„Die Verdrängung der israelischen Frauen aus dem öffentlichen Raum“ war in den letzten Wochen ein großes Thema in den israelischen und auch internationalen Medien. Frauen, so konnten erfahren, werden auf der Straße angespuckt, wenn sie nicht „züchtig“ gekleidet sind. Sie müssen sich in bestimmten Linienbussen in den hinteren Bereich setzen. Und israelische Soldaten verlassen reihenweise Armeeveranstaltungen, um nicht Frauen singen zu hören.
Wie steht es wirklich um Frauen in der israelischen Gesellschaft?
Seit Beginn der zionistischen Bewegung waren die Rechte der Frauen in der Politik ein viel diskutiertes Thema. Bereits am ersten Zionistenkongress 1897 durften Frauen teilnehmen – damals ein durchaus fortschrittlicher Schritt.
Das Wahlrecht erhielten die Frauen des Yishuv, der jüdischen Bevölkerung Palästinas vor der Staatsgründung, erstmals für die Wahlen zur Abgeordnetenversammlung 1920. Von den 299 Abgeordneten der ersten Versammlung waren 15 Frauen, die zweite Versammlung hatte bereits 23 weibliche Abgeordnete.
In der ersten Sitzung der zweiten Versammlung 1926 hieß es: „Die zweite Abgeordnetenversammlung ruft die Rechtegleichheit der Frauen in allen Bereichen des zivilen, politischen und wirtschaftlichen Lebens des hebräischen Yishuv aus und fordert von der Regierung, die Rechtegleichheit in den Gesetzen des Landes sicherzustellen.“
Mit Golda Meir hatte Israel bereits 1969 eine Ministerpräsidentin – also zu einer Zeit, als in den meisten europäischen Staaten Frauen nicht einmal davon zu träumen gewagt hätten, an der Spitze einer Regierung zu stehen. Meir war weltweit die dritte Regierungschefin. Das gegenwärtige Regierungskabinett hat mit Orit Noked, Limor Livnat und Sofa Landwer drei Ministerinnen. In der 18. Knesset sind von 120 Abgeordneten 23 weiblich.
Die Mehrheit der israelischen Richter ist weiblich
Äußerst positiv stellt sich die Situation der Frauen im israelischen Rechtssystem dar. So sind mehr als die Hälfte der 646 israelischen Richterstühle mit Frauen besetzt. Ein Drittel aller Richter am Obersten Gerichtshof sind Frauen. Zum Vergleich: In den USA sind nur knapp ein Fünftel der Bundesrichter weiblich, und auch auf Landesebene sind es mit 26 Prozent nur wenig mehr. Auf der anderen Seite der Richterbank machen Frauen fast die Hälfte der 49.000 Anwälte in Israel aus.
Der Dienst an der Waffe ist für alle Pflicht
Israel ist eines der wenigen Länder weltweit, in dem Frauen, auf Basis des Wehrdienstgesetzes von 1953, der Wehrpflicht unterliegen. Gegenwärtig beträgt die Wehrpflicht für Frauen 24 Monate und für Männer 36 Monate. Frauen sind vom Grundwehrdienst befreit, wenn sie verheiratet sind und vom Reservedienst wenn sie schwanger oder bereits Mütter sind. Sie können außerdem aus religiösen oder Gewissensgründen vom Wehrdienst befreit werden.
Obwohl immer wieder verschiedene Aufgabenbereiche für Frauen geöffnet wurden, blieb der Militärdienst von Frauen doch für die meisten auf den Schreibtisch beschränkt. Doch seit den 1980er Jahren gibt es, auf Initiative von ZAHAL selbst, eine fortschreitende Öffnung aller Funktionen innerhalb der Streitkräfte für Frauen. Dies begann vor allem damit, dass Frauen zunehmend als Ausbilderinnen eingesetzt wurden.
Der große Wandel setzte schließlich in den letzten fünfzehn Jahren ein. Nachdem Alice Miller 1995 vor dem Obersten Gerichtshof mit ihrer Klage für eine Zulassung zum Kurs für Kampfpiloten erfolgreich gewesen war, wurde im Jahr 2000 die Zulassung von Frauen für zahlreiche weitere Posten bei ZAHAL per Gesetz festgeschrieben. 2001 schloss die erste Kampfpilotin ihr Training in der Akademie der israelischen Luftstreitkräfte ab. Bis Ende 2011 hatten 30 weibliche Kadetten den Kurs erfolgreich abgeschlossen, davon allein fünf im Jahr 2011. Heute sind etwa die Hälfte aller Soldaten in Offizierskursen Frauen.
Frauen in Wirtschaft und Arbeitsleben
Frauen sind in der israelischen Wirtschaft auf allen Sektoren und in allen Ebenen präsent. Wie selbstverständlich die Berufstätigkeit von Frauen ist, zeigt bereits, dass 2010 bei einer Umfrage 84% der Befragten der Meinung waren, beide Partner müssten etwas zum Haushaltseinkommen beitragen. Immerhin noch 80% gaben an, beide Partner müssten gleichviel zum Einkommen beitragen. Auch in eher typischen Männerberufen sind Frauen stark repräsentiert. So sind beispielsweise 35,6% der Beschäftigten im Hightech-Sektor Frauen.
Bereits 1964 wurde in Israel eine gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit gesetzlich festgelegt. Faktisch unterscheidet sich jedoch wie in vielen westlichen Industriestaaten das Durchschnittsgehalt von Frauen deutlich von dem der Männer. 2009 betrug das Gehalt, das Frauen im Angestelltenverhältnis pro Arbeitsstunde erhielten lediglich 85% von dem der Männer. Der Unterschied verringert sich jedoch stetig.
Israel liegt im internationalen Vergleich mit 15% Frauen in Vorständen auf dem zweiten Platz hinter Norwegen, das allerdings sogar 44,2% aufweisen kann.