Der Papst besuchte im Irak nicht nur die Katholiken. Er machte sich zum Sprecher einer abrahamitischen Geschwisterlichkeit und zum Anwalt von Rechtsstaatlichkeit und Gemeinwohl.
Gegen die Tendenz zum Konfessionalismus, zur Abschottung in der eigenen Kleingruppe, pries der Papst die christliche Vielfalt der Konfessionen und Riten: Die Kirchen im Irak seien „wie bunte Fäden, die miteinander verflochten einen schönen Teppich bilden„. Gott selbst sei der Künstler, der diesen Teppich gewoben habe. Ein „Zeugnis geschwisterlicher Einheit in einer zersplitterten Welt“ sollten die Christen geben.
Dass der Papst in Bagdad eine Messe im ostsyrischen Ritus der Chaldäer feierte, ist für den Kenner der syrischen Kirchentradition „ein wichtiges Zeichen der Vielfalt innerhalb der katholischen Kirche„. Im Westen werde weithin vergessen, dass es nicht nur den lateinischen Ritus, sondern 21 ostkirchliche katholische Riten gibt. „Das zeigt, dass die katholische Kirche die Fähigkeit hat, Gott in versöhnter Verschiedenheit zu feiern„, sagt Dietmar Winkler, Professor für Patristik und Kirchengeschichte an der Universität Salzburg. „Nur die Vielfalt kann etwas aufbauen. Über die eigene Konfession hinaus spricht der Papst alle Christen an. Und über das Christentum hinaus spricht er alle Menschen an, um gemeinsam in Frieden zu leben, weil alle Mitglieder der einen Menschheitsfamilie sind.“
In der antiken Ruinenstadt Ur, der Heimat Abrahams weitete Franziskus seine Vision der Einheit auf die monotheistischen Religionen aus. Unter Berufung auf Abraham als „gemeinsamen Vater in Glauben“ beschwor er die Geschwisterlichkeit von Juden, Christen und Muslimen. Seine Verurteilung von Terrorismus und Gewalt begründete der Papst vor dem interreligiösen Auditorium nicht säkular, sondern religiös: „Gott ist barmherzig und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst. Feindseligkeit, Extremismus und Gewalt entspringen nicht einer religiösen Seele – sie sind Verrat an der Religion.“ An die anwesenden Schiiten, Sunniten, Christen sowie Vertreter von Jesiden, Mandäern und Sabäern appellierte Franziskus: „Wir Gläubigen dürfen nicht schweigen, wenn der Terrorismus die Religion missbraucht.“
Abraham sei „eine Schlüsselfigur in der koranischen Botschaft sowie das große Vorbild der Gläubigen“. Die Begegnung in Ur werde bei allen Muslimen guten Willens ein positives Echo hervorrufen. Noch am Samstag rühmte der Großimam und Rektor der sunnitischen Al-Azhar in Kairo die Reise des Papstes als „historischen und mutigen Schritt auf dem Pfad hin zur Brüderlichkeit aller Menschen„.
Im Wallfahrtsbezirk von Nadschaf traf Franziskus erstmals einen führenden Vertreter des schiitischen Islam, Großayatollah Ali Al-Sistani. Pater Christian Troll erklärt gegenüber Tagespost die Bedeutung der Begegnung: „Nadschaf ist für die schiitischen Gläubigen aller Richtungen der zentrale Wallfahrtsort, denn dort befindet sich das Grab des Imam Ali, des für die Schiiten bedeutendsten Muslim nach Muhammad. Die Schiiten, die sich der Glaubensrichtung des Großayatollah Ali Al-Sistani verbunden wissen, werden der Begegnung eine sehr große Bedeutung beimessen. Der Großayatollah steht für eine Richtung im schiitischen Islam, die sich bewusst aus der Tagespolitik heraushält, ganz im Gegensatz zum schiitischen Regime in Iran.“ Dietmar Winkler bezeichnet Papst Franziskus und Großayatollah Al-Sistani sogar als „Verbündete im Geiste„, die eine Idee vereine. Al-Sistani verzichte auf politische Machtmittel, spreche immer wieder von einer Koexistenz der Religionen und Ethnien im Irak und räume den Christen die gleichen Bürgerrechte ein.
Der Nahost-Experte Otmar Oehring, ein profunder Kenner des interreligiösen Dialogs und der islamischen Welt meint: Die Begegnung des Papstes mit Großayatollah Al-Sistani sei von Bedeutung, weil dieser die theologische Schule von Nadschaf verkörpere, die im Gegensatz stehe zur iranischen Schule von Ghom. „Sistani ist im politischen Spektrum des Irak eine wichtige Figur. Er sorgt für einen Ausgleich zwischen den Teheran-hörigen und den Teheran gegenüber kritischen Schiiten im Irak“. Der Nahost-Experte erinnert daran, dass es im Irak lange ein friedliches Nebeneinander von Muslimen, Christen, Juden und Jesiden gab. Heute seien die Christen zahlenmäßig jedoch „eine vernachlässigbare Größe“.
Dass die irakische Regierung anlässlich des Treffens von Papst und Großayatollah den 6. März zum „Tag der Toleranz und Koexistenz“ erklärte, sieht Otmar Oehring als „Hommage an den Papst, Symbolpolitik und gute Idee“. Wichtiger sei aber die Frage, wie das Zusammenleben an den übrigen 364 Tagen des Jahres gelebt wird. mehr Informationen
Der Papst ermunterte die Gläubigen in Mossul, sich ein Beispiel an ihren Vorfahren im Glauben zu nehmen. „Sie haben mit fester Hoffnung auf ihrem irdischen Weg durchgehalten, da sie ihr Vertrauen auf Gott setzten, der uns nie enttäuscht und uns mit seiner Gnade aufrichtet. Das große geistliche Erbe, das sie uns hinterlassen haben, lebt in euch weiter. Ergreift dieses Erbe!“, so der Papst. Der Papst versicherte die irakischen Christen dabei der Solidarität der Weltkirche. „Ihr seid nicht allein. Die gesamte Kirche ist euch im Gebet und mit der konkreten Nächstenliebe nahe.“ Im Anschluss an die Gedenkfeier ließ der Papst eine Taube als Symbol des Friedens steigen.
Tausende Christen verließen Mossul im Juni 2014, nachdem der IS ihnen ein Ultimatum gestellt hatte, entweder zum Islam zu konvertieren, die traditionelle Steuer für Nichtmuslime zu bezahlen oder den Tod in Kauf zu nehmen. Die meisten der verbliebenen Christen verließen die Stadt daraufhin, mussten aber ihren gesamten Besitz zurücklassen. Heute leben wieder etwa 70 christliche Familien inmitten von zwei Millionen überwiegend sunnitischer Muslime. Die meisten ehemaligen christlichen Bewohner haben derweil den Irak verlassen oder haben Sicherheitsbedenken, in die Stadt zurückzukehren. mehr Informationen
Mit wacher Aufmerksamkeit, Bescheidenheit und Väterlichkeit ging der Papst tröstend auf die Menschen zu, die ihm von Krieg, Terror, Tod, Not und Elend erzählten. In seinen Predigten warnte er vor den Versuchungen der Verbitterung und Vergeltung, mahnte zu Frieden und Barmherzigkeit, ermutigte zu missionarischem Eifer und mutiger Mitgestaltung der neuen gesellschaftlichen Ordnung. Mit Blick auf die Vaterschaft Gottes und die gemeinsame Berufung auf Abraham beschrieb er Juden, Christen und Muslime als Geschwister. Sein freundlicher Ton und sein demütiges Auftreten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Franziskus von der Politik gleiche Bürgerrechte für alle einforderte und sich zum Anwalt der Rechtsstaatlichkeit machte. Weit über den Irak hinaus wird die Begegnung des Papstes mit dem schiitischen Islam Beachtung finden. Mit dem fast privat gestalteten Treffen mit dem moderaten Großayatollah Ali Al-Sistani sind die päpstlichen Bemühungen um den christlich-islamischen Dialog auch in der schiitischen Welt angekommen. mehr Informationen
Inhaltlich kann man die drei Religionen nicht vereinen, doch friedlicher miteinander umgehen. Die Welteinheitsregligion kommt erst, wenn der Islam in sich zerfallen ist und die Jesusnachfolger entrückt sind.
1Thess 5,3 Wenn sie sagen: »Friede und Sicherheit«, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen.
Wer die Texte genau liest, sieht, dass der Papst nicht an einer Weltreligion arbeitet, sondern an einer friedlichen Koexistenz. Sonst hätte er schon lange die Eucharestie für alle eingeführt. Franziskus ist ein Begreiungstheologe und denkt und handelt im Jetzt.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die gastgebende chaldäische Kirche einige andere Kirchen von den maßgeblichen Veranstaltungen ausschloss (z.B. die Assyrische Kirche), während man gleichzeitig von der Bühne in großen Worten von Einheit der Konfessionen und Religionen sprach. Dem Vatikan und Papst Franziskus ist es zu verdanken, dass sie während der Reise spontan noch Wege fanden, um diesem Spiel entgegen zu wirken.
Danke für die Ergänzung.