Weil Ruedi Szabo immer noch Schulden von früher hat, muss er mit 80 Franken Taschengeld in der Woche auskommen. Manchmal kämpft er mit Gott. Und doch findet er tiefe Befriedigung in seiner Arbeit mit Jugendlichen, die – ebenso wie er – auf die schiefe Bahn geraten sind. Am meisten freut es ihn zu sehen, wie die jungen Erwachsenen sich verändern: «Wenn sie nach zwei oder drei Jahren fähig sind, ein eigenes Leben zu führen. Es ist das Schönste, sie dann in die Freiheit zu entlassen!»
Ruedi Szabo war Bauunternehmer, Verbrecher, schließlich Strafgefangener. Dass Gott ihn dennoch nie aufgab, erzählt er heute den «harten Jungs» von der Straße, um sie wieder zu integrieren.
Ab dem Jahr 1995 fingen die Probleme an. Die Banken prüften wegen der Wirtschaftskrise alle Baugeschäfte noch genauer als zuvor auf ihre Rentabilität, bevor sie ihnen Kredite vergaben. Weil auch Szabo kaum Aufträge hatte, stand er bald mit 30’000 Franken in der Kreide. «Ich war ein guter Handwerker, aber ein schlechter Geschäftsmann», erinnert er sich.
Sein hitziges Temperament half Szabo in dieser Situation erst recht nicht. «Mein Konfliktverhalten war geprägt durch meine Erziehung: Mein Vater war sehr autoritär. Er verprügelte mich, ich schwänzte die Schule.» In seiner Ehe gab es andauernd Streit um das Geld, das hinten und vorne nicht reichte. Eines Tages zog seine Frau mit den Kindern aus. Von einem Moment auf den nächsten stand Szabo alleine da.
Die Wut richtete sich gegen sein Feindbild: «die bösen Banken». 1995 und 1996 verübte er – zusammen mit seinen vier jungen Angestellten – sieben bewaffnete Raubüberfälle auf Schweizer Banken. «Ich hatte mich in den Hass verrannt und konnte nicht mehr klar denken.» Schliesslich ging Szabo der Polizei in die Falle. «Die Verhaftung war eine echte Erleichterung für mich! Ich litt bereits unter Verfolgungswahn.» Er wurde zu neun Jahren Haft verurteilt.
Im Gefängnis konfrontierte ihn eine Therapeutin mit seinen Taten. «Sie hat mir meine Selbstrechtfertigung um die Ohren geklatscht.» Und der Anstaltspfarrer machte ihm klar: «Was du säst, das erntest du. Du hast Gewalt gesät und Staatsgewalt geerntet.» Szabo fing an, seine Einstellung zu überdenken.
Er nahm mit den Opfern seiner Taten Kontakt auf und bat um Entschuldigung. Die Leiterin einer Postfiliale, die nach einem Überfall einen Hirnschlag erlitten hatte und seither arbeitsunfähig ist, konnte ihm verzeihen. «Das Verzeihen ist das Wichtigste», weiß Szabo heute.
Dank guter Führung wurde er nach sechs Jahren vorzeitig entlassen. Doch es folgte eine weitere Odyssee: Anstellung als Journalist, Kündigung, Bandscheibenvorfall. Szabo machte eine pädagogische Ausbildung und dann eine Weiterbildung zum Anti-Aggressivitäts-Trainer. In der Nähe von Basel bekam er schließlich eine Stelle in einem Jugendsozialwerk, das sich um Alkoholkranke kümmert. Szabos Arbeitgeber ist das Blaue Kreuz, wo er seit fünf Jahren im Wohnheim Falkennest in Liestal 15 Jugendliche betreut, die auf die falsche Bahn geraten sind.