Das Schicksal einer zur Steinigung verurteilten Frau führte „Bild“-Reporter Marcus Hellwig in den Iran. Doch kritische Stimmen sind dort nicht gefragt. Und so fand er sich unversehens wegen Spionageverdachts im Gefängnis wieder. Seine Eindrücke hat er nun in dem Buch „Inschallah“ geschildert.
Alles fing mit dem beiläufigen Hinweis eines iranischen Bekannten an. Dieser erzählte Hellwig von dem Schicksal Sakineh Ashtianis, einer Frau, die im Iran zum Tode durch Steinigung verurteilt ist. Ehebruch habe sie begangen, und zudem ihren Mann ermordet. Ihre beiden Kinder wandten sich hilfesuchend an die Öffentlichkeit. Für sie stand die Unschuld ihrer Mutter fest, ebenso wie die Willkür iranischer Gerichte.
Ganz Reporter wollte Hellwig der Sache auf den Grund gehen. Er nahm Kontakt zu Menschenrechtlern auf, die für ihn ein Treffen mit dem Sohn der verurteilten Mutter arrangierten. „Eine ergebnisoffene Recherche mit ungefilterten Informationen konnte nur vor Ort stattfinden“, begründet Hellwig seine Reise nach Täbris im Norden Irans, wo Ashtiani inhaftiert war. Seinen Aufenthalt tarnte er als gewöhnliche Rundreise.
Doch die iranischen Behörden kamen ihm auf die Schliche. Gerade als er sich mit dem Sohn Ashtianis traf, stürmten Geheimdienstler ins Zimmer und nahmen Hellwig und seinen Fotograf, der ihn auf der Reise begleitete, mit. Zunächst ging es zur Passbehörde. Es hieß, man werde ihn bald wieder gehen lassen. Doch die versprochene Fahrt zum Flughafen entpuppt sich als Reise ins Gefängnis, oder wie Hellwig rückblickend sagen würde, in die „Hölle“.
Denn auch in einem „Gottesstaat“ wie dem Iran gibt es offenbar Orte der Gottesferne, und das Gefängnis ist einer davon. Hellwig jedenfalls kam mit dem Gefängnisaufenthalt an seine mentalen und körperlichen Grenzen. Interessant sind die Begegnungen mit den anderen Häftlingen und deren banale Haftursachen; einer von ihnen hat lediglich englischsprachige Netzseiten aufgerufen. „In diesem Land, verstehe ich allmählich, kann einfach alles gegen einen verwendet werden“, resümiert Hellwig.
Immer wieder bekommt Hellwig das Versprechen, „bald“ freigelassen zu werden, was sich jedoch stets aufs Neue als trügerisch herausstellt. Hellwig allerdings fängt erst gegen Ende seiner dann viermonatigen Haftzeit an, den Versprechen auch zu misstrauen.
Dramatisch ist es in der Tat, wie die iranische Justiz mit Inhaftierten umspringt, wie das Regime seine Kritiker mundtot macht, wie in dem „Gottesstaat“ moralischer Rigorismus überhandnimmt. Hellwigs und Ashtianis Schicksale stehen für Tausende Menschen, allen voran die Iraner selbst, für die Freiheit nicht zur Lebenswirklichkeit gehört. Es ist gut von Hellwig, mit seinem Schicksal auf viele andere Schicksale aufmerksam gemacht zu haben.
Nicht zuletzt wegen des öffentlichen Interesses und des Einsatzes der Diplomatie kam Hellwig am 19. Februar 2011 frei. Ashtianis Strafe wird dank öffentlicher Teilnahme in eine zehnjährige Haft umgewandelt wurde. Das ist immerhin etwas, wenn auch nicht genug. Ashtianis Schicksal, wie das vieler anderer zu Unrecht Inhaftierter und Verurteilter, verdienen weiterhin unsere Aufmerksamkeit.