Eine These des Historikers Johannes Fried in seinem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ sorgt zu Ostern 2019 für Aufsehen und massive Kritik.
Johannes Fried, ein renommierter Historiker, meint Jesus habe scheintot die Kreuzigung überlebt. Neu ist diese Theorie nicht. Er meint, der Lanzenstoß war in Wirklichkeit kein Todesstoß. Es sei eine Entlastungspunktion gewesen, die die Atemnot des noch lebenden Jesus linderte. Joseph von Arimathäa und Nikodemus hätten dafür gesorgt, dass Jesus gesund gepflegt wurde und in den Osten fliehen konnte.
Theologe Thomas Söding, Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum bezeichnet die Thesen von Johannes Fried gegenüber dem Kölner Domradio als „Unsinn“. Alle biblischen Quellen, aber auch andere antike Berichte gingen vom Tod des jüdischen Rabbis aus. Johannes Frieds Theorie sei „Nonsens“ und eine „luftige Konstruktion, die keiner wissenschaftlichen Prüfung standhält“.
Historiker Michael Hesemann hält den Kreuzestod Jesu für ein historisches Faktum. „Daran ändert auch die Steinbruch-Exegese des Historikerkollegen Fried nichts. Denn sich ein beliebiges Detail für eine medizinische Diagnose aus den Evangelien herauszusuchen, den Kontext aber zu ignorieren, gilt nicht. Entweder stimmt alles oder nichts.“
„Die Kreuzigung war im Römischen Reich eine Todesstrafe für Hochverräter. Die Römer setzten sie gerade in unruhigen Provinzen so exzessiv ein, dass sie sicher wussten, was sie taten. Nicht auszudenken, dass ein verurteilter Aufrührer seine Kreuzigung überleben, entkommen, den Mythos seiner Auferstehung verbreiten und dann vielleicht zuschlagen könnte. Zumal Jesus nach seiner Kreuzigung nicht einfach verschwand, sondern laut Paulus (1 Kor 15, 1-8) buchstäblich Hunderten Augenzeugen erschien, zuletzt auch ihm, dem Agenten des Sanhedrin.“
„Hätte Jesus die Kreuzigung tatsächlich überlebt, wäre er durch sie zumindest zum Krüppel geworden. Mit durchbohrten Füßen und Handgelenken – Nägel durch den Handteller hätten nie das Körpergewicht halten können – war er gewiss nicht in der Lage, gleich am übernächsten Tag den stundenlangen Fußmarsch nach Emmaus auf sich zu nehmen. Nägel durch das Handgelenk verletzen den Mediannerv, der die Daumenmotorik steuert. Ganz sicher hätte er auf absehbare Zeit weder Brot brechen noch Fische grillen können. All das aber schreiben ihm die Evangelisten für die Tage und Wochen unmittelbar nach seiner Kreuzigung zu. Eine Zeit für die Reha gab es nicht. So wäre die völlige Heilung Jesu nach drei Tagen ein kaum kleineres Wunder als seine Auferstehung von den Toten.
Doch wie will Fried erklären, dass selbst seine engsten Freunde und Verwandten Jesus zunächst nicht erkannten – weder Maria Magdalena, die ihn für einen Gärtner hielt, noch die Emmaus-Jünger. Wohin soll sich der Überlebende der Kreuzigung denn so sang- und klanglos abgesetzt haben? Nach Indien vielleicht, wie die muslimischen Ahmaddiya behaupten, deren Gründer seinen Stammbaum so gerne auf den Nazarener zurückgeführt hätte? Ganz sicher nicht!“
„Wer die Schilderungen der Evangelien ernst nimmt, begreift, dass Jesus schon bei Ankunft auf Golgota vor dem körperlichen Zusammenbruch stand. Pilatus hatte ihn nicht, wie vor Kreuzigungen Usus, nur sieben Mal mit der Geißelpeitsche schlagen lassen, sondern exzessiv gegeißelt, um der Masse entgegenzukommen. Danach war Jesus jedenfalls so geschwächt, dass er nicht mehr in der Lage war, den ca. 35 Kilo schweren Querbalken seines Kreuzes zur Hinrichtungsstätte zu tragen.
Nach Ansicht des amerikanischen Gerichtsmediziners Prof. Dr. Frederic Zugibe von der Columbia-Universität in New York weisen schon die Stürze auf einen hypovolämischen Schock, einen Kreiskollabs infolge der Geißelung hin, der zu einer langsamen Ansammlung von Lungenflüssigkeit, zu sog. Brustfellergüssen, führte. Der relativ schnelle Tod, so Zugibe, war Folge eines totalen Kreislaufzusammenbruchs, kombiniert mit Herz- und Atemstillstand aufgrund des allmählich aufgebauten Lungenödems. Diese Diagnose deckt sich exakt mit der auch von Fried als Beweis zitierten Beobachtung des Evangelisten Johannes (19,34).
Tatsächlich hatte die Lanze, die das Herz traf, zuvor die mit Flüssigkeit gefüllte Lunge durchbohrt. So ergossen sich Blut aus dem Herzvorhof und Lungenflüssigkeit (‘Wasser‘) aus der Lanzenwunde. Eine ‚Punktion der Pleura‘, wie sie Fried annimmt, wird mit einer feinen Nadel vorgenommen, nicht mit einer 3-4 Zentimeter breiten, tödlichen Waffe. Eine kleine Stichwunde kann sich sofort wieder schließen, bei der Lanzenwunde dagegen trat Luft in den Brustkorb ein und verursachte einen Lungenkollaps. Wäre der Gekreuzigte nicht bereits tot gewesen, er würde spätestens jetzt sterben, wenn das verletzte Herz die Lunge mit Blut füllt.“
Ein international bekannter Kritiker der Scheintod-Hypothese ist der US-Theologe und Philosoph Prof. Peter Kreeft, der am Boston College und am King’s College in New York City lehrte.
Das spricht laut Kreeft dagegen, dass Jesus die Kreuzigung überlebte:
- Die Römer wollten mit allen Mitteln ausschließen, dass irgendjemand die Kreuzigung überlebte. Das römische Gesetz sah sogar die Todesstrafe für jeden Soldaten vor, der einen zum Tode Verurteilten entkommen ließ. Und nicht zu vergessen: Die Hinrichtung erfolgte auf Geheiß des römischen Statthalters Pilatus.
- Die Tatsache, dass der römische Soldat die Beine von Jesus nicht gebrochen hat, wie er es bei den beiden anderen Gekreuzigten tat, spricht vielmehr dafür, dass der Soldat sich sicher war, dass Jesus tot war. Das Brechen der Beine beschleunigte den Tod der Gekreuzigten, sodass die Leiche vor dem Sabbat niedergerissen werden konnte.
- Der Apostel Johannes bestätigte als Augenzeuge, dass er Blut und Wasser aus dem durchbohrten Herzen Jesu fließen sah. Dies belege, dass die Lungen Jesu kollabiert waren und er bereits erstickt war. Ein Sachverhalt, der für Mediziner eigentlich wenige Zweifel aufwirft.
- Jesu Körper war vollständig mit Leichentüchern umhüllt und ziemlich bewegungsunfähig.
- Erst die von den Jüngern berichteten „glorreichen“ Erscheinungen überzeugten sie von der Auferstehung. Sogar den zweifelnden Thomas. Sollten die Jünger so von einem gerade aus der Ohnmacht erwachten medizinischen Notfall sprechen? Hätten sie wirklich einen halbtoten, schwankenden, verletzten, der gerade eine Flucht überstand, als „göttlichen Herr“ und „Sieger über den Tod“ verehrt?
- Wurden die römischen Wachen am Grab wirklich von einer halbtoten, schwankenden Gestalt überwältigt? Oder von unbewaffneten Jüngern?
- Wie konnte ein halbtoter Mann den großen Stein vor dem Eingang des Grabes bewegen? Laut den biblischen Berichten war dazu ein Engel nötig – was dafür spricht, dass der Stein ziemlich massiv war. Sowohl die Juden als auch die Römer hatten kein Interesse daran, dass dieser Stein weggerollt würde. Den römischen Soldaten hätte sogar die Todesstrafe gedroht, wenn sie den Körper hätten „entkommen“ lassen. Schließlich hatte eine Gruppe von Soldaten die Aufgabe, das Grab von Jesus zu bewachen – laut Evangelien auf Anordnung von Pilatus. Der jüdische hohe Rat hatte Angst, die Jünger könnten nach drei Tagen eine Auferstehung „faken“ – wie Jesus dies angekündigt hatte.
- Tatsächlich behaupteten auch die Juden, dass der Leichnam nicht mehr im Grab war. Sie bezichtigten die Jünger des Leichenraubs, als die römischen Soldaten eingeschlafen waren. Hätte man einen riesigen Stein so geräuschlos wegrollen können, ohne dass die Römer das mitgekriegt hätten? Und wären die römischen Soldaten wirklich so einfach eingeschlafen, wie dies die Juden behaupteten? Immerhin drohte ihnen beim Abhandenkommen der Leiche die Todesstrafe.
- Es gibt absolut keine Berichte über das Leben Jesu nach seiner Kreuzigung in irgendwelchen Quellen – egal ob von Freunden oder Feinden. Kreeft: „Ein Mann mit einer solchen Vergangenheit hätte Spuren hinterlassen.“ mehr Informationen