Walter Steck berichtet in der NZZ über seine Kindheit und Jugend im Zürcher Oberland – als Verdingbub.
Walter Steck ist heute pensioniert, bei der Heilsarmee – und ein stolzer, glücklicher Vater. Er legt eine Geburtstagskarte auf den Küchentisch, in der sein 17-jähriger Sohn mit sorgfältiger Schrift geschrieben hat: «Wir beide sind immer schon ein gutes Team gewesen und werden es in Zukunft auch noch sein.» Es ist das schönste Geschenk, das Walter Steck je zu einem Geburtstag bekommen hat.
Als Kleinkind ist er von seinen Eltern weggegeben worden, hat eine Kindheit und Jugend mit Gewalt, Entbehrung und Ausbeutung erlebt: im Heim und bei Pflegeeltern. Heute legt Walter Steck Zeugnis über seine Vergangenheit als Verdingbub ab.
«Ich heisse Walter Steck, und ich bin am 22. Oktober 1946 in Rüti geboren.» So beginnt der ehemalige Verdingbub aus dem Zürcher Oberland zu erzählen, daheim, in seiner kleinen, bescheidenen Wohnung in Horgen.
Wo er am Tisch sitzt, gibt es immer etwas zu lachen. Das erleben auch die Besucher des «Open Heart», einem Zürcher Quartiertreff von der Heilsarmee für Menschen in Not. Hier engagiert sich der Jungpensionär an manchen Wochenenden. Er kann ihnen nachfühlen, den Menschen, die im «Open Heart» ein wenig Nestwärme und Nahrung suchen. Auch Walter Steck lebt sehr bescheiden. Aber was er geben kann, das gibt er gerne.
Über philosophische Literatur stösst Walter Steck eines Tages auf die Bibel. Er findet zum Glauben an Jesus Christus, schliesst sich einer Freikirche an und lässt sich taufen. Auf die Frage hin, wie er die durch Christen erlittene Schande mit seinem Glauben vereinen kann, antwortet er bestimmt: «Es waren Menschen, die mir das angetan haben, nicht Gott.»
Heute hat sich Walter Steck der Heilsarmee angeschlossen. «Hier gefällt es mir, sagt er. Da wird nicht gefaselt, da sind die Macher.» Er selbst lebe nach dem biblischen Leitspruch «Was ihr für einen der geringsten Mitmenschen getan habt, das habt ihr für mich getan.» (Jesus im Matthäus-Evangelium, Kapitel 25, Vers 40). Einmal habe er eine Tasche voll vergünstigter Chlaus-Säckli gekauft und am Zürcher Stauffacher zusammen mit Mateo an Bedürftige verteilt. «Sie können sich das Leuchten in den Augen nicht vorstellen», erinnert sich Walter Steck und sinniert: «Es braucht so wenig, um Anderen eine Freude zu bereiten. Ich kann selbst noch so tief im Elend stecken. Solche Erlebnisse richten mich immer wieder auf.»