„Was bringt es mir, wenn ich ganzen Einsatz leiste für den himmlischen Vater?“ Diese Gedanken schwirren im Kopf des älteren Sohnes umher. „Ist das gerecht, wenn mein Bruder, der so untreu war und allen Besitz von meinem Vater verschleudert hat, so herzlich aufgenommen wird und man ihm zu Ehren ein Fest feiert? Ich verstehe den himmlischen Vater nicht mehr.“
Vielleicht kennst Du diese Gedanken gegenüber Gott auch. Andere werden von Gott reich gesegnet und zwischen Deinen Fingern scheint alles zu verrinnen. Warum musste gerade ich den Job verlieren? Warum sind gerade meine Kinder so schwierig? Warum bin ich krank? Was bringt mir der Glaube an Gott? Was haben wir davon, wenn wir Gott vertrauen und alles für ihn einsetzen?
Wie schnell erwarten wir von Gott, dass er uns alles gibt, was sich unser Herz wünscht. Am liebsten hätten wir, wenn uns der rote Teppich ausgelegt würde. Wir haben unsere Vorstellungen, wie alles ablaufen sollte. Genauso ist es auch beim älteren Sohn. Doch Gottes Gedanken sind oft anders als unsere. Und nachdem der ältere Sohn seinen ganzen Frust herausgelassen hat, will der Vater ihm die Augen öffnen für seine Wirklichkeit. Der himmlische Vater sagt zu seinem älteren Sohn: „Mein Kind, du bist immer bei mir. Was ich habe, gehört auch dir. Darum komm, wir haben allen Grund zu feiern. Denn dein Bruder war für uns tot, jetzt hat für ihn ein neues Leben begonnen. Er war verloren, jetzt hat er zurückgefunden!“ (Lukas 15,31-32) Der erste Satz des Vaters ist für mich der Höhepunkt dieser Begegnung: „Mein Kind, du bist immer bei mir.“
MEIN KIND …
Gott hat uns nicht Wohlstand, Glück oder Gesundheit versprochen, sondern eine neue Beziehung. Er sagt zu uns: „Du bist mein Kind.“ Es gibt nichts Höheres, als ein Kind Gottes zu sein. Paulus formuliert das im Brief an die Galater so: „Weil ihr nun seine Kinder seid, schenkte euch Gott seinen Heiligen Geist. Deshalb dürft ihr jetzt im Gebet zu Gott sagen: Lieber Vater! Ihr seid nicht länger Gefangene des Gesetzes, sondern Kinder Gottes. Und als Kinder seid ihr auch seine Erben, denen alles gehört, was Gott versprochen hat“ (Galater 4,6-7).
Gott will mit uns eine neue Beziehung haben. Er nimmt uns in seine Familie auf. Weil wir seine Kinder sind, gehört alles, was der Vater besitzt, auch uns. Doch wir können nicht frei darüber verfügen. Kein Vater gibt seinem 10-jährigen Kind den Autoschlüssel und fordert es auf, eine Spritztour zu machen. Auch wenn das Kind bereits zur Vorderscheibe hinaussehen kann, heißt das noch lange nicht, dass es jetzt ein Auto fahren soll. Der Vater wird das Auto erst dann seinem Kind anvertrauen, wenn es der Vater für gut ansieht und weiß, dass es nicht zum Schaden des Kindes führen wird. Ähnlich ist es mit den himmlischen Dingen. Alle Kinder Gottes sind Miterben der himmlischen Welt und Gott wird sie beschenken. Doch Gott weiß, was uns fördert und was uns hindern würde, so zu werden wie der Vater. Werden wie der himmlische Vater können wir nur, wenn wir in einer ganz engen Beziehung zu ihm leben. Gott will Dein Vater sein.
… du bist IMMER bei mir
Gott weist zweitens darauf hin, dass er immer bei seinen Kindern ist, auch wenn sie ihn gar nicht direkt wahrnehmen. Der Vater sagt: „Mein Kind, du bist IMMER bei mir.“ Es gibt Menschen, die sagen zu uns: „Sag mir, wo ist Gott?“ Doch müsste man nicht eher fragen: „Sag mir, wo ist Gott nicht?“ Es gibt keinen Ort, wo wir uns Gott entziehen könnten. Er kennt uns durch und durch. Jesus sagte einmal, dass alle unsere Haare auf dem Kopf gezählt sind (Mt. 10,30). Gott kennt uns viel besser als wir uns selbst. Oder weißt Du zufällig, wie viele Haare Du heute auf dem Kopf hast? Es gibt keinen gottverlassenen Tag. Gott ist immer da. Das kann uns getrost und zuversichtlich machen. Das gibt uns neue Kraft und Hoffnung, auch in den ausweglosen Situationen durchzuhalten. Gott sagt: „Ich bin immer bei Dir. Meine Engel sind bei Dir und der Heilige Geist ist in Dir. Du bist nie allein.“ Und so kann Jesus seinen Jüngern versprechen: „Seht, ich bin immer und überall bei euch, bis an das Ende dieser Welt“ (Mt. 28,20). Gott ist immer bei seinen Kindern, auch jetzt. Das gibt uns Trost und neuen Mut.
Mein Kind, du bist immer bei MIR.
Der Zuspruch Gottes endet in der Aussage: „Mein Kind, du bist immer bei MIR.“ Der himmlische Vater möchte den Blick auf sich lenken. So wie es schon David im Psalm 25 Vers 15 machte: „Meine Augen sind stets auf den Herrn gerichtet, denn er wird meine Füße aus dem Netz lösen.“ Hier steht das Geheimnis, wie ein Mensch in der Anfechtung bestehen kann – auch dann, wenn wir wie der ältere Sohn nicht mehr verstehen, wie Gott handelt und wenn unser Leben auf einmal wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Gott ist bei uns und sagt: „Mein Kind, du bist immer bei mir. Ich bin da. Schau her zu mir.“
Meine Augen sind stets auf den Herrn gerichtet, denn er wird meine Füße aus dem Netz lösen. Jesus löst unsere Füße aus dem Netz, wenn wir zu ihm aufschauen. Wenn wir auf ihn vertrauen, verändert sich unser Leben. Dieses Bild hat auch Jesus aufgenommen, als Nikodemus mitten in der Nacht zu ihm kam. Jesus sagte zu Nikodemus: „Schau, als Mose mit dem Volk Israel in der Wüste unterwegs war, da lehnten sie sich auf gegen Gott. Daraufhin kamen giftige Schlangen und bissen sie. Alle Israeliten trugen das tödliche Gift in sich. Doch Gott griff in seiner Barmherzigkeit ein und gab Mose den Befehl, eine Schlange aus Metall an einen Holzpflock zu hängen. Die stellte Mose mitten im Lager auf und alle, die auf diese erhöhte Schlange sahen, kamen mit dem Leben davon.“ Jesus blickte Nikodemus an und sagte: „So muss auch der Sohn Gottes erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt und auf ihn schaut, ewiges Leben hat“ (nach Johannes 3,14-15). Dieser Pfahl ist das Kreuz. Jesus wurde ans Kreuz gehängt. Vielleicht ist es für uns manchmal schwer zu fassen, wie das stellvertretende Sterben von Jesus uns heute helfen soll. Doch so wie damals die Leute in der Wüste auf die Schlange sehen mussten, so sollen wir auf den erhöhten Jesus schauen. Denn Gott hat uns so sehr geliebt, dass er seinen Sohn auf diese Welt schickte, damit jeder, der auf ihn schaut und vertraut, ewiges Leben hat. (Joh.3,16)
Genau diesen Blickwechsel möchte der Vater bei seinem älteren Sohn erreichen. Er möchte, dass er aufschaut, weg von sich, hin zum Vater. Er sagt: „Schau, Du bist mein Kind. Willst Du mein Kind sein? Dann schau auf zu mir, denn ich bin immer bei Dir.“ Wir alle kommen einmal in die Situation des älteren Sohnes. Wir alle werden einmal irre an Gott und an seiner Handlungsweise. Wir verstehen ihn nicht immer. Dann gilt dieser Satz: „Mein Kind, du bist immer bei mir.“
Text: Hanspeter Obrist
Auszug aus dem Buch
Der barmherzige Vater
Inspirierende Gedanken zur biblischen Geschichte vom barmherzigen Vater und seinen beiden Söhnen
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Der barmherzige Vater
- Vater für tot erklärt (Lk 15,11-12)
- Freudenfest endet im Fiasko (Lk 15,13-16)
- Der rettende Gedanke (Lk 15,17-20)
- Vater ausgeflippt (Lk 15,20-23)
- Toter wurde lebendig (Lk 15,24)
- Bruder meidet Bruder (Lk 15,25-28)
- Barmherzigkeit sucht Hartherzigkeit (Lk 15,28b)
- Beziehungskiller (Lk 15,29-30)
- Gottes Reichtum (Lk 15,31-32)
- Ohne Ende (Lk 15,11-32)