Der Autobomben-Anschlag auf Daria Dugina (†29) schlägt in Russland hohe Wellen. Dazu trägt auch bei, dass die Explosion sich unweit des Viertels Rubljowka ereignete, wo Moskaus Reiche und Mächtige wohnen. Russische Oligarchen fürchten nun, sie könnten die nächsten sein. «Die Rubljowka zittert», schreibt darum Sergej Markow, ein kremlnaher Politologe auf Telegram. Der Anschlag auf Dugina käme für die Oligarchen einer Mahnung gleich: «Du könntest der Nächste sein.»
Es gibt aber auch Stimmen, gemäss denen der FSB selbst hinter dem Attentat steckt. Putins Geheimdienst hat immer wieder ganz bizarre Theorien erfunden. Der FSB war innerhalb von Stunden „fähig“ eine Täterin mit einem Kind zu lokalisieren, war aber nicht in der Lage vor dem Anschlag zu schützen. Ebenso wurde ihre Beerdigung im Fernseher insziniert, obwohl sie wenig bekannt war. Auch wurden nach dem Bekanntwerden des Attentats unter russischen Kriegspropagandisten viele Stimmen laut, die härtere Angriffe auf die Ukraine forderten. So schrieb etwa RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan auf Telegram, dass Russland jetzt auf die «Entscheidungszentren» zielen müsse. «Eine Intensivierung der Angriffe könnte man jetzt als Vergeltungsschlag rechtfertigen», meint auch Ulrich Schmid. Dies scheint auch die Ukraine zu befürchten. Nach der Meinung von Russland-Experte Gerhard Mangott könnte der russische Inlandsgeheimdienst FSB selbst dahinterstecken. Putin könne massiv davon profitieren, erklärt Mangott in einem „ Welt “-Interview. Der Professor meint, dass das Attentat auf die rechte Nationalistin Putin den Freiraum schaffen könnte, seine „repressive autoritäre Kontrolle im eigenen Land noch einmal zu verschärfen“.
Nach dem Mord an seiner Tochter Darja ruft Alexander Dugin die Russen auf, im Sinne seiner rechtsnationalistischen und imperialistischen Ideologie zu kämpfen. „Unsere Herzen dürstet es nicht einfach nach Rache oder Vergeltung. Das wäre zu klein, nicht russisch„, ließ Dugin über seinen Vertrauten, den Oligarchen Konstantin Malofejew, auf Telegram ausrichten. „Wir brauchen nur unseren Sieg. Auf dessen Altar hat meine Tochter ihr mädchenhaftes Leben gelegt. Also siegt bitte!“
Dugina ist offenbar Mitautorin eines in Kürze erscheinenden Buches über den Ukraine-Krieg, wie die «New York Times» berichtet. Als sie im Juni die eingenommene Hafenstadt Mariupol bereiste, sagte sie im Interview mit einem russischen Radiosender: Der letzte Widerstand im Stahlwerk Azovstal sei mit «satanistischer und schwarzer Energie erfüllt». Kurz vor ihrem Tod bezeichnete Dugina, die auch journalistisch aktiv war, den Krieg als «unvermeidlichen Kampf der Kulturen». Russland kämpfe gegen «liberalen Totalitarismus und liberalen Faschismus.» An einem Vortrag am Freitag bezeichnete sie das Massaker von Butscha sogar als «inszenierte Ereignisse».
Erst letzten Monat hatte die britische Regierung Sanktionen gegen Dugina verhängt. Offizielle Begründung: Sie verbreite «häufig und in hohem Masse Desinformationen über die Ukraine und die russische Invasion».
Der russische Oppositionelle Ilja Ponomarjow macht eine russische Widerstandsgruppe für das tödliche Attentat auf Kreml-Propagandistin Darja Dugina verantwortlich. In einem von ihm mitgegründeten oppositionellen TV-Sender sagt der ehemalige Duma-Abgeordnete, der in Kiew im Exil lebt: „Diese Aktion wurde wie viele andere Partisanen-Aktionen, die in den letzten Monaten auf dem Territorium Russlands durchgeführt wurden, von der Nationalen Republikanischen Armee verübt.“ Weiter zitiert Ponomarjow ein angebliches Manifest der Gruppe: „Putin wird von uns gestürzt und vernichtet werden!“
Am Montag teilte Russlands Inlandsgeheimdienst FSB mit: „Das Verbrechen wurde von ukrainischen Geheimdiensten vorbereitet und begangen.“ Als Täterin nannte der FSB eine 1979 geborene Ukrainerin, die Ende Juli gemeinsam mit ihrer Tochter nach Russland eingereist sei. Nach der Tat seien beide ins benachbarte EU- und NATO-Land Estland ausgereist. Bei der Attentäterin soll es sich um eine 40-jährige Ukrainerin handeln, die sich bis gestern in Russland aufgehalten hat. Russlands Inlandsgeheimdienst FSB hat ein Video veröffentlicht, das die angebliche Mörderin der Kriegsbefürworterin Darja Dugina zeigen soll.
Der ukrainische Präsidentenberater Mykhailo Podolyak hat auf den Vorwurf des russischen Sicherheitsdienstes (FSB) reagiert, ukrainische Geheimdienste seien für den Mord an der Kriegsbefürworterin Darya Dugina verantwortlich. „Russische Propaganda lebt in einer fiktionalen Welt“, schreibt er auf Twitter. Eine ukrainische Frau und ihr 12-jähriges Kind seien für die Sprengung des Autos der Propagandistin Dugina verantwortlich gemacht worden. „Überraschenderweise haben sie das ‚estnische Visum‘ nicht vor Ort gefunden“, sagte er in Anspielung auf die Behauptung des FSB, die Frau sei inzwischen nach Estland geflohen.
Estlands Außenminister Urmas Reinsalu hat die Behauptung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB zurückgewiesen, wonach die angebliche Mörderin der russischen Kriegsunterstützerin Darja Dugina in das baltische EU- und Nato-Land geflohen sei. Nach gegenwärtiger Einschätzung des Außenamts in Tallinn sei diese Behauptung eine Informationsoperation, sagte der Chefdiplomat des an Russland grenzenden baltischen EU- und Nato-Landes am Montagabend im estnischen Rundfunk. «Wir betrachten dies als eine Provokation der Russischen Föderation in einer sehr langen Reihe von Provokationen, und wir haben im Moment nichts mehr dazu zu sagen», sagte Reinsalu. Russische Oppositionelle bezweifelten die Darstellung des Geheimdienstes. Kiew hatte eine Beteiligung am Tod Duginas bereits am Wochenende zurückgewiesen.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte, es könne „keine Gnade“ für die Hintermänner des Bombenanschlags geben. „Die Untersuchung wird hoffentlich bald abgeschlossen sein. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung kann es keine Gnade für diejenigen geben, die (die Bombardierung) organisiert, befohlen und durchgeführt haben“, sagte Lawrow auf einer Pressekonferenz in Moskau.
Das US-Außenministerium sagte in einer Pressekonferenz am Montag, es „verurteile“ Angriffe auf Zivilisten, während es erklärte, die Ukraine habe jede Beteiligung bestritten. „Wir wissen nicht wirklich, wer dahintersteckt und was das Motiv gewesen sein könnte“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, dem Nachrichtensender „CNN“.
Der Vater Alexander Dugin (geb. 1962) gehört zu den bekanntesten und schillerndsten geostrategischen Intellektuellen in Russland. Dugin ist aber mit einer Vielzahl von Websites, Büchern, Broschüren und Zeitschriftenartikeln im öffentlichen Diskurs Russlands präsent.
Dugin ist ein Anhänger der sogenannten hyperboräischen Theorie, nach der die Menschheit im arktischen Norden entstanden sei. Deshalb seien die Russen ein „arisches Volk“, das allerdings nicht durch die Rasse, sondern durch eine metaphysische Geschichtsmission definiert werde. Dugin wandte sich einem Neo-Eurasismus zu. Für den eurasischen Großraum beansprucht Dugin neben dem Territorium der Russländischen Föderation auch Belarus, die Ukraine, den gesamten Kaukasus, Zentralasien und die Mongolei. Jede politische Macht ist nach Dugins Vorstellungen ihrem eigenen Raum zugeordnet und muss „raumfremde Mächte“ fernhalten. In der Logik des Eurasismus ist Russland zur Größe nachgerade verpflichtet. Der Verzicht auf weitere Expansion würde die Existenz des russischen Volkes in Frage stellen.
In den 2010er Jahren hat Dugin eine „Vierte Politische Theorie“ entworfen, die er als neue leistungsfähige Ideologie nach dem Ende von Liberalismus, Sozialismus und Faschismus anpreist. Dugin will die traditionellen Systeme in einer neuen Synthese überwinden. Dugin will den Staat von seiner abstrakten Rolle als reines Vertragsgebilde erlösen und ihm eine eigene Seinsberechtigung verleihen: Der Staat soll eine eigene Zivilisation und Lebenswelt begründen.
Seit kurzem umwirbt Dugin auch die westeuropäische Linke, die er vor allem durch seinen rabiaten Antiamerikanismus in den Bann ziehen kann. Damit geht Dugin praktisch an, was er bei Vorträgen regelmäßig in seiner „Vierten Politischen Theorie“ verkündet, mit der er die Zeit für eine neue Synthese von Nationalismus und Sozialismus gekommen sieht.
Nach den dramatischen Ereignissen in Odessa im Mai 2014 rief er zum Mord an der Kiewer Regierung auf: „Ich glaube, man muss töten, töten und töten. Ich sage das als Professor.“
Dugin unterstützte nicht nur die Angliederung der Krim an Russland, sondern auch den großflächigen Krieg in der Ukraine, den er als einen weiteren Schritt in einer historisch bereits stufenweise erfolgten Ausdehnung des russischen Imperiums und der UdSSR Richtung Westen deutet. Die Ukraine als eigener Staat kommt in dieser Weltvorstellung nicht vor.
Dugin erscheint es daher auch selbstverständlich, auf dem Reißbrett eine Teilung der Ukraine herbeizufantasieren: „Das Territorium zwischen Odessa und Charkiw werden wir befreien und so oder anders [an Russland] anschließen. Das steht nicht zur Diskussion. Die Westukraine als Teil von Polen ist auf den ersten Blick akzeptabel … Ein wahrer Sieg beginnt mit der Befreiung von Noworossija (Südosten der Ukraine) und weiter, wie es Gott will“. mehr Informationen
Dugin zeichnet das Bild einer uralten Auseinandersetzung zwischen atlantischen Seemächten (Thalassokratien), welche auf die versunkene Welt von Atlantis zurückgehen und jetzt von den „mondialistischen“ USA angeführt werden, und den eurasischen Landmächten, die ihre Wurzeln im mythischen Land Hyperborea haben und unter denen Russland heute die wichtigste Komponente darstellt. Laut Dugin befinden sich die geheimen Orden dieser beiden antagonistischen Zivilisationen in einem jahrhundertealten Kampf, der sich nun seinem Endstadium nähert. Dies, so scheint sein Gedankengang zu sein, erfordere Russlands nationale Neugeburt mittels einer konservativen und permanenten Revolution, welche von der Ideologie des Nationalbolschewismus und einem ausdrücklich geopolitischen Zugang zu den internationalen Beziehungen geprägt sein müsse, einen Neuen Sozialismus kreieren werde und sowohl territoriale Ausweitung, als auch die Schaffung eines eurasischen Blocks fundamentalistischer Landmächte (inklusive eines traditionalistischen Israels!) gegen den zersetzenden, individualistischen, angelsächsischen Imperialismus implizieren würde (Serman o.J.; Mathyl 2001;2002a, zitiert in Kulturhegemoniale Strategien der russischen extremen Rechten, Seite 441).
Papst Franziskus hat sechs Monate nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine ein Ende des Konflikts gefordert und der getöteten Darja Dugina gedacht. „Ich denke an eine arme Frau, die in Moskau durch eine Bombe unter dem Sitz ihres Autos in die Luft flog. Die Unschuldigen bezahlen für den Krieg“, sagte der Papst. Darja Dugina war eine glühende Befürworterin des Krieges.