Heilung verhilft nicht unbedingt zu einem Leben mit Gott – das zeigt eine Begegnung von Jesus mit einem Kranken am Teich Betesda in Jerusalem auf. Heilung ist eine Manifestation von Gottes souveränem Erbarmen (Chesed). Gott kann seine Gnade auch im Leiden manifestieren.
Betesda (Beth Chesda) bedeutet: Haus der Gnade. Die Anlage Betesda besteht aus großen offenen Zisternen mit mehreren Säulenhallen. Es ist ein Ort, an dem es nicht so heiß ist und an dem man Leute trifft, die Wasser holen. So sitzen hier auch Bettler, die sich etwas von den Besuchern erhoffen. Durch ein Kanal-System gibt es verschiedene Becken mit unterschiedlicher Wasserqualität. Der Beiname „Schafteich“ zeigt an, dass das Wasser dieses Beckens auch zur Reinigung der für den Tempeldienst gebrauchten Schafe dient. Da gerade ein Fest stattfindet, herrscht hier Hochbetrieb.
Als einzigen Grund für die Heilung dieses Mannes nennt die Bibel das Erbarmen (Chesed) Jesu über einen Menschen, der 38 Jahre auf Heilung wartet. Der Mann glaubt an ein System, das ihm kein Heil bringt und für ihn unerreichbar ist. Es ist ein System, in dem nur der Starke gewinnt. In 5.Mose 2,14 steht, dass die Israeliten 38 Jahre in der Wüste warten mussten, bis die Menschen gestorben waren, die nicht glaubten, dass Gott sie ins verheißene Land bringen kann. Hier heilt Jesus einen Kranken, der wie Israel in der Wüste 38 Jahre auf seine Rettung gewartet hat. Jesus sagt mit der Heilung: „Ich bin der, der euch ins verheißene Reich Gottes führt. Das Warten ist vorbei.“
Diese Heilung ist auch ein Bild für die unverdiente Gnade und Gottes exemplarisches Handeln. Am Teich warten viele Kranke, doch Jesus heilt nur einen. Dieser Mann glaubt nicht einmal, dass Jesus der Messias und Retter ist. Auch nach der Heilung kommt er nicht zum Glauben. Ihm ist seine Gesundheit wichtiger als die Frage, wer ihn geheilt hat. Als der Geheilte Schwierigkeiten bekommt, weil die Pharisäer meinen, dass mit der Heilung das Schabbatgesetz gebrochen wurde, hinterfragt der Geheilte nicht das Glaubens-System, sondern rechtfertigt sich, indem er die Schuld auf den schiebt, der ihn geheilt hat. Dieses Muster ist in seinem Leben nicht neu: Schon vorher hatte er den Grund seiner Lebensmisere an den anderen Menschen festgemacht, weil sie ihm nicht geholfen haben. Er fragte Jesus auch nicht: „Kannst du mir helfen?“ Ganz unerwartet forderte Jesus ihn auf: „Steh auf, nimm deine Liege und geh!“ Das stand im totalen Gegensatz zu den Erwartungen dieses Mannes. Gott handelt manchmal anders, als wir es erwarten – manchmal auch, ohne dass wir ihn darum bitten.
Im Tempel sagt Jesus zu ihm, dass nicht die Heilung das Wesentliche ist, sondern ob er sich auf Gott ausrichtet. Dass es darauf ankommt, ob er seine von Gott gegebene Bestimmung lebt und nicht am Ziel vorbeischießt (Sünde). Doch der Mann zeigt Jesus bei den Schriftgelehrten an, anstatt sich ihm anzuvertrauen. Diese verurteilen und beschuldigen Jesus, weil er sich nicht an ihre Gesetze hält. Im Talmud steht: „Wenn Israel nur zweimal den Schabbat richtig einhalten würde, würden sie sofort erlöst werden“ (Schabbath 118b). Damit handelt Jesus umgekehrt, wie es die Pharisäer von einem Messias erwarten. Sie interessieren sich nicht für das Wunder, sondern nur für ihre Glaubensprinzipien.
Jesus hält dagegen, dass er nur tut, was sein Vater im Himmel auch tut. Denn Gott rettet durch seine Gnade jeden Tag. Es gibt kein Tag, an dem Gott nicht befreien würde. Er hilft sogar Menschen, die ihm dafür nicht danken oder ihn anerkennen.
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Werdet Kinder eures Vaters im Himmel; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ Matthäus 5,45 und in Lukas 14,5: „Wer von euch wird seinen Sohn oder seinen Ochsen, der in den Brunnen fällt, nicht sofort herausziehen, auch am Schabbat?“
Der Ausdruck „Mein Vater“ hinterfragt die Autorität der Schriftgelehrten, die Abraham als ihren Vater bekannten (Johannes 8,39). Jesus bekennt sich dazu, dass er in der Autorität Gottes handelt. Das ist für die Schriftgelehrten zu viel, denn es bedeutet, dass Jesus sich auf die gleiche Stufe mit Gott stellt und zugleich ihre Schabbatregeln bricht.
Der Geheilte vom Teich Betesda ist ein Beispiel für alle Menschen, die – wie so viele – auf ein falsches System setzen. Es ist ein Glaube, in dem der Starke siegt; ein Glaube, in dem man nicht vom Erbarmen Gottes lebt.
Jesus hilft, weil jemand ist und nicht, weil es jemand verdient oder dadurch errettet wird. Heilung ist auch heute noch eine Manifestation von Gottes souveräner Gnade und nicht eine Belohnung des rechten Glaubens.
Gott kann seine Gnade auch durch körperliche Leiden manifestieren. So sagt er zu Paulus: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung“ (2.Korinther 12,9).
Glaube wächst nicht durch Wunder und Heilungen, sondern im Vertrauen auf Gott, wenn es anders läuft als wir es erwarten – wie bei Abraham. Wir lernen Mitgefühl und erleben Gottes Gegenwart und fürsorgliche Liebe. Gottes Liebe offenbart sich sogar im Himmel im Lamm Gottes (Offenbarung 22,1). Es ist ein Mehrwert mit Gott Dinge auszuhalten.
Nicht Krankheiten sind das primäre Problem der Menschen, sondern ihre Entscheidung, sich nicht auf Gott auszurichten (Sünde) und ihm zu vertrauen.
Siehe auch:
Leid ist eine Konsequenz der Liebe Gottes
Durch Leid entsteht die Erkenntnis über Gut und Böse
Heilung bedeutet nicht Heil
Leiden fördert Glauben
Im Leid erleben wir Gottes Gegenwart