Dr. Anat Berko ergründet in ihrem neuesten Buch «The Smarter Bomb – Women and Children as Suicide Bombers» die Motivation von Frauen und Kindern, die als verhinderte Terroristen in israelischen Gefängnissen landeten. Die Protokolle von Gesprächen mit den Inhaftierten, ihren Anwälten und Islamgelehrten geben Einblick in eine andere Welt.
Wafa war im israelischen Fernsehen zu sehen. Dort gab sich die junge Frau als fanatische Glaubenskriegerin. Doch was die Palästinenserin dann vor Gericht aussagte, klingt ganz anders: «Ich bin von der Universität geflogen und mein Vater hat mich immer schlecht behandelt. Er schlug mich dauernd und sagte mir, ich würde niemals heiraten. Er sagte, ich wäre für den Rest meines Lebens verkrüppelt. Ich habe Verbrennungen dritten Grades vom Nacken bis zu den Knien und ich bin psychisch genauso verwundet.»
Aus der Sicht der Eltern war Wafa schon vor ihrem Unfall «beschädigte Ware»: Nicht zu verheiraten, da sie zweimal vergewaltigt wurde, einmal mit elf, einmal mit sechzehn Jahren. Die eigenen Eltern hatten sie aktiv ermutigt, eine Märtyrerin zu werden, eine «Shaheeda». Auf diese Weise würden sie sich einer finanziellen Bürde entledigen und die Familienehre wäre halbwegs wiederhergestellt.
Offiziell gelten Terroristinnen als Heldinnen, doch jeder Araber nimmt automatisch an, dass eine Frau diesen Schritt nur geht, wenn sie etwas «gutzumachen» hat. Entsprechend düster sind die Aussichten auf ein normales arabisches Leben – also Heirat und Kinder – für die Zeit nach dem Gefängnis. «Sie ist eine Heldin, aber ich würde niemals meinen Sohn oder Bruder so eine Frau heiraten lassen».
Frauen haben als Selbstmordattentäterinnen erhebliche taktische Vorteile: Sie erregen weniger Misstrauen bei Kontrollen und männliche Soldaten und Polizisten sind ihnen gegenüber gehemmt. Trotzdem sind Frauen unterdurchschnittlich «erfolgreich», insofern sie ihre Einsätze einerseits seltener zu Ende führen als Männer – und andererseits selbst dann im Durchschnitt weniger Todesopfer verursachen.
Eine Rolle dürfte die Motivation spielen: Während Männer und Jungs als Selbstmordattentäter den Eintritt ins Paradies mit seinen Genüssen nicht erwarten können, wollen Frauen eher ihrer derzeitigen Existenz ein Ende setzen. Dafür reicht es auch, mit einem Messer fuchtelnd auf eine Strassensperre zuzurennen oder den Sprengstoffgürtel vor der Detonation entdecken zu lassen. Auch ohne zu sterben, kann frau so ihrer privaten Hölle entkommen, und die Familie ist sozial verpflichtet, ihr in Hochachtung zu begegnen – wenngleich nur bei Besuchen in der Strafanstalt. Einige Frauen wollten tatsächlich auch nach Verbüssung ihrer Haft lieber im Gefängnis bleiben, als zu den ungeliebten Familien zurückzukehren, wo der Ehemann sich oft inzwischen eine jüngere Zweitfrau zugelegt hat.
Auch junge Männer und minderjährige Jungs haben in den Gesprächen mit Anat Berko gänzlich rationale Begründungen geliefert für ihre teilweise extrem stümperhaften Attacken auf israelische Soldaten: Wer Steine oder Molotowcocktails wirft, kommt für ein paar Jahre ins israelische Gefängnis – gilt aber als Held und kann in aller Ruhe seinen Schulabschluss nachholen. Keine schlechte Option für kleinkriminelle Jungs, die als Schulversager gelten und wegen älterer Brüder keine Chance auf ein Erbe und damit eine angesehene gesellschaftliche Stellung hätten.
Ein anderes Phänomen ist hauptsächlich bei weiblichen Gefangenen zu beobachten: Oft kommen sie aus zerrütteten Familien, denen ein starkes männliches Familienoberhaupt fehlt. Ohne einen solchen Beschützer sind sie einerseits sexuelles Freiwild und andererseits geraten sie ohne einen solchen Unterdrücker tatsächlich manchmal an falschen Umgang. Nicht selten wurden Attentäterinnen erst vergewaltigt und dann erpresst: «Wenn ich das erzähle, bist du sowieso tot, also kannst du genauso gut direkt ins Paradies gehen.»
Doku: Shahida – Allahs Bräute