6.10.23 Sittenpolizei prügelt erneut junge Frau ins Koma
Letzten Sonntag, 1.10.23, wurde eine 16-jährige Studentin namens Armita Geravand in das iranische Militärkrankenhaus „al-Fajr“ eingeliefert, nachdem sie sich am Bahnhof Shahada in Teheran Kopfverletzungen zugezogen und das Bewusstsein verloren hatte. Laut Quellen innerhalb der iranischen Opposition wurde sie wie Mehsa Amini von Mitgliedern der iranischen „Moralpolizei“ angegriffen, weil sie ihren Kopf nicht mit einem Hijab bedeckte. Anschließend wurde Armita unter strengen Sicherheitsmaßnahmen in das Krankenhaus der iranischen Luftwaffe in Teheran eingeliefert und liegt nun im Koma. Menschenrechtsorganisationen haben berichtet, dass die Behörden die Mobiltelefone von Armitas Familienmitgliedern beschlagnahmt und sogar ihre Eltern festgenommen haben. Offiziell behaupten die Behörden, Armita sei „aufgrund eines Blutdruckabfalls ohnmächtig geworden“. Auch Armitas Mutter stimmte dieser offiziellen Version zu. In der Praxis scheint es, dass das Regime zutiefst beunruhigt ist über den eskalierenden Vorfall, der in den sozialen Medien an Bedeutung gewinnt, und dass es alle möglichen Maßnahmen ergreift, um eine Wiederholung der Proteste vom letzten Jahr zu verhindern. Soweit man weiss, ist Armita noch am Leben. Im Krankenhaus wird sie von Sicherheitskräften überwacht.
31.7.23 Bei einer Welle von Razzien durch iranische Sicherheitskräfte wurden mehr als fünfzig christliche Konvertiten verhaftet, nach Angaben lokaler Interessengruppen könnten es bis zu siebzig sein. «Es ist nicht klar, was das Motiv für diesen plötzlichen Anstieg der Verhaftungen von Christen ist», sagte Henrietta Blyth, Geschäftsführerin des Hilfswerks Open Doors, das sich gegen die Verfolgung von Christen einsetzt. «Dies scheint Teil eines umfassenderen Vorgehens gegen die bürgerlichen Freiheiten zu sein». «Christliche Konvertiten werden in der Regel wegen staatsfeindlicher Propaganda oder Mitgliedschaft in illegalen Gruppen angeklagt, die als ’staatsfeindlich‘ gelten. Diese Anklagen können zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe führen.»
2.5.23 Nach 44 Jahren wackelt die Terrorherrschaft der Theokraten in der Islamischen Republik Iran wie nie zuvor. „Frau – Leben – Freiheit“ steht auf Englisch und Kurdisch auf einem Plakat. Unter dem Slogan formieren sich auch Teile der Opposition.
Das Mullahregime verfolgt verschiedene Strategien, um Opposition und Kritik zu ersticken. Diese stammen zum einen aus dem Methodenkoffer erfolgreicher Diktaturen: Vom ersten Tag an schränkte die Regierung unter Revolutionsführer Ruhollah Chomeini die Rechte der Menschen noch weiter ein, als es unter der Schah-Diktatur der Fall gewesen war. Die Abwesenheit von Presse-, Rede-, Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit bei drakonischen Strafen zeigte Wirkung.
Zum anderen setzte die Islamische Republik eine Mischung aus Bedrohung, Beschwichtigung und Maskerade ein, um Kritiker zu täuschen. Dazu gehört das Märchen von den iranischen „Hardlinern“ und „Reformern“, deren Konkurrenz um die Regierung demokratische Prozesse vorgaukelte. Dabei haben sämtliche Reformpräsidenten zusammen keine einzige ernstzunehmende Reform zustande gebracht.
Kürzlich haben sich einige prominente Exiliraner zur „Allianz für Demokratie und Freiheit im Iran“ zusammengeschlossen. Es ist das erste Mal, dass eine Gruppe mit beträchtlicher Anhängerschaft und klarem Bekenntnis zu demokratischen Werten so geschlossen auftritt. Vertreter des offenen Netzwerks trafen sich am 10. Februar im „Georgetown Institut für Frauen, Frieden und Sicherheit“ in Washington DC. Unter dem Titel „Die Zukunft der iranischen Demokratiebewegung“ stellten sie sich den Fragen der Presse. Vier Männer und vier Frauen bilden den Kern der Gruppe.
Die Allianz hat in einer Charta („Mahsa-Charta“) ihre vorrangigen Ziele formuliert und lädt jeden ein, sich diesen anzuschließen. Unter anderem fordert sie:
- Isolation der derzeitigen iranischen Regierung und Ausweisung iranischer Botschafter
- Referendum zur Bestimmung der neuen Regierungsform
- Trennung von Staat und Religion
- Wahrung der territorialen Integrität
- Dezentralisierung der Macht
- Umsetzung der allgemeinen Menschenrechte
- Abschaffung von Todesstrafe und Körperstrafen
- Beseitigung der Diskriminierung der Frau
- Einführung von Arbeitnehmerrechten wie Streikrecht und Mindestlohngarantien
- Abschaffung der Revolutionsgarde
- Friedliche Beziehungen zu allen Ländern der Welt
- Beitritt zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit
Es ist unklar, ob die Mehrheit eine Demokratie oder eine konstitutionelle Monarchie befürwortet. Strukturen zur Bürgerbeteiligung wie Parteien, Vereine und andere demokratische Institutionen fehlen im Iran komplett. Die Anhängerschaft für eine Wiederbelebung der Schah-Dynastie ist groß. Viele Jüngere kennen nur die Bilder von wirtschaftlicher Blüte und Religionsfreiheit und glorifizieren deswegen den Schah. Die brutale Unterdrückung politischer Opposition und Meinungsfreiheit unter dessen Herrschaft blenden sie aus.
Das erste Land, das Reza Pahlavi (ein Kernmitglied und ältester Sohn des letzten iranischen Schahs Mohammad Reza Pahlavi) offiziell einlud, war Israel. Sowohl Präsident Jitzchak Herzog als auch Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) als auch Geheimdienstchefin Gila Gamliel (Likud) empfingen den „Oppositionsführer“. Pahlavi beteiligte sich am Holocaustgedenken zum Jom HaScho’ah, besuchte die Klagemauer und übermittelte eine „Botschaft des Friedens und der Freundschaft“.
15.4.23 Im Iran setzt die Polizei den Kopftuchzwang ab sofort mithilfe von Videoüberwachung durch. Wer gegen die Kleidungsvorschriften verstosse, erhalte eine Warnung per Textnachricht, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim am Samstag, 15.4.23. Die Kamerasoftware mache keine Fehler, hiess es unter Berufung auf die Polizei.
Angesichts des anhaltenden Widerstands gegen die Verhüllungsvorschriften für Frauen in Iran verschärft das Mullah-Regime noch einmal die bestehenden Gesetze zur Einhaltung der Kopftuchpflicht: Künftig sollen bereits auch all jene Menschen bestraft werden, die Frauen ermutigen, ihr Kopftuch abzulegen, zitierte die halbstaatliche Nachrichtenagentur Mehr den stellvertretenden Generalstaatsanwalt Ali Dschamadi am Samstag.
»Die Strafe für das Verbrechen, andere zu ermutigen, den Hidschab abzulegen, ist härter als die Strafe für das Verbrechen an sich, den Hidschab abzunehmen«, sagte Dschamadi, denn es zeige »eindeutig die Förderung von Korruption«. Was genau den Tatbestand zur Ermutigung erfüllt und wie hoch das Vergehen bestraft werden soll, ist noch nicht bekannt.
Die Uno-Experten erinnerten daran, dass bereits nach der aktuellen Fassung des iranischen islamischen Strafgesetzbuchs jede Handlung, die als »anstößig« gilt, mit zehn Tagen bis zwei Monaten Gefängnis oder 74 Peitschenhieben bestraft werde. Frauen, die in der Öffentlichkeit ohne Hidschab gesehen werden, könnten zu einer Haftstrafe zwischen zehn Tagen und zwei Monaten oder einer Geldstrafe verurteilt werden. Das Gesetz gilt für Mädchen im Alter von neun Jahren, dem Mindestalter für die Strafmündigkeit von Mädchen in Iran. In der Praxis gelte die Verschleierungspflicht jedoch bereits für Mädchen ab dem siebten Lebensjahr.
Nach der 1979 im Zuge der islamischen Revolution eingeführten Scharia sind Frauen verpflichtet, ihr Haar zu bedecken und lange, locker sitzende Kleidung zu tragen, um ihre Figur zu verbergen. Wer dagegen verstößt, muss mit Geldstrafen oder Verhaftung rechnen. mehr Informationen
1.4.23 Der Iran droht Frauen, die sich in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch zeigen, mit gnadenloser Verfolgung. „Die Abnahme des Schleiers ist gleichbedeutend mit Feindseligkeit gegenüber (unseren) Werten„, erklärte der Justizchef der Islamischen Republik, Gholamhossein Mohseni Edschei, nach Berichten mehrere iranischer Medien vom Samstag. Diejenigen, „die solche anomalen Handlungen begehen, werden bestraft“ und „ohne Gnade verfolgt„. Edschei ließ offen, mit welchen Strafen die Frauen zu rechnen haben.
Erst am Samstag teilte die Justiz mit, sie habe die Verhaftung zweier Frauen angeordnet, nachdem sie mutmaßlich von einem Mann wegen einer fehlenden Kopfbedeckung angegriffen wurden. Gegen den Mann sei wegen „Beleidigung und Störung der Ordnung“ ein Haftbefehl ergangen. Gegen die zwei Frauen seien Haftbefehle erlassen worden, weil sie durch das Abnehmen ihrer Kopftücher eine „verbotene Handlung“ begangen hätten, erklärte die Justiz auf ihrer Website „Misan Online“.
Das Innenministerium hatte bereits am Donnerstag erklärt, das Kopftuch sei «eines der zivilisatorischen Fundamente der iranischen Nation». Es forderte die Menschen auf, Frauen ohne Kopftuch zur Rede zu stellen. Laut «Reuters» wurden durch solche Mitteilungen Hardliner in der Vergangenheit dazu ermutigt, Frauen straffrei anzugreifen.
Nach der 1979 eingeführten islamischen Scharia sind Frauen verpflichtet, ihr Haar zu bedecken und lange, locker sitzende Kleidung zu tragen, um ihre Figur zu verbergen. Wer dagegen verstößt, muss mit Geldstrafen oder Verhaftung rechnen.
2.3.23 An Mädchenschulen im Iran sind Hunderte neue Fälle ungeklärter Vergiftungen gemeldet worden. Wie die iranische Zeitung «Shargh» am Donnerstag berichtete, sind allein in der nordiranischen Stadt Ardabil mehr als 400 Schülerinnen an elf Schulen betroffen. Bisher wurden schon mehr als 800 Vergiftungsfälle an über 30 Schulen in verschiedenen Städten gemeldet.
Die ersten Fälle wurden bereits Ende November gemeldet, als die Proteste im Iran im vollen Gange waren. Waren zunächst nur einige Mädchenschulen in der schiitischen Hochburg Ghom betroffen, wurden in den vergangenen Tagen immer mehr Fälle in anderen Landesteilen bekannt. Viele Mädchen wurden in Krankenhäuser eingeliefert. Nun erreichte die Vergiftungswelle auch die Hauptstadt Teheran.
28.2.23 Angeblich mit einem Gas haben Extremisten in Iran Mädchen von Schulen verjagt. Nach einer Vergiftungswelle an Mädchenschulen in mehreren iranischen Städten gehen die Behörden mittlerweile von kriminellen Akten aus. Nach ersten Fällen in der religiösen Hochburg Ghom im November klagten Oberstufenschülerinnen unter anderem in Teheran, Isfahan, Ardabil und Sari über Übelkeit, Kopfschmerzen, Husten, Atembeschwerden, Herzrasen und Gefühllosigkeit in Händen und Beinen. Auch Fälle von Bewusstlosigkeit und Hospitalisierungen soll es gegeben haben. Laut den Gesundheitsbehörden könnte eine neue bisher unbekannte extremistische Gruppe hinter den Angriffen stecken, welche Mädchen von der Bildung fernhalten will. Darauf jedenfalls deutet ein einschlägiges Bekennerschreiben hin. In den Medien kursierten Gerüchte über eine taliban-ähnliche Zelle, die ihr Unwesen treibe. Darüber, ob die Vergiftungsfälle mit den Frauenprotesten nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini Mitte September zu tun haben könnten, lässt sich nur spekulieren. mehr Informationen
Sie kontrollieren Augenbrauen und Tagebücher und nennen das Erziehung. Bis zur Universität werden die Mädchen und Jungen in Iran getrennt unterrichtet. Obwohl es in der Mädchenschule keinen Mann gibt, müssen die Schülerinnen sich komplett bedecken. Schmuck und Accessoires sind nicht erlaubt, ebenso Nagellack. Beim morgendlichen Ritual und während die Schülerinnen in Reihe stehen, kontrollieren die Ordnerinnen vor allem ihr Aussehen. Hat eine Schülerin ein buntes Bändchen am Handgelenk, wird es ihr weggenommen. Besonders prüfen die Ordnerinnen, ob die Mädchen sich verbotenerweise die Augenbrauen gezupft haben. Minutenlang starrt eine Ordnerin auf die Gesichter, um zu überprüfen, ob alle Gesichtshaare noch da sind. Und wenn nicht, dann gibt es Suspendierung von der Schule: drei Tage, eine Woche oder bis die Augenbrauen wieder gewachsen sind. mehr Informationen
1.2.23 Ein Paar tanzt vor einem iranischen Wahrzeichen, die Frau ohne Kopftuch. Die Konsequenz: Die beiden müssen jahrelang ins Gefängnis. Ein iranisches Gericht hat nach Angaben einer Menschenrechtsgruppe ein junges Paar zu jeweils mehr als zehn Jahren Haft verurteilt, weil sie ein Tanzvideo gedreht und im Internet veröffentlicht hatten. Astijash Haghighi und ihr Verlobter Amir Mohammad Ahmadi waren Anfang November festgenommen und wegen „Förderung von Korruption und öffentlicher Prostitution“ sowie „Versammlung mit dem Ziel, die nationale Sicherheit zu stören“ zu jeweils zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden.
Knochenbrüche, Peitschenhiebe, psychische Gewalt: Ehemalige iranische Häftlinge und ein geflohener Gefängniswärter berichten NDR, WDR und SZ, wie brutal das Regime im Iran gegen inhaftierte Demonstranten vorgeht.
30.1.23 Im Iran wurde ein neues Gesetz erarbeitet. Dieses sieht bis zu 15 Jahre Haft vor, wenn Kritiker falsche Aussagen machen. Wie die iranische Zeitung «Etemad» am Montag berichtete, sieht ein Gesetzesentwurf schwere Strafen für falsche Äusserungen vor. Wer entscheiden soll, was künftig als falsch und richtig gilt, blieb unklar. Bereits im Dezember hatten Abgeordnete des Parlaments (Madschles) ein neues Gesetz gegen «Fake News» angekündigt.
16.1.23 Bei den landesweiten Protesten im Iran geht es um weit mehr als um ein Stück Stoff. Nicht umsonst lautet die Parole der Bewegung „Zan, Zendegi, Azadi“, also Frau, Leben, Freiheit.
Die Iraner leben seit 43 Jahren unter extremen Bedingungen, die für uns in Europa unvorstellbar wären. Eine kleine Auswahl der schockierendsten Regeln:
Wird eine unverheiratete Frau oder ein Mädchen zum Tode verurteilt, wird sie vor der Hinrichtung zwangsverheiratet und vergewaltigt. Das ist im Mullah-Regime vorgeschrieben, weil die Tötung einer Jungfrau als Sünde gilt.
Ein Mann darf seine Ehefrau schlagen und vergewaltigen. Eine Scheidung ist fast nur mit seiner Zustimmung möglich. Männer bekommen automatisch das Sorgerecht für ihre Kinder. Ist ein verlassener Mann in seiner Eitelkeit gekränkt und behauptet, seine Frau hätte ihn betrogen, droht ihr die Todesstrafe durch Steinigung.
Vor Gericht wiegt die Aussage eines Mannes doppelt so viel wie die einer Frau. Steht Aussage gegen Aussage, wird automatisch dem Mann geglaubt. Es braucht zumindest zwei Frauen, um der Aussage eines Mannes zu widersprechen.
Iraner dürfen tatsächlich keine Hunde halten. Werden sie mit einem Hund erwischt, drohen Geldbußen bis hin zu Peitschenhieben. Der Hund wird getötet. Trotzdem floriert der Schwarzmarkt mit Hunden – nur können sie nie Gassi geführt werden.
Frauen ist es verboten in der Öffentlichkeit zu tanzen oder zu singen. Ähnlich wie beim Kopftuch wird das damit argumentiert, dass dies Männer zu sehr erregen könnte.
Mehr als 4000 Homosexuelle wurden seit Beginn des Mullah-Regimes im Iran hingerichtet.
Frauen ist es in der Regel verboten, bei Fußballspielen oder anderen Sportereignissen als Zuschauerin teilzunehmen.
Alleinstehende Frauen dürfen nicht in einem Hotel einchecken.
Der Iran wurde im Frühjahr in die UN-Kommission für Frauenrechte gewählt. mehr Informationen
4.12.22 Elnaz Rekabi geht ohne Kopftuch an die Kletterwand und sorgt damit für Aufsehen. Ihr Auftritt bei den Asien-Meisterschaften im Oktober wird als Beteiligung an den Protesten in ihrer Heimat gewertet. Eine der Konsequenzen offenbar: Das Haus der Familie wird zerstört. Das berichtet das pro-reformatorische Nachrichtenportal „Iran Wire“. Laut „Iran Wire“ haben das Nationale Olympische Komitee sowie der Sportminister der Athletin gedroht, dass „das Land ihrer Familie beschlagnahmt wird, wenn sie das Land verlässt, den Medien Interviews gibt oder sensible Aktivitäten auf ihren sozialen Seiten startet„, so eine Quelle gegenüber dem Portal. Schon vor ihrer Abreise nach Seoul habe sie dem iranischen Kletterverband einen Scheck in Höhe von 35.000 Dollar überreichen und eine Vollmacht zum Verkauf des Familienbesitzes erteilen müssen, um zu garantieren, dass sie in den Iran zurückkehren würde.
An diesem Sonntag wurde die Sittenpolizei offiziell von der Generalstaatsanwaltschaft aufgelöst, doch Experten vermuten, dass sich nichts an den Verhältnissen und dem harten Durchgreifen ändern wird. Die Auflösung der Sittenpolizei bedeute nicht zugleich das Ende des Kopftuchzwangs. mehr Informationen
4.11.22 Tränengas liegt in der Luft, Schüsse sind zu hören und über den Köpfen der Demonstranten kreist ein Helikopter: Nahe der Hauptstadt Teheran sind Proteste gegen den autoritären Regierungskurs erneut in Gewalt umgeschlagen.
«Wir waren ja bei mehreren Protesten dabei, aber das hier spielt in einer anderen Liga», berichtete ein Augenzeuge in der Stadt Karadsch, westlich von Teheran.
Menschenmassen strömten auf die Strassen – mehrheitlich waren es Frauen. Immer wieder waren Rufe wie «wir kämpfen, wir sterben, wir ertragen keine Erniedrigung» zu hören, wie Augenzeugen berichteten. Sicherheitskräfte sollen auf die Demonstranten geschossen haben.
Einige setzten sich zur Wehr. «Irgendwie hatte keiner Angst», sagte ein weiterer Mann am Rande der Proteste. «Die Augen der Leute waren voller Hass, da war kein Platz mehr für Angst.»
Anlass der Proteste am Donnerstag war das Ende der vierzigtägigen Trauerzeit nach dem Tod der jungen Iranerin Hadis Nadschafi, die Berichten zufolge im September bei Protesten in Karadsch von Sicherheitskräften erschossen worden war. Die Behörden bestreiten dies.
Seit mehr als sechs Wochen reissen die Proteste im Iran nicht ab.
Auslöser der Massendemonstrationen war der Tod einer anderen jungen Frau, der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie Mitte September festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstossen haben soll. Sie starb dann in Polizeigewahrsam.
Seither gehen Zehntausende gegen die repressive Politik der Islamischen Republik auf die Strassen. Mehr als 280 Menschen wurden nach Angaben von Menschenrechtlern seither getötet, mehr als 14.000 verhaftet.
Die deutsche Bundesregierung hat deutsche Staatsbürger angesichts des gewaltsamen Vorgehens gegen die systemkritischen Proteste im Iran zur Ausreise aus dem Land aufgefordert. «Für deutsche Staatsangehörige besteht die konkrete Gefahr, willkürlich festgenommen, verhört und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden», hieß es am Donnerstag, 3.11.22 auf der Internetseite des Auswärtigen Amts in Berlin.
«Vor allem Doppelstaater, die neben der deutschen auch noch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, sind gefährdet», hieß es in der Mitteilung weiter.
Irans Oberster Religionsführer Ali Chamenei hatte die Proteste kürzlich als «hybriden Krieg» bezeichnet und auch «heimtückische und böswillige europäische Mächte» dafür verantwortlich gemacht.
Die überwiegend sunnitische Bevölkerung in Zahedan, der Hauptstadt der Provinz Belutschistan im Osten Irans, demonstriert weiterhin gegen das Ayatollah-Regime. Wie am vergangenen Freitag gibt es erneut Berichte über zivile Opfer, nachdem die Sicherheitskräfte des Regimes mit scharfer Munition auf die Demonstranten geschossen haben.
Neuer Trend seit dem 23. Oktober im Iran: „Knock the turban off“. Immer mehr Videos von iranischen Demonstranten, die ihre Wut auf die schiitischen Mullahs richten, die durch die Straßen des Iran gehen und ihnen die Turbane vom Kopf nehmen.
Das Entfernen der Turbane von Geistlichen hat sich zu einem Akt des Protests entwickelt, nachdem das Regime Hunderte unschuldiger Demonstranten getötet hatte, sagte der iranische Journalist Masih Alinejad in einem Tweet mit Videos der Taten. Unter Berufung auf ein Schulmädchen sagte sie weiter, sie nehmen die Turbane von Mullahs, um ihre Wut gegen sie zu zeigen, weil sie Mädchen enthaupten und hinrichten, die ihren „erzwungenen Hijab oder Islam“ ablehnen.