Erdogans Traum

Die Türkei hat in der türkischen Direktion für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) eine Abteilung für den Tourismus in Jerusalem eingerichtet, berichtete die türkische Zeitung Yeni Safak am Samstag.

Das «Direktorat für Jerusalem und Umra-Angelegenheiten» wird für Touren nach Jerusalem und Umra-Touren, die in Jerusalem anhalten, zuständig sein. Solche Umra-Touren werden seit 2015 von der Türkei organisiert. Die Jerusalem-Touren beinhalten unter anderem Besuche von Sehenswürdigkeiten in Hebron, Bethlehem und Jaffa. Umra ist eine freiwillige islamische Pilgerreise nach Mekka, ähnlich vom Hadsch, die aber jederzeit durchgeführt werden können und weniger Anforderungen stellen.    mehr Informationen

Das «Direktorat für Jerusalem und Umra-Angelegenheiten» ist Programm. Erdogan sieht sich als Nachfolger der osmanischen Sultane. Er will das alte Imperium wiederherstellen und sieht sich aus islamischer Sicht für Jerusalem verantwortlich. Erdogan hält an dem Traum eines muslimischen Kalifats mit Jerusalem als Hauptstadt fest. Entsprechend hat er das Studium der osmanischen Sprache in türkischen Schulen wieder eingeführt und er empfängt Führer und Würdenträger mit einer Ehrengarde, die alte osmanische Kalifatsuniformen tragen. Bei seiner konservativen Revolution in der Türkei setzt Recep Erdogan auf die Idealisierung der Vergangenheit. Dabei ging das Osmanische Reich ausgerechnet an jenem politischen Islamismus zugrunde, den er propagiert.

Aus Erdogans Sicht ist «Jerusalem unter Besatzung», ist nach Mekka und Medina von grösster Bedeutung und sollte Teil der «Umra» sein. 2017 rief er dazu auf, Jerusalem durch einen Massenansturm muslimischer Touristen zu «erobern». «Wir müssen Al-Aqsa viel öfter besuchen», sagte er damals. In seiner Vision sieht er sich als der moderne Salah al-Din und zukünftige Befreier Jerusalems. Die muslimischen Touristen – in manchen Fällen «arbeitslose» Türken, deren Besuch in Israel von den türkischen Behörden finanziert wird – sind Erdogans Soldaten im Kampf um Jerusalem.

2015 schickte Erdogan den Leiter des Direktorats für religiöse Angelegenheiten, Mehmet Gormez, nach Jerusalem, um das «Lailat al-Qadr»-Gebet (Nacht der Bestimmun) auf dem Tempelberg zu organisieren.  mehr Informationen

 

Beim Empfang von Palästinenserpräsident Mahmut Abbas im Januar 2015 ließ Erdogan zum Fototermin auf einer Treppe seines Palastes 16 Soldaten in historischen Gewändern antreten. Die Krieger sollten 16 Reiche der anatolischen Geschichte symbolisieren. Doch die Wirkung des Auftritts der finster dreinschauenden Kämpfer mit ihren Waffen, Kettenhemden und Rüstungen wirkte bizarr und unfreiwillig komisch.

Erdogan will den Palast mit seinen 1150 Zimmernund den Aufmarsch der Kostüm-Soldaten als Zeichen einer „neuen Türkei“ verstanden wissen. Dazu gehören der Anspruch auf eine regionale Führungsrolle und die Rückbesinnung auf die Geschichte vor der Gründung der säkularen Republik im Jahr 1923. Die Soldaten auf der Treppe standen unter anderem für die Hunnen, die Seldschuken und die Osmanen – bis ins Jahr 200 vor Christus gingen die von den Kriegern dargestellten Reiche zurück.

Schon lange zeigt das offizielle Wappen des türkischen Präsidialamts 16 Sterne, die für die von Erdogan auf der Treppe dargestellten Reiche stehen. Bezeichnenderweise fehlen einige wichtige Zeitalter der anatolischen Geschichte. Kein Stern im Wappen und kein Soldat auf der Treppe stand für das christliche Byzantiner-Reich, das immerhin tausend Jahre lang vom heutigen Istanbul aus große Teile Anatoliens beherrschte. Auch die Zeit der griechischen Antike sucht man vergeblich. mehr Informationen

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