Zwei wichtige Neuerscheinungen auf dem französischen Buchmarkt widmen sich dem Phänomen einer möglichen Zukunftsträchtigkeit der katholischen Kirche in den kommenden Jahrzehnten. Während Guillaume Cuchet bang die Frage stellt „Hat der Katholizismus noch eine Zukunft in Frankreich?“ („Le Catholicisme a-t-il encore de l’avenir en France?“, E´ ditions du Seuil, 2021), verkündet Chantal Delsol schon lakonisch „Das Ende der Christenheit“ („La fin de la Chre´ tiente´ “, E´ ditions du Cerf, 2021).
Die Tatsache, dass beide Veröffentlichungen in angesehenen Verlagshäusern erscheinen – wobei Cerf vom Dominikanerorden geführt wird und Seuil eine nicht-kirchliche Ausrichtung hat –, unterstreicht die Relevanz der Frage – innerhalb wie außerhalb der Kirche – nach der Zukunft des katholischen Glaubens und des Christentums und allgemein angesichts einer seit Jahrzehnten rasch vorwärts schreitenden Säkularisierung nicht nur der Gesellschaft, sondern auch des einzelnen Gläubigen.
Ausgangspunkt für die französischen Essayisten ist eine Umfrage des Meinungs- und Marktforschungsinstituts IFOP (Institut francais d’opinion publique) gewesen. Ihr zufolge glaubt mehr als die Hälfte der französischen Bevölkerung nicht mehr an Gott. Nur noch 49 Prozent glauben an Gott.
Ein Schlüsseldatum für den Niedergang ist für Chantal Delsol die Französische Revolution. Seit den Sechzigerjahren und dem Inkrafttreten der Legalisierung der Abtreibung 1975 sei der Abwärtstrend nicht mehr aufzuhalten. Seitdem sind es nicht mehr die religiösen Dogmen, die festlegen, was die Moral verbietet oder erlaubt, sondern Ethikkommissionen, die sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Strömungen zusammensetzen. Damit übernehmen diese die einstige Rolle der katholischen Kirche.
„Atheisten“ seien sie aber nicht geworden. Sie hätten nur andere Glaubensüberzeugungen, andere Religionen oder Spiritualitäten – wie etwa den Buddhismus – angenommen. Das Übel, das früher Neid, Ehebruch und Hochmut war, ist zum Imperialismus, Krieg, zur gesellschaftlichen Unterdrückung und zur Homophobie geworden, oder die Ökologie also als eine neue Religion.
Nicht ganz so pessimistisch zeigt sich Cuchet. Er erinnert daran, dass es seit Anfang des 19. Jahrhunderts „Ankündigungen des drohenden Todes“ der katholischen Kirche gegeben habe.
Der Abgesang auf Kirche und Christentum wurde auch schon von Nietzsche angestimmt, der sogar den „Tod Gottes“ diagnostizierte. Doch verschwinden wird die Kirche freilich nicht.
Didier Rance behandelt in seiner Neuerscheinung „L’E´ glise peut-elle disparaˆitre? Petite histoire de l’E´ glise a` la lumie` re de la Re´ surrection“ (E´ ditionsMame, 2021) verschiedene historische Momente, in denen es nach einem Ende des Christentums aussah. Dessen ungeachtet hat sie aber bis heute überlebt.
Dennoch, die katholische Kirche und ihre Gläubigen werden zu einer Minderheit in Frankreich – einem Land, das seit Jahrhunderten Vorreiter für die Missionierung der übrigen Welt war. Beigetragen zu dieser Entwicklung hat aber nicht nur der transzendentale Verlust innerhalb der Kirche, ihre Anpassung an „die Welt“. Delsol ist überzeugt, dass die Missbrauchsaffären einiger katholischer Geistlicher der bereits erkrankten Institution einen „herben Schlag“ versetzt hätten, die „ihre Talfahrt in den katholischsten Ländern des Alten Kontinents fortsetzt: in Spanien, Irland und Polen“. mehr Informationen
Die großen christlichen Kirchen in Deutschland verlieren einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge massiv an Vertrauen. Wie das Meinungsforschungsinstitut am Mittwoch 19.1.22 in Berlin mitteilte, haben laut eigener Aussage nur noch 33 Prozent der Menschen in Deutschland großes Vertrauen in die evangelische Kirche und zwölf Prozent in die katholische Kirche. Dem Papst bringen 26 Prozent großes Vertrauen entgegen. Das Forsa-Institutionen-Vertrauensranking beruht auf einer Befragung von 4.038 Menschen zur Jahreswende.
Größer als zu den christlichen Kirchen ist laut Forsa das Vertrauen zum Zentralrat der Juden mit 43 Prozent. Zum Islam haben danach acht Prozent großes Vertrauen.