Ausgerechnet Berlin – dorthin, von wo einst gegen die jüdischen Bewohner gehetzt wurde, wandern heute viele Israelis aus. Dass ausgerechnet Berlin zum bevorzugten Migrationsziel links-intellektueller Israelis wurde, mutet an wie verkehrte Welt. In Israel, mit seiner dramatischen Entstehungsgeschichte werden diejenigen, die das Land verlassen als „Absteiger“ diffamiert. Und wer vom jüdischen Staat nach Deutschland zieht begeht für viele Israelis eine besonders schwere Sünde.
Vor einigen Wochen veröffentlichte Uri Avinery, ein altgedienter israelischer Friedensaktivist einen Aufruf, in dem er die Anziehungskraft Berlins auf junge Israelis zwar anerkennt, diese aber zur Rückkehr auffordert. Die damit entfachte Debatte offenbart den politischen Riss der durch Israel geht.
Vielen in Israel Gebliebenen gilt die Migration nach Berlin als moralische Bankrotterklärung. Eine konservative Kolumnistin schreibt: „Es scheint, als ob die israelische Migration nach Berlin eine ironische Umkehrung ermöglicht, die Deutschland als Erlösungsort darstellt.“
Viele linke Berliner Israelis verneinen das Ethos vom verheißenen Land und beschreiben das Verlassen Israels als einen politischen Akt. In Berlin wähnen sie die Möglichkeit, eine vom nationalen Diktat unabhängige hebräische Kultur zu erschaffen.
Doch die Gruppe der Berliner Israelis bleibt überschaubar. Es sind rund 10.000. Die Auswanderer sind eher ein individuelles Phänomen. Israel ist teuer geworden und die ständige Bedrohung zermürbt. Dagegen ist Berlin noch ziemlich entspannt. mehr Informationen