Der arabische Frühling brachte Hoffnung in den Nahen Osten. Nacheinander wurden die Diktatoren gestürzt: Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien, Hosni Mubarak in Ägypten, Muammar al-Gaddafi in Libyen. Doch nun ist Ernüchterung eingekehrt. Libyen zerfällt in seine Stammesgebiete. Ägypten vollzog die Rolle rückwärts in alte Machtmuster. In Tunesien enttäuschte zunächst die islamistische Regierung. Immerhin gibt es seit Januar mit der neuen Verfassung und den anstehenden Neuwahlen Grund zur Hoffnung.
Katastrophal ist dagegen die Lage in Syrien und im Irak. Die beiden Nationen zerbrechen in ihre ethnischen und religiösen Gruppierungen. Schiiten, Sunniten und Drusen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Al-Qaida hat in den Bürgerkriegswirren neue Wirkfelder gefunden. Schier aussichtslos ist die Situation für die religiösen Minderheiten wie den Christen in Syrien und im Irak.
Die politische Lage im Nahen und Mittleren Osten sowie ihre Auswirkungen auf Israel waren am Montag Thema einer Debatte in Berlin mit Dan Schueftan, dem Direktor des Zentrums für Nationale Sicherheitsfragen an der Universität Haifa, und Berater der israelischen Regierung.
Schueftan zeichnet ein düsteres Bild. Staaten wie der Irak, Syrien, Libyen, der Sudan und der Jemen würden auf lange Sicht zerbrechen. Es zeige sich, dass die meisten arabischen Staaten keine natürlich gewachsenen Nationen im westlichen Sinne seien, sondern vielmehr künstliche politische Gebilde. Diese würden wieder aufbrechen und die alten Stammes- und Regionalstrukturen in den Vordergrund rücken.
Iran sei dagegen ein anders gelagerter Fall. Die persische Kultur unterscheide sich erheblich von der arabischen. Die Gesellschaft sei gefestigt. Er sieht das Problem in der iranischen Elite und nicht in der iranischen Kultur oder der dortigen Gesellschaftsstrukturen.
In Israel sei man Krisen und Kriege gewöhnt und habe gelernt damit umzugehen. Nach Schueftan stellt die unsichere Lage im Nahen Osten sogar einen sicherheitspolitischen Vorteil für Israel dar. Denn panarabische Bündnisse gegen Israel seien heute höchst unwahrscheinlich. Denn die arabischen Nationen seien untereinander zerstritten.