Die katholische Kirche ist heute nicht ohne Priester zu denken. Doch das war nicht immer so, betont der emeritierte katholische Neutestamentler Martin Ebner. Das Besondere des Christentums sei eigentlich, gerade keine Priester zu brauchen.
„Für christliche Gemeinden sind Priester nicht vorgesehen. Und zwar nicht deshalb, weil es keine gegeben hätte“, so der Theologe. Zwar seien nach Apostelgeschichte 6,7 auch Tempelpriester christusgläubig geworden, sie erhielten jedoch keine besonderen Funktionen in den Gemeinden. In den neutestamentlichen Gemeinden habe es keine Priester und auch keine Opfer gegeben.
Auch die Sündenvergebung sei bereits prinzipiell durch den Tod Jesu bewirkt und wird laut Ebner gemäß den Evangelien von den Glaubenden einander zugesprochen. Damit hebe sich das Christentum gerade vom damaligen jüdischen Tempelpriestertum ab, indem es die Sündenvergebung nicht mehr den damaligen Priestern überlassen und die Vermittlung zwischen Gott und Mensch zur Glaubenssache gemacht habe, die allen offenstehe. Vielmehr hätten sich die frühen Christen selbst als neuen Tempel verstanden und Jesus als dessen von Gott eingesetztes Zentrum. Das wahre Opfer sei ein „den Menschen zugewandtes Leben im Respekt vor Gott“. Dieses „Opfer“ könne jede und jeder darbringen, so Ebner.
Verschiedene Schriften des Neuen Testaments entwickeln eine Gemeindetheologie, die alles, was zur Zeit Jesu streng an die priesterlichen Opferriten im Tempel gebunden war, in die Hände der Getauften legt. Im Glauben der frühen Christen ist das der positive Effekt, den Gott gerade durch den Tod Jesu bewirkt hat. Es ist Gottes Werk, dass er im Tod Jesu einen Weg zu sich selbst gezeigt hat, der ohne Priester, Riten und Tempel auskommt.
Erst ab dem 3. Jahrhundert habe es Priester in christlichen Gemeinden gegeben. Die Einführung eines Priesteramts der Gemeindeleiter hänge mit dem Wunsch nach wirtschaftlicher Absicherung in Analogie zum biblischen Zehnten zusammen.
Ein Charakteristikum des frühen Christentums sei die Aufhebung aller gesellschaftlich etablierten Standesgrenzen gewesen. Jede Über- und Unterordnung der Menschen wäre ein Widerspruch zum Glauben an Christus, sagt Ebner. So sollen die Aufgaben, die momentan alle auf den Priester konzentriert sind, auf viele Schultern verteilt werden – und zwar nach Kompetenz und Ausbildung.
Am ersten Juli 2022 erscheint das Buch:
Braucht die Kirche überhaupt Priester? Martin Ebner sucht Antworten auf diese Frage im Neuen Testament. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass dort keine Hinweise auf ein Priestertum, wie wir es kennen, zu finden sind. Stattdessen stößt man dort auf ein Gemeindeverständnis abseits von Hierarchien und Machtstrukturen, das wegweisend sein könnte für einen wirklichen Neuaufbruch der Kirche im Geiste Jesu.
Die Kirche wurde von einer Freiwilligkeitskirche, zu einem Kirchengeschäft mit Instrumentalisierung, Steuern, Rechnungen und Bezahlung von geistlichen Leistungen.
Die ursprüngliche Idee, dass Menschen freigesetzt werden zum geistlichen Dienst, indem man für ihren Lebensunterhalt mit freiwilligen Gaben sorgt, wurde immer mehr verdrängt.
Die Kirche wurde über die Jahrhunderte vom Staat instrumentalisiert (Geburts- und Sterbensregister der Staatsbürger, sowie Heiraten).
Die Zukunft der Kirche wird sich nach den Worten des Wiener Theologen Paul Zulehner „nicht am Priestermangel entscheiden“. Seine Vision: „Gläubige Gemeinden werden künftig bewährte Personen aufspüren: Personen, die mit dem Evangelium randvoll sowie im Gemeindeleben erfahren sind: Frauen wie Männer. Ausreichend vielen wird die Kirche die Hand auflegen.“ Eine solche Ordination führe nicht zu einer höheren Würde oder bediene keinen Klerikalismus, sondern stehe ganz in der Linie einer synodalen Kirche: „Ordinierte handeln synodal, nicht klerikal“, so Zulehner. Als „untaugliche Begriffe“ bezeichnete Zulehner in diesem Kontext die übliche Unterscheidung von Priestern und Laien. „Besser ist es, von ‚Hinzugefügten‘ und darunter ‚Ordinierten‘ zu sprechen. mehr Informationen