Jesus ist sechs Tage vor seinem Tod bei Marta, Maria und Lazarus zum Essen eingeladen. Auf einmal steht Maria auf, holt ein exklusives Duftöl und salbt damit die Füße von Jesus (Johannes 12,1-11).
In der Bibel werden Könige, Priester und Propheten gesalbt. Jesus vereint alle drei Funktionen in sich: Kurze Zeit, nachdem er gesalbt wurde, stirbt er als der König der Juden (Johannes 19,19) am Kreuz, um nach der Auferstehung als Hohepriester (Hebräer 4,15-16 / 8,1) für die Menschen vor dem himmlischen Vater zu stehen. Er ist auch der Prophet wie Mose (5.Mose 18,18 / Apostelgeschichte 3,22-23).
Das Nardenöl wird aus der indischen Narde gewonnen, einer stark duftenden Pflanze im Himalaja. Im Hohelied verwendet es die Frau, um die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu ziehen (Hohelied 1,12): „Bis dorthin, wo der König an seiner Tafel liegt, gibt meine Narde ihren Duft.“ Es ist ein Ausdruck der Liebe und Hingabe.
Maria salbt Jesus für seinen letzten Lebensabschnitt. Der Geruch des Salböls begleitet ihn auf dem Leidensweg und weist ihn darauf hin, für wen er diesen Weg geht: für die Menschen, die ihn und Gott lieben. Die Salbung der Füße erinnert auch an die Stelle in Jesaja 52,7: „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße dessen, der frohe Botschaft bringt, der Frieden verkündet, der gute Botschaft bringt, der Heil verkündet, der zu Zion spricht: Dein Gott herrscht als König!“ Auch Paulus zitierte diese Stelle im Römer 10,15. Maria sitzt zu Füßen von Jesus (Lukas 10,39), weint zu Füßen von ihm (Johannes 11,32) und salbt sie.
Maria investiert ein Vermögen in diesen Liebesbeweis. Es ist fast ein Jahresgehalt. Ihre Trauer über den Tod von Lazarus hat sich in Begeisterung verwandelt, denn Jesus hat ihren Bruder Lazarus wieder vom Tod auferweckt. Jesus hat mehr Macht als der Tod und lehrt: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Johannes 11,25).
Judas, ein Jünger von Jesus, bleibt dagegen im Irdischen stehen. Er sieht nur das viele Geld, das für eine vergängliche, schnelllebige Sache – das Salben der Füße – ausgegeben wird. Für ihn ist das reine Verschwendung. Er meint besser zu wissen, was gut ist und bemängelt, dass man dieses Geld doch den Armen hätte geben sollen. Ihm fehlt der Blick auf die göttliche Dimension. Denn hier dient der himmlische Vater durch Maria seinem Sohn. Geld spielt dabei keine Rolle.
Die Antwort von Jesus an Judas lässt vermuten, dass der Rest des Öls für die Einbalsamierung des Körpers von Jesus bei seinem Begräbnis aufbewahrt werden sollte. Wörtlich heißt es in Vers 7: „Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt!“
In dieser Geschichte geht es auch um Geld, Macht und Beziehungen.
Von Jesus geht eine wohlwollende Freiheit aus. Die Frauen um Jesus können sich frei entfalten. Es herrscht keine Menschenfurcht.
Da Maria die Füße des Herrn mit ihren Haaren trocknet, verbreiten sie beide danach den gleichen Duft. Sie ist mit Jesus verbunden. Der Weg, den Jesus nun geht, wird zu ihrer Salbung. Paulus schreibt in 2.Korinther 2,15: „Denn wir sind Christi Wohlgeruch für Gott“. Der Segen, den sie gibt, kommt auf sie zurück.
Von Lazarus lesen wir, dass man ihn umbringen möchte, weil er lebt und durch sein „Sein“ auf Jesus hinweist. Jesus liebt Lazarus (Johannes 11,5). Manche Menschen ehren Gott, indem sie einfach sind. Auch wenn sie „nichts“ tun, sind sie stille Wegweiser für Jesus. Das kann sogar das Umfeld so sehr aufregen, dass sie diese Menschen am liebsten beseitigen möchten. Im Anders-Sein weisen sie auf die andere Wirklichkeit hin. Oft sind es Männer, die ihre Zuneigung oder ihren Glauben schlechter ausdrücken können, aber mit ihrem bloßen Sein ein Zeichen für Jesus setzen.
Bei Marta fällt auf, dass sie nun mit einer ganz anderen Haltung ihren Gästen dient. Sie vergleicht nicht mehr und akzeptiert die Unterschiedlichkeit. Es ist sicher für uns alle eine Herausforderung, die unterschiedliche Form, wie jemand seinen Glauben lebt, zu respektieren und uns gegenseitig anzunehmen.
Text: Hanspeter Obrist
Das ist ein Impuls aus den Entdeckungen in ergebnisoffenen Bibelstudiengruppen im Linthgebiet. Alle sind herzlich dazu eingeladen.
Jeder ist eingeladen die Gedanken und Fragen als Kommentar zu teilen.