak Peretz; geistlicher Führer Rabbiner Ovadja Josef; setzt sich für soziale Gerechtigkeit ein und will das Ansehen der historischen sefardischen Gemeinschaft wiederbeleben; für Frieden mit den arabischen Staaten, solange die Sicherheit Israels gewährleistet ist.
  • Vereinigtes Tora-Judentum: 7 Sitze, Gründung 1992; prominente Kandidaten Ja’akov Litzman, Mosche Gafni; Zusammenschluss der ultra-orthodoxen Parteien Agudat Israel und Degel HaTora; vertritt die Interessen der ultra-orthodoxen Gemeinschaft in Israel.
  • Hadasch-Ta’al: 6 Sitze; Gründung Februar 2019; Zusammenschluss der sozialistischen arabisch-jüdischen Hadasch und der nationalistischen Ta’al; prominente Kandidaten Ajman Odeh und Ahmad Tibi; Ziel, die arabischen Parteien zu vereinen.
  • Avoda: 6 Sitze, Gründung 1968; ehemalige Premierminister Levi Eschkol, Golda Meir, Jitzchak Rabin, Schimon Peres, Ehud Barak; prominente Kandidaten Avi Gabbay, Amir Peretz; die Arbeitspartei vertrat zionistisch-sozialistische Positionen, entwickelte sich aber in Richtung Sozialdemokratie; setzt sich für Verhandlungen mit den Palästinensern und für die Gründung eines palästinensischen Staates ein.
  • Israel Beiteinu: 5 Sitze; Gründung 1999; prominenter Kandidat Avigdor Lieberman; säkulare Partei, die sicherheits- und außenpolitische Positionen aus dem rechten Flügel vertritt. Fordert Bevölkerungsaustausch mit den Palästinensern und spricht sich für zwei ethnisch homogene Staaten aus. Hauptsächlich Wähler mit russischem Hintergrund.
  • Kulanu: 5 Sitze; Gründung 2014; prominenter Kandidat Mosche Kachlon (ehemals Likud-Minister); Hauptthemen: ein „besseres Leben für alle Bürger Israels“, niedrigere Lebenshaltungskosten, weniger Korruption und mehr soziale Gerechtigkeit.
  • Union Rechter Parteien: 4 Sitze; Gründung Februar 2019; Zusammenschluss von HaBait HaJehudi, T’kuma und Otzma Jehudit, um Stimmen aus dem rechten Lager zu bündeln; prominente Kandidaten Rafi Peretz, Bezalel Smotrich, Michael Ben Ari; will die Gemeinschaft der nationalreligiösen Juden repräsentieren, spricht sich für eine Annexion des Westjordanlandes aus, dabei sollen Nichtjuden in diesem Gebiet vorerst kein Wahlrecht haben.
  • Ra’am-Balad: 4 Sitze; Gründung Februar 2019; prominenter Kandidat Mansur Abbas; Zusammenschluss der arabischen Parteien Ra’am und Balad: Letztere setzt sich für die Rechte der Araber ein, Ra’am ist eine islamistische Partei. Beide Parteien unterstützen die Gründung eines palästinensischen Staates mit Ostjerusalem als Hauptstadt, sind für ein Ende der Besatzung und die Aufgabe der Siedlungen; Balad befürwortet die Trennung von Religion und Staat in Israel.
  • Meretz: 4 Sitze; Gründung 1992; prominente Kandidatin Tamar Sandberg; zionistische Partei am linken Rand; Themen: soziale Gerechtigkeit, gleiche Rechte für israelische Araber, Zwei-Staaten-Lösung, Aufgabe der Siedlungen und Ende der Besatzung; definiert sich als sozialdemokratisch und unterstützt die Ausweitung des Sozialstaates. mehr Informationen

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