Es genügt, als Jude geboren zu sein, um an Gottes Reich Anteil zu haben. Diesen jüdischen Standpunkt vertritt Nikodemus in der Begegnung mit Jesus (Johannes 3,1-21). Jesus hat eine andere Ansicht. Es ist die persönliche Ausrichtung und Liebe zu Gottes Sohn, mit welcher das ewige Leben beginnt.
Zuerst scheint es verheißungsvoll, dass ein Vertreter der jüdischen Elite Jesus aufsucht, ihn als Lehrer anspricht und seine Wunder anerkennt. Jesus spricht Nikodemus auf den zentralen Punkt ihrer unterschiedlichen Auffassungen an: Es braucht eine Geburt von oben (Johannes 3,3). Nikodemus kann das nicht einordnen. Er ist ja der Vertreter des rechten Glaubens.
Neu geboren wird man im Judentum, wenn man zum Judentum konvertiert, mit der Bar Mizwa religiös mündig wird, heiratet, unter Handauflegung zum Rabbiner eines Lehrhauses berufen wird oder als König eingesetzt wird. Nikodemus hat die für ihn möglichen Neu-Geburten schon alle erlebt. Deshalb fragt er: „Wie kann jemand neu geboren werden, wenn er schon alt ist?“ (Johannes 3,4).
Die Geburt aus Wasser ist im Textzusammenhang die natürliche Geburt (Fruchtwasser/Vers 6 legt Vers 5 mit Fleisch aus). Der Mensch braucht jedoch auch eine geistliche Geburt (Johannes 3,5-8).
Wasser und Geist könnte man auch so verstehen, dass eine Abkehr von einem Leben ohne Gott (Taufe wie bei Johannes) und die Aufnahme von Gottes Geist (Taufe mit Heiligem Geist, Johannes 1,33) gemeint ist. Jesus betont in diesem Zusammenhang die Geburt aus dem Geist (Johannes 3,8).
Nikodemus will wissen, wie das geschehen kann (Johannes 3,9). Jesus erklärt es am Beispiel der Schlange in der Wüste (Johannes 3,14) beim Auszug aus Ägypten. Alle Israeliten, die von den Schlangen gebissen wurden, mussten auf eine Schlange an einem Pfahl sehen, damit das tödliche Gift unwirksam wurde (4.Mose 21,9). Sie mussten einen Blickwechsel vom Problem zur besiegten Schlange machen.
Genauso wird der Sohn Gottes an einem Pfahl hängen. Und über alle, die auf ihn schauen, wird der Tod keine Macht mehr haben (Johannes 3,14-15).
Zugleich ist es auch ein Hinweis darauf, dass durch den Kreuzestod das Ende der Macht der Schlange eingeleitet wird (vgl. 1.Mose 3,15). Der Blick auf die besiegte Schlange macht das Gift der Rebellion gegen Gott unwirksam.
Das Bild zeigt die Parallele zwischen dem Opfer von Abraham, der Schlage bei Mose und dem Kreuz Jesu in der Mitte auf.
Es geht nicht um den fleischlichen, sondern um den geistlichen Tod. Bei Adam und Eva stellte sich der geistliche Tod ein. Das Vertrauen in Gott ging verloren. Durch unsere Haltung zum Kreuz beginnt neues Vertrauen in Gott und geistliches Leben. Mancher mag seine Schuld noch einsehen, doch der entscheidende Punkt ist, ob wir akzeptieren, dass jemand an unserer Stelle starb.
Jesus vergleicht das mit dem Licht. Wer das Licht Gottes liebt (Johannes 3,19) und vor Gott aufdeckt (bekennt), was schiefgelaufen ist, dem wird die Schuld abgenommen. Wer die Sündhaftigkeit verbergen will, dem bleibt sie erhalten.
Gott musste einen Weg mit unseren Verfehlungen finden, der sowohl seiner Liebe und Gnade wie auch seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit entspricht. Er musste einen Weg finden, durch den wir leben können, ohne dass die tödlichen Konsequenzen unserer Sünde ignoriert werden. Seine Worte werden nicht aufgelöst, sondern umgesetzt.
Im Kreuzesgeschehen handelt Gott als Richter, der die gerechte Strafe für unsere Sünde vollstreckt, aber gleichzeitig auch als gnädiger Erlöser, der in Jesus die gerechte Strafe auf sich selbst nimmt!
Der Gedanke dahinter ist, dass Gottes Sohn an unserer Stelle gestorben ist. Die Schuld löst sich nicht auf, sondern wird von Jesus getragen. Auch heute ist die persönliche Haltung zum Kreuzesgeschehen der Dreh- und Angelpunkt in unserem Leben.
Es ist, wie wenn ein Polizist oder Richter uns wegen einer Gesetzesübertretung eine Busse auferlegt und dann selbst für uns die Schuld bezahlen möchte. Wer zu stolz ist und sich nicht vergeben kann, wird auch das Geschenk der bezahlten Schulden nicht annehmen. Würde der Gesetzgeber keine Strafe vollziehen, wäre das Gesetz eine Lüge oder Farce.
Nikodemus tritt vor dem Hohen Rat in Johannes 7,50-52 ein. In Johannes 19,39 brachte Myrrhe gemischt mit Aloe um den Leichnam von Jesus zu salben. In der jüdischen Tradition wird erwähnt, dass Nikodemus später ein Jünger von Jesus geworden ist und alles verloren hat. Nikodemus geht einen jahrelangen Prozess, bevor er radikal auf Jesus vertraut.
Das ist ein Impuls aus den Entdeckungen in ergebnisoffenen Bibelstudiengruppen im Linthgebiet.
Nikodemus / Johannes 3,1-21 EU
1 Es war da einer von den Pharisäern namens Nikodemus, ein führender Mann unter den Juden. 2 Der suchte Jesus bei Nacht auf und sagte zu ihm: Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist.
3 Jesus antwortete ihm: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.
4 Nikodemus entgegnete ihm: Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Kann er etwa in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und noch einmal geboren werden?
5 Jesus antwortete: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. 6 Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. 7 Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von oben geboren werden. 8 Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.
9 Nikodemus erwiderte ihm: Wie kann das geschehen?
10 Jesus antwortete: Du bist der Lehrer Israels und verstehst das nicht? 11 Amen, amen, ich sage dir: Was wir wissen, davon reden wir, und was wir gesehen haben, das bezeugen wir und doch nehmt ihr unser Zeugnis nicht an. 12 Wenn ich zu euch über irdische Dinge gesprochen habe und ihr nicht glaubt, wie werdet ihr glauben, wenn ich zu euch über himmlische Dinge spreche? 13 Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn.
14 Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, 15 damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.
16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.
19 Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. 20 Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.
Aus dem 12-Schritte-Programm der Anonymen Selbsthilfegruppen:
„Wir bekannten vor Gott, uns selbst und einem anderen Menschen die genaue Art unserer Verfehlungen.“