Der eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag ist – obwohl dem Gebet gewidmet – kein kirchlicher, sondern ein staatlicher Feiertag. Zweitens ist er – obwohl als «eidgenössisch» deklariert – seit jeher in der Verantwortung der Kantone – sie schreiben das Bettagsmandat. Und drittens ist er unser ältester eidgenössischer Feiertag.
Die Tradition des „Großen Gebets der Eidgenossen“ ist erstmals 1517 schriftlich überliefert. Zunächst rief die Obrigkeit die Bevölkerung je nach Bedarf zum Gebet auf – etwa bei Seuchen, Erdbeben oder Kriegsgefahr.
Im Juli 1796 beschloss die Tagsatzung auf Antrag Berns, den Bettag wegen der Französischen Revolution (1789-99) erstmals als allgemeinen eidgenössischen Feiertag zu begehen. 1832 wurde der Bettag definitiv auf den dritten Sonntag im September festgelegt.
Kirchenratspräsident Martin Schmidt schreibt im Bettagsmandat 2024 der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons St. Gallen: „Unser Land, unsere Gemeinden müssen Orte sein, in denen … Freiheit nicht zum Individualismus führt, sondern zu einer Wertegemeinschaft, einer «Caring Community», die für einander da ist. … Es braucht «Wertebildung und Wertevermittlung». … Die deutsche Philosophin Edith Stein sagte: «Der Kern aller Menschenbildung muss religiöse Bildung sein». Die spürbare Krise unserer Gesellschaft ist eine Sinn- und Wertekrise. … Der eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag lädt alle zur Besinnung ein: die Politik, die Wirtschaft, die Kirchen, die ganze Gesellschaft.“
Gebet
Jesus sagt in Matthäus 6,8: „Euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet.“
Warum sollen wir also beten?
Unser himmlischer Vater möchte hören, ob wir seine Anliegen teilen. Das Gebet drückt auch unsere Abhängigkeit von Gott aus. Im Gebet zeigt sich unsere Beziehung zu Gott.
Im Gebet geht es nicht darum, Gott zu bewegen oder zu beschenken. Viel wichtiger ist, dass wir durch das Gebet von Gott bewegt und beschenkt werden. Er schenkt uns seine Sicht über uns und unsere Situation.
Haddon Robinson, ein amerikanischer Theologe, formulierte es so: „Es ist nicht der Zweck eines Gebetes, Gott zu sagen, wie er sein Universum zu regieren hat“.
Albert Schweitzer hat einmal gesagt: «Gebete ändern die Menschen».
Beten heißt: zu unserer Ohnmacht stehen – Jesus unsere Not sagen – Jesus erlauben, uns zu dienen – darauf vertrauen, dass er etwas zu seiner Verherrlichung tun wird.
Gebete sind nicht Anweisungen an Gott, sondern ein Gespräch mit ihm, in dem er uns zeigen will, was er auf dem Herzen hat.
Es gibt drei Ebenen des Gebets.
- Die erste ist die elementare Ebene. Da beten wir um Essen, Arbeit und viele andere Dinge, die zum Leben notwendig sind.
- Auf der zweiten Ebene teilen wir mit, was wir beobachtet haben.
- Auf der dritten Ebene drücken wir unsere Gefühle vor Gott aus. Wir sagen ihm, was uns freut und was uns schmerzt.
In diesem Sinne ist es gut, einen Tag des Gebets zu haben.
Im Judentum gibt es mehrere Tage, die dem Gebet gewidmet sind. Gerade diese Woche, am Donnerstag, haben Tausende vor der Klagemauer gebetet. Sie sagten:
Herr der Vergebung. Wir haben gesündigt vor Dir, sei uns gnädig.
Herr der Vergebung, Prüfer der Herzen. Offenbarer der Tiefen, Sprecher der Gerechtigkeit. Wir haben gesündigt vor Dir, sei uns gnädig.
Herr der Wunder, ewiger Trost, der Du an den Bund unserer Väter erinnerst, Leser all unserer verborgenen Anteile. Wir haben gesündigt vor dir, sei uns gnädig.
Vollkommen mit guten Eigenschaften, ehrfurchtgebietend im Lobpreis. Du vergibst das Unrecht und erhörst die Betrübten. Wir haben gesündigt vor dir, sei uns gnädig.
Dank – der Löffel
Der schweizerische Bettag hat drei Schwerpunkte. Dank, Busse und Gebet. Zu einem vollständigen Menü gehören Löffel, Messer und Gabel. Der Dank ist die Vorspeise.
Paulus schreibt in 1.Timotheus 2,1 : „Insbesondere bitte ich euch nun, vor Gott einzutreten für alle Menschen in Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung“.
Fürbitte ist für uns klar. Aber Fürdanken? „Vor Gott einzutreten für alle Menschen in … Danksagung“.
Danken nicht nur für das, was mich betrifft, sondern auch dafür, dass es anderen gut geht, auch wenn sie Gott dafür nicht danken.
Es ist ein spannender Gedanke, dass wir zuerst einmal dankbare Menschen sein sollen.
In einer Bibelgruppe haben die Teilnehmenden immer wieder für die singenden Vögel und die schönen Blumen gedankt. Das hat mir einen ganz neuen Blick für das Schöne in unserem Alltag gegeben. Lasst uns die Faszination des Lebens neu miteinander teilen.
David ermutigt seine Seele in Psalm 103,2: „Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“
Im gemeinsamen Danken können wir wieder neu sehen, wie gut Gott zu uns ist.
Dankbarkeit hat eine besondere Auswirkung. Gott wohnt und thront im Lobpreis seines Volkes. So lesen wir in Psalm 22,4: „Aber du bist heilig, du thronst über dem Lobpreis Israels.“
Als Paulus und Silas im Gefängnis Gott lobten, wurden ihre Fesseln gelöst (Apostelgeschichte 16,25-26).
Im gemeinsamen Danken können wir unseren Blick für Gott und seine Gegenwart neu öffnen.
Warum nicht Gott danken für all das Schöne im Toggenburg, das viele schon gar nicht mehr sehen?
Wir nehmen uns eine Zeit des Betens. Ihr könnt für euch alleine in die Stille gehen oder in kleinen Gruppen zusammenstehen und beten. Wir wollen uns gegenseitig inspirieren, indem wir Gott danken.
Busse – das Messer
Der zweite Schwerpunkt dieses Tages ist die Busse. Sie ist oft wie ein Messer, das uns schmerzlich bewusst macht, was abgeschnitten werden muss oder wo Wunden sind. Busse ist auch die Frage an uns, ob wir uns von der Not in unserem Land berühren lassen.
Von Jesus steht in Lukas 19,41: „Als er näher kam und die Stadt (Jerusalem) sah, da weinte er über sie“.
Daniel tut Buße. Nicht nur für sich selbst, sondern für das ganze Volk. Hier einige Auszüge aus Daniel 9: 4 Ich betete zum HERRN, meinem Gott, bekannte die Schuld und sagte: … 5 Wir haben gesündigt und Unrecht getan, wir sind treulos gewesen und haben uns gegen dich empört; von deinen Geboten und Rechtsentscheiden sind wir abgewichen. ….. 7 Du, Herr, bist im Recht; …. 9 Beim Herrn, unserem Gott, ist das Erbarmen und die Vergebung, obwohl wir uns gegen ihn empört haben. …. 16 dein Volk (ist) zum Gespött für alle geworden, …17 Darum höre jetzt, unser Gott, … um deiner selbst willen … 18 …Nicht im Vertrauen auf unsere guten Taten legen wir dir unsere Bitten vor, sondern im Vertrauen auf dein großes Erbarmen. 19 … Gott, auch um deiner selbst willen zögere nicht! Dein Name ist doch über deiner Stadt und deinem Volk ausgerufen. … 21 während ich also noch mein Gebet sprach, da kam … Gabriel … und sagte: Daniel, ich bin ausgezogen, um dir klare Einsicht zu geben. 23 Schon zu Beginn deines Gebetes erging ein Gotteswort und ich bin gekommen, um es dir zu verkünden; denn du bist geliebt. Achte also auf das Wort und begreife die Vision!
Daniel geht es nicht um sich, sondern um die Ehre Gottes. Er stellt sich in die Mitverantwortung, dass Gottes Volk zum Gespött geworden ist. Spannend ist die Zusage von Gabriel: Du bist geliebt.
Jesus sagt in der Offenbarung 3,20, dass er vor der Tür steht und darauf wartet, dass wir ihn einladen, uns diese neue Sicht zu schenken: Wir sind geliebt. Jesus liebt das Toggenburg.
Auch Nehemia ließ sich von der Not persönlich berühren. In der Stille vor Gott erkannte er, dass der Ungehorsam seines Volkes gegenüber Gott die Ursache der Not war. Tiefe Betroffenheit über eine Sache ist oft ein Hinweis darauf, dass Gott etwas verändern will und vielleicht auch uns dazu braucht. Gott ist in Zeiten des Wartens gegenwärtig. Vielleicht sind deine schwierigen Situationen auch so eine Zeit des Wartens auf Gott. Als der König Nehemia fragte, was er brauche, wusste Nehemia sofort, was nötig war und wie er den Wiederaufbau Jerusalems leiten würde: Er hatte monatelang darüber nachgedacht und gebetet.
Wir halten eine Zeit des Gebets. In der Stille wollen wir vor Gott aussprechen, was uns bewegt und den Wunsch zum Ausdruck bringen, dass die Ehre Gottes über unseren Kirchen wiederhergestellt wird.
Beten – die Gabel, die uns nährt
Beten ist wie eine Gabel, mit der wir uns ernähren. Das Gespräch mit Gott ist unsere Lebensader.
Paulus schreibt im 1.Timotheus 2,2-3: „Betet besonders für alle, die in Regierung und Staat Verantwortung tragen, damit wir in Ruhe und Frieden leben können, ehrfürchtig vor Gott und aufrichtig unseren Mitmenschen gegenüber. So soll es sein, und so gefällt es Gott“.
Das ist die eine Seite der Fürbitte. Die andere ist, dass wir für die beten, denen im Moment die Worte fehlen.
Vielleicht ist unser Glaube ins Stocken geraten, dann können wir ihn in der Gemeinschaft neu entfachen. Wenn jemand für dich betet oder für dich dankt, kann dein Blick wieder frei werden.
Es ist wie bei einem Auto, das mit einem Überbrückungskabel wieder anspringt. Wir können überbrücken, wenn jemandem selbst die Worte fehlen.
Gott ist da und wir können ihm jederzeit unser Herz ausschütten, wie es in Psalm 62,9 heißt: „Vertraut ihm, Volk, zu jeder Zeit! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Denn Gott ist unsere Zuflucht.“
Kürzlich wurde ich an ein Sterbebett gerufen. Einfach da zu sein, eine Stunde miteinander zu beten, Dinge vor Gott zu legen, kann einen Menschen verändern. Es geht darum, den Blick wieder auf Gott zu richten, egal in welcher Lebenssituation wir uns befinden.
So wie es in Psalm 25,15 heißt: „Meine Augen schauen stets auf den HERRN; denn er befreit meine Füße aus dem Netz.“
Das ist eigentlich ein Widerspruch. Wenn sich unsere Füße im Netz verfangen haben, schauen wir auf die Füße, um uns zu befreien. Aber bei Gott ist es anders. Wenn wir auf ihn schauen, löst er unsere Probleme.
Wenn wir zusammenkommen, dann können wir uns gegenseitig ermutigen und unseren Blick wieder neu auf Jesus ausrichten.
Ich habe in den letzten Jahren erlebt, dass in sprachlosen Situationen vielen das „Vater unser“ eine große Hilfe ist. Gemeinsam zu beten: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“.