Eine persönliche, enge Jesusbeziehung, verbunden mit intensivem Glaubensleben und einem Verständnis der Bibel als absolute Autorität — das sind einige Merkmale, die die Spiritualität von Evangelikalen prägen, schreibt katholisch.de.
In Lateinamerika ist die Bewegung seit Jahrzehnten erfolgreich: „Fast tagtäglich kann man dort sehen, wie der katholischen Kirche Mitglieder davonlaufen, um sich dann den Evangelikalen oder Pentekostalen anzuschließen„, sagt Gunda Werner, Professorin für Dogmatik an der Universität Graz. In Argentinien, dem Heimatland von Papst Franziskus, ist beispielsweise der Anteil der Katholiken seit 2008 von 75,5 Prozent auf 62,9 Prozent gesunken, während in der gleichen Zeit der Anteil der Mitglieder von evangelikalen Kirchen von 9 auf 15,3 Prozent stieg.
Dagegen haben sie in Europa bisher einen vergleichsweise geringen Einfluss. Die Spiritualität der Evangelikalen zielt auf ein eher frommes Glaubensleben ab. In moralisch-ethischen Fragen vertreten Evangelikale ähnlich wie die katholische Kirche eher konservative Positionen. Aus ihrem christlichen Selbstverständnis heraus engagieren sich Evangelikale aber für sozial benachteiligte Menschen.
Viele Gläubige erleben die Gottesdienste in evangelikalen Gemeinden deutlich freier und lebendiger als etwa die durchritualisierte römisch-katholischen Liturgie.
Auch unter deutschen Katholiken gibt es charismatische Bewegungen, die freikirchliche Elemente aufnehmen und die durchaus stärker werden. 2007 schlugen die Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik im sogenannten Aparecida-Dokument deutlich versöhnlichere Töne gegenüber den Evangelikalen an. Die beiden Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben evangelikale und charismatische Frömmigkeit innerhalb der katholischen Kirche sehr gefördert.
Die Erfindung der Weltjugendtage durch Johannes Paul II. kann laut den Experten ebenfalls in diesem Kontext gesehen werden. Aufgegriffen hat das auch die „Mehr“-Konferenz“ des Gebetshauses Augsburg, wo Katholiken und Protestanten gemeinsam Lobpreis feiern.
Trotzdem schlägt den Evangelikalen viel Skepsis entgegen. Pauschale Vorverurteilungen als „homophob“ oder „rechtsradikal“ seien nicht zutreffend.
Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen plädiert dafür, dass die verfassten Kirchen sich noch stärker als bisher öffnen: „Es muss ja nicht gleich alles Traditionelle über Bord geworfen werden — aber etwas mehr Emotionalität würde sicher nicht schaden„, sagt er: „Was ist schlimm daran, im Gottesdienst einmal aufzustehen und ein bisschen zu wippen?“ In der Gesellschaft gebe eine große Sehnsucht nach Spiritualität — und darauf sollten Christen gemeinsam eine Antwort finden, statt sich misstrauisch zu beäugen. mehr Informationen