Im Mittelpunkt jeder Weihnachtsfeier steht die Krippe.
In Lukas 2,10-12 sagt der Engel zu den Hirten: „Ich verkündige euch große Freude, die für das ganze Volk sein wird. 11 Denn euch ist heute ein Retter geboren, der ist Christus, der Herr, in Davids Stadt. 12 Und dies sei euch das Zeichen: Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.“
Was löst das Bild der Krippe in dir aus? Warum eine Krippe?
Zunächst einmal lesen wir von großer Freude, denn heute ist der Retter, der Messias in Bethlehem geboren.
Das wurde schon in Micha 5,1-3 vorhergesagt: „Du, Bethlehem Efrata, das du klein unter den Tausendschaften von Juda bist, aus dir wird mir der hervorgehen, der Herrscher über Israel sein soll; und seine Ursprünge sind von der Urzeit, von den Tagen der Ewigkeit her. 2 Darum wird er sie dahingeben bis zur Zeit, da eine Gebärende geboren hat und der Rest seiner Brüder zu den Söhnen Israel zurückkehrt. 3 Und er wird auftreten und seine Herde weiden in der Kraft des HERRN, in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes.“
Micha spricht von der Geburt eines Herrschers, der schon immer da war, also nicht menschlicher Natur ist, und der in Bethlehem geboren wird.
Das „heute“ der Engel sagt: Es ist jetzt geschehen. Nicht vor Jahren, sondern das Kind ist jetzt in Windeln gewickelt.
Das ist unfassbar. Gott kommt in einem hilfsbedürftigen Säugling in diese Welt. Er durchlebt alle Facetten des menschlichen Lebens. Er begibt sich in die Hände der Menschen.
Das ist vielen Theologen zuwider. Schon im zweiten Jahrhundert meinte Marcion: „Schafft endlich die Krippe fort und die eines Gottes unwürdigen Windeln.“ Er sprach auch vom Gott des Alten Testaments und vom Gott des Neuen Testaments.
Martin Luther dagegen schreibt:
Gelobet seist du, Jesu Christ,
dass du Mensch geboren bist
von einer Jungfrau, das ist wahr;
des freuet sich der Engel Schar.
Des ewgen Vaters einig Kind
jetzt man in der Krippe findt.
In unser armes Fleisch und Blut
verkleidet sich das ewig Gut.
Gott beschränkt sich in Jesus auf die menschlichen Möglichkeiten, um uns zu zeigen, wie er sich menschliches Leben vorstellt.
In Philipper 2,7-8 heißt es: „Er entäußerte sich und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, 8 erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“
Jesus will empfangen werden. Das erste, was er braucht, ist fürsorgliche Liebe und Schutz. Jesus wurde in eine Krippe gelegt.
Ein typisches israelisches Haus war ein Vierraumhaus (Raum oben = Schlaf- und Gemeinschaftsraum / Stall für die Tiere / Werkstatt / Küche Vorratsraum). Über eine Treppe gelangte man in den oberen Raum, wo man schlief.
Lukas berichtet nur, dass Jesus in eine Krippe gelegt wurde, nicht aber, wo diese genau stand. Eine Krippe in Israel ist ein Futtertrog für Haustiere. Sie besteht aus Stein oder Lehm. Nach der Botschaft der Engel befand sie sich in Bethlehem und nicht in einer Höhle auf dem Feld.
Weiter schreibt Lukas: „6 Und es geschah, als sie dort waren, wurden ihre Tage erfüllt, dass sie gebären sollte; 7 und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil im Raum kein Platz für sie war.“ (Lukas 2,6-7).
Es heißt „als sie dort waren“ und nicht „als sie dort ankamen“, waren ihre Tage erfüllt. Es kann also auch sein, dass sie schon einige Tage früher ankamen.
Das Wort (κατάλυμα, kataluma), das oft mit Herberge übersetzt wird, kommt im Neuen Testament dreimal vor. Einmal im oben genannten Text, die beiden anderen Male beschreibt es den Raum, in dem Jesus das Abendmahl hielt (Markus 14,14/ Lukas 22,11). Maria und Josef könnten nach dem Bibeltext also auch in einem einfachen jüdischen Haus gewohnt haben. Außerdem war es üblich, Reisende in den Häusern aufzunehmen, besonders wenn sie aus der Großfamilie kamen.
Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter kommt eine Herberge vor. Lukas verwendet dort das allgemein gebräuchliche Wort für „Herberge“ (πανδοχεῖον, „pandocheion“ Lukas 10,34). Der schlechte Ruf dieser öffentlichen Herbergen an den großen Handelsstraßen und der semitische Geist der Gastfreundschaft führten dazu, dass Juden und frühe Christen ihre Häuser für Fremde öffneten, so wie es auch bei den jährlichen Pilgerfesten in Jerusalem Tradition war.
Das führt zum nächsten Punkt, der Fragen aufwirft. Warum hat Josef die hochschwangere Maria mitgenommen? Er hätte sich doch auch allein in die Steuerliste eintragen können.
Ein möglicher Grund könnte sein, dass Maria eine Erbtochter war (4. Mose 36,8). Das heißt, Maria hätte keine Brüder gehabt und wäre die Besitzerin eines Familiengrundstückes gewesen. Vielleicht gaben die Eltern deshalb der Tochter den Namen Bitterkeit, weil der erhoffte Sohn ausblieb.
Nach dem Gesetz durften Juden ihren Familienbesitz (mit Ausnahme eines Stadthauses) nicht verkaufen, sondern nur auf Zeit verpachten (3. Mose 25,23.28). Im Erlassjahr erhielt die Familie ihr Eigentum zurück. Es scheint, dass Maria als Erbtochter an einem solchen Familienbesitz beteiligt war. In diesem Fall wurde Josef zum Stammbaum hinzugefügt, was auch sein Name (hinzugefügt) bedeutet, und sie waren gemeinsam für das Haus verantwortlich. So zog Josef mit seiner schwangeren Frau Maria nach Bethlehem.
Da die Hirten mit den Schafen auf den Feldern waren, muss dieses Ereignis am Ende der Vegetationzeit stattgefunden haben. Niemand schickt die Schafe auf die frisch sprießenden Felder. Das deutet darauf hin, dass Jesus zu Beginn der Trockenzeit geboren wurde. Also nicht mitten in der Regenzeit im Dezember.
Manches war wohl anders, als wir es uns traditionell vorstellen. Sicher ist, dass Jesus in eine Krippe gelegt wurde. Sie könnte sich im Kleintierstall eines Hauses befunden haben. Es wäre also durchaus möglich, dass sie das Haus verpachtet hatten und es deshalb keinen Platz hatte, aber die unteren Räume leer standen und sie sich vorübergehend dort einquartierten. Sie hätten sonst zu Elisabeth und Zacharias gehen können. Die waren nur einen Tagesmarsch entfernt.
Warum Jesus in eine Krippe gelegt wird, ist immer noch sonderbar. Was hat das uns zu sagen? Respektive, warum wurde es zum Zeichen?
Hätte der Engel zu den Hirten nur gesagt, der neue König sei geboren, dann hätten sie sich wohl kaum auf den Weg gemacht. Wer will schon als Hirte in einen Palast gehen? Das Zeichen von der Krippe zeigte ihnen an: Es sind einfache Leute wie wir. Der verheißene König ist, wie damals der König David, ein ganz normales jüdisches Kind.
Ein weiterer Punkt kommt durch die Krippe zum Ausdruck: Jesus symbolisiert die himmlische Speise. Er ist das Brot des Himmels. Seine Worte sollen ein Teil von uns werden, so wie die Nahrung.
In Jesaja 1,3 heißt es: „Ein Rind kennt seinen Besitzer und ein Esel die Krippe seines Herrn. Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.“
Das bedeutet nicht, wie später angenommen, dass Ochs und Esel an der Krippe standen, sondern dass sie wussten, wo sie gute Nahrung bekamen, aber das Volk hatte es vergessen.
In Jeremia 15,16 heißt es: „Fanden sich Worte von dir, dann habe ich sie gegessen, und deine Worte waren mir zur Wonne und zur Freude meines Herzens.“
Jesus sagt in Johannes 6,27: „Wirkt nicht für die Speise, die vergeht, sondern für die Speise, die da bleibt ins ewige Leben, die der Sohn des Menschen euch geben wird! … 35 Jesus sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr dürsten.“
Die Krippe ist ein bedeutendes Zeichen dafür, dass Jesus die göttliche Nahrung für uns ist.
Unser Gott fährt nicht mit Glanz und Gloria ein. Er ergreift uns nicht mit Gewalt, er zwingt uns seine Wahrheit und seine Gerechtigkeit nicht auf. Wer will, kann sich auf ihn einlassen und ihn empfangen.
Gott hat einen Weg gewählt, um uns werbend anzusprechen. So zieht er uns an, mit dieser wehrlosen und auch entwaffnenden Liebe, denn wenn wir diese Einfachheit Jesu in der Krippe sehen, dann fällt auch unsere Einbildung auf uns selbst weg und wir gehen demütig zu ihm, um ihn zu bitten, in unser Leben zu kommen, damit sein Wesen in uns wachsen kann.
Gott gibt sich in unsere Hände. Geistliches Leben beginnt mit einer Geburt von oben, sagte Jesus zu Nikodemus.
Paul Gerhard bringt das im letzten Vers seines Liedes: „Ich steh an deiner Krippe hier“ so zum Ausdruck: „So lass mich doch dein Kripplein sein; komm, komm und lege bei mir ein – dich und all deine Freuden.“