Du kannst nur Pazifistin sein, wenn du nicht bedroht wirst, wenn dich niemand vergewaltigen, dein Land angreifen, deine Existenz zerstören will.
Die litauische Künstlerin Neringa Rekasiute erzählt, wieso sie sich an der Waffe ausbilden lässt und wie der Krieg ihre Einstellungen verändert hat.
Vor dem Krieg war ich Pazifistin, jetzt nicht mehr. Denn: Zivilisten sind die Opfer der modernen Kriegsführung.
Erst jetzt verstehe ich, was es für eine Freiheit ist, sich überhaupt über ein System beschweren zu können, zu protestieren – ohne dafür in Haft zu landen. Als mir klar wurde, dass die Russen Krieg führen gegen alles, wofür wir stehen und woran wir glauben, hat sich viel für mich verändert. Ich schätze es, in einer Gesellschaft leben zu können, in der man Kritik äußern darf. Und jetzt wird das alles bedroht.
Wir teilen mit der Ukraine dieselbe Kultur, dieselbe schreckliche Geschichte: die Besatzung durch das Sowjetregime. Dieses kollektive Trauma sitzt noch immer tief in unserer Gesellschaft.
Wir haben in der Schule, von unseren Eltern und Großeltern immer wieder gehört, was alles passiert war. Viele Menschen haben in Litauen ihr Leben verloren. Russische Einwanderer kamen hierher, übernahmen die Häuser derjenigen Menschen, die vom Sowjetregime ermordet wurden. Die Leute haben extrem gelitten und Russland hat sich nie für die Verbrechen entschuldigt. Ich wusste das alles, aber ich habe es nie als mein Trauma betrachtet.
Die Menschen haben sich vom Westen im Stich gelassen gefühlt, als die Sowjets das Land nach dem Zweiten Weltkrieg überfielen. Litauische Partisanen kämpften im Wald gegen die Sowjets, verteidigten das Land und baten die USA, zu helfen. Aber niemand kam. Wir kennen also dieses Gefühl, auf Hilfe zu warten. Es ist sehr wichtig, dass das ganze Land weiß, wie man sich wehren kann.
Das Baltikum ist definitiv ein potenzielles Ziel Russlands. Russland sieht, wie unfähig wir als Europäische Union sind, wirklich harte Sanktionen zu verhängen. Russland kann die Schwäche der Demokratie sehr gut manipulieren. Wir wissen nie, was passiert, wie sich diese Dinge gegenseitig beeinflussen.
Westliche Länder erklären uns, wie die Situation für uns ist. Sie tun so, als wüssten sie, was die Ukrainer durchmachen oder sie sagen: Ach, so schlimm war es doch gar nicht, was ihr in der Sowjetunion erlebt habt. Ich denke, was die Menschen im Westen oft nicht verstehen: Man kann uns alle nicht in eine Schublade stecken. Für mich war auch dieser Brief einiger deutscher Intellektueller und Künstler sehr schmerzhaft zu lesen, in dem sie der Ukraine eine Kapitulation nahelegen. Diese Leute verstehen nicht, wofür die Ukrainer kämpfen: für ihr Land, ihre Existenz, ihre Identität. Viele Westler sehen das Ganze vielleicht sehr naiv, weil sie diese Bedrohung nicht kennen. Sie können nicht verstehen. mehr Informationen
Obwohl die Juden ab 150 Pazifisten waren, hat es sie nicht vor dem Holocaust bewahrt. Die Bibel spricht auch davon, dass wir uns für die Schwachen einsetzen sollen. Wenn wir Bedrohte nicht mehr unterstützen, geben wir dem Täter eine Freikarte. Gebet gehört dazu, damit wir weise werden, wie wir handeln sollen. Wir können nicht alles an Gott delegieren und nichts tun.